Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

ja es müssen Jahre vergehen, Jahre harten Ringens,
vielleicht ein Jahrzehnt. Haben Sie das Herz, Do¬
rothee, diese Jahre zu harren in Treuen und Ehren
als meine anverlobte Braut? Sind Sie meiner, sind
Sie Ihrer selber gewiß zu solchem Verspruch? Nie¬
mals sehen Sie mich wieder, sollte ich im Lauf nach
dem Ziele unterliegen. Aber ich werde nicht unter¬
liegen. Und wenn ich, früh oder spät, zurückkehre,
vor meinem Gewissen und vor der Welt als ein fer¬
tiger Mann, wollen Sie dann die Meine werden?
Ich habe bis heute nach keinem Menschen begehrt als
nach Ihnen allein, wollen Sie, daß ich auch ferner¬
hin Ihrer begehren, daß ich auch in Zukunft Sie
lieben darf, Dorothee?"

Des Mannes Wallung hatte mich ergriffen. Das
Wagniß seines Anerbietens entsprach recht gründlich
meinem fünfzehnjährigen Temperament. Mit Triumph
würde ich, -- natürlich vorausgesetzt, daß ich Do¬
rothee Müllerin und nicht Hardine von Reckenburg
geheißen hätte, -- mit Triumph würde ich in Sieg¬
mund Faber's Hand eingeschlagen und gesagt haben:
"Brich Dir einen Weg, suche Dein Ziel. Ein Mann
wie Du ist es werth, daß ein Weib seiner harrt,
Jahre lang, Jahrzehnte lang, wie Gott es fügt!"

ja es müſſen Jahre vergehen, Jahre harten Ringens,
vielleicht ein Jahrzehnt. Haben Sie das Herz, Do¬
rothee, dieſe Jahre zu harren in Treuen und Ehren
als meine anverlobte Braut? Sind Sie meiner, ſind
Sie Ihrer ſelber gewiß zu ſolchem Verſpruch? Nie¬
mals ſehen Sie mich wieder, ſollte ich im Lauf nach
dem Ziele unterliegen. Aber ich werde nicht unter¬
liegen. Und wenn ich, früh oder ſpät, zurückkehre,
vor meinem Gewiſſen und vor der Welt als ein fer¬
tiger Mann, wollen Sie dann die Meine werden?
Ich habe bis heute nach keinem Menſchen begehrt als
nach Ihnen allein, wollen Sie, daß ich auch ferner¬
hin Ihrer begehren, daß ich auch in Zukunft Sie
lieben darf, Dorothee?“

Des Mannes Wallung hatte mich ergriffen. Das
Wagniß ſeines Anerbietens entſprach recht gründlich
meinem fünfzehnjährigen Temperament. Mit Triumph
würde ich, — natürlich vorausgeſetzt, daß ich Do¬
rothee Müllerin und nicht Hardine von Reckenburg
geheißen hätte, — mit Triumph würde ich in Sieg¬
mund Faber's Hand eingeſchlagen und geſagt haben:
„Brich Dir einen Weg, ſuche Dein Ziel. Ein Mann
wie Du iſt es werth, daß ein Weib ſeiner harrt,
Jahre lang, Jahrzehnte lang, wie Gott es fügt!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0142" n="135"/>
ja es mü&#x017F;&#x017F;en Jahre vergehen, Jahre harten Ringens,<lb/>
vielleicht ein Jahrzehnt. Haben Sie das Herz, Do¬<lb/>
rothee, die&#x017F;e Jahre zu harren in Treuen und Ehren<lb/>
als meine anverlobte Braut? Sind Sie meiner, &#x017F;ind<lb/>
Sie Ihrer &#x017F;elber gewiß zu &#x017F;olchem Ver&#x017F;pruch? Nie¬<lb/>
mals &#x017F;ehen Sie mich wieder, &#x017F;ollte ich im Lauf nach<lb/>
dem Ziele unterliegen. Aber ich <hi rendition="#g">werde</hi> nicht unter¬<lb/>
liegen. Und wenn ich, früh oder &#x017F;pät, zurückkehre,<lb/>
vor meinem Gewi&#x017F;&#x017F;en und vor der Welt als ein fer¬<lb/>
tiger Mann, wollen Sie dann die Meine werden?<lb/>
Ich habe bis heute nach keinem Men&#x017F;chen begehrt als<lb/>
nach Ihnen allein, wollen Sie, daß ich auch ferner¬<lb/>
hin Ihrer begehren, daß ich auch in Zukunft Sie<lb/>
lieben darf, Dorothee?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Des Mannes Wallung hatte mich ergriffen. Das<lb/>
Wagniß &#x017F;eines Anerbietens ent&#x017F;prach recht gründlich<lb/>
meinem fünfzehnjährigen Temperament. Mit Triumph<lb/>
würde ich, &#x2014; natürlich vorausge&#x017F;etzt, daß ich Do¬<lb/>
rothee Müllerin und nicht Hardine von Reckenburg<lb/>
geheißen hätte, &#x2014; mit Triumph würde ich in Sieg¬<lb/>
mund Faber's Hand einge&#x017F;chlagen und ge&#x017F;agt haben:<lb/>
&#x201E;Brich Dir einen Weg, &#x017F;uche Dein Ziel. Ein Mann<lb/>
wie Du i&#x017F;t es werth, daß ein Weib &#x017F;einer harrt,<lb/>
Jahre lang, Jahrzehnte lang, wie Gott es fügt!&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[135/0142] ja es müſſen Jahre vergehen, Jahre harten Ringens, vielleicht ein Jahrzehnt. Haben Sie das Herz, Do¬ rothee, dieſe Jahre zu harren in Treuen und Ehren als meine anverlobte Braut? Sind Sie meiner, ſind Sie Ihrer ſelber gewiß zu ſolchem Verſpruch? Nie¬ mals ſehen Sie mich wieder, ſollte ich im Lauf nach dem Ziele unterliegen. Aber ich werde nicht unter¬ liegen. Und wenn ich, früh oder ſpät, zurückkehre, vor meinem Gewiſſen und vor der Welt als ein fer¬ tiger Mann, wollen Sie dann die Meine werden? Ich habe bis heute nach keinem Menſchen begehrt als nach Ihnen allein, wollen Sie, daß ich auch ferner¬ hin Ihrer begehren, daß ich auch in Zukunft Sie lieben darf, Dorothee?“ Des Mannes Wallung hatte mich ergriffen. Das Wagniß ſeines Anerbietens entſprach recht gründlich meinem fünfzehnjährigen Temperament. Mit Triumph würde ich, — natürlich vorausgeſetzt, daß ich Do¬ rothee Müllerin und nicht Hardine von Reckenburg geheißen hätte, — mit Triumph würde ich in Sieg¬ mund Faber's Hand eingeſchlagen und geſagt haben: „Brich Dir einen Weg, ſuche Dein Ziel. Ein Mann wie Du iſt es werth, daß ein Weib ſeiner harrt, Jahre lang, Jahrzehnte lang, wie Gott es fügt!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/142
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/142>, abgerufen am 21.11.2024.