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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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baren Granatgehänge, die ihr als Angebinde verehrt
wurden.

"Und was schreibt er?" fragte ich, nachdem sie
vor dem Spiegel den großen Schmuck den kleinen
Ohren eingehenkelt hatte. Sie überflog den Brief
und reichte ihn mir mit den Worten: "Es steht nicht
viel darin."

Und es stand allerdings nicht viel darin. Her¬
kömmliche Glückwünsche und eine ziemlich altmodische
Redensart von ewiger Liebe und Treue und so wei¬
ter. Sie schien dem Schreiber nicht eben flott vom
Herzen gekommen zu sein. Eine Nachschrift brachte
die Notiz, daß er allsobald von Berlin zur königlichen
Armee nach Schlesien dirigirt und dort, nach Wunsch,
dem Regiment Weimar zugetheilt worden sei. Da die
hohen Potentaten seitdem Versöhnung geschlossen, sei
die kriegerische Aussicht zunächst verschoben, Schreiber
aber habe in dem chirurgischen Institute zu Breslau
förderliche Beschäftigung gefunden, eine Gunst, welche
er nicht allein der gnädigen Verwendung seines durch¬
lauchtigen Chefs zu verdanken habe, sondern mehr
noch der eines erhabenen Geistesfürsten, bei welchem
eine Empfehlung von Jena ihn eingeführt, und mit
dem er eine über alle Maßen interessante Unterre¬

baren Granatgehänge, die ihr als Angebinde verehrt
wurden.

„Und was ſchreibt er?“ fragte ich, nachdem ſie
vor dem Spiegel den großen Schmuck den kleinen
Ohren eingehenkelt hatte. Sie überflog den Brief
und reichte ihn mir mit den Worten: „Es ſteht nicht
viel darin.“

Und es ſtand allerdings nicht viel darin. Her¬
kömmliche Glückwünſche und eine ziemlich altmodiſche
Redensart von ewiger Liebe und Treue und ſo wei¬
ter. Sie ſchien dem Schreiber nicht eben flott vom
Herzen gekommen zu ſein. Eine Nachſchrift brachte
die Notiz, daß er allſobald von Berlin zur königlichen
Armee nach Schleſien dirigirt und dort, nach Wunſch,
dem Regiment Weimar zugetheilt worden ſei. Da die
hohen Potentaten ſeitdem Verſöhnung geſchloſſen, ſei
die kriegeriſche Ausſicht zunächſt verſchoben, Schreiber
aber habe in dem chirurgiſchen Inſtitute zu Breslau
förderliche Beſchäftigung gefunden, eine Gunſt, welche
er nicht allein der gnädigen Verwendung ſeines durch¬
lauchtigen Chefs zu verdanken habe, ſondern mehr
noch der eines erhabenen Geiſtesfürſten, bei welchem
eine Empfehlung von Jena ihn eingeführt, und mit
dem er eine über alle Maßen intereſſante Unterre¬

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[153/0160] baren Granatgehänge, die ihr als Angebinde verehrt wurden. „Und was ſchreibt er?“ fragte ich, nachdem ſie vor dem Spiegel den großen Schmuck den kleinen Ohren eingehenkelt hatte. Sie überflog den Brief und reichte ihn mir mit den Worten: „Es ſteht nicht viel darin.“ Und es ſtand allerdings nicht viel darin. Her¬ kömmliche Glückwünſche und eine ziemlich altmodiſche Redensart von ewiger Liebe und Treue und ſo wei¬ ter. Sie ſchien dem Schreiber nicht eben flott vom Herzen gekommen zu ſein. Eine Nachſchrift brachte die Notiz, daß er allſobald von Berlin zur königlichen Armee nach Schleſien dirigirt und dort, nach Wunſch, dem Regiment Weimar zugetheilt worden ſei. Da die hohen Potentaten ſeitdem Verſöhnung geſchloſſen, ſei die kriegeriſche Ausſicht zunächſt verſchoben, Schreiber aber habe in dem chirurgiſchen Inſtitute zu Breslau förderliche Beſchäftigung gefunden, eine Gunſt, welche er nicht allein der gnädigen Verwendung ſeines durch¬ lauchtigen Chefs zu verdanken habe, ſondern mehr noch der eines erhabenen Geiſtesfürſten, bei welchem eine Empfehlung von Jena ihn eingeführt, und mit dem er eine über alle Maßen intereſſante Unterre¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/160>, abgerufen am 24.11.2024.