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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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dinen doch am Ende nicht richtiger erkannt haben
möchten, als einst der einfältige Knabe und später der
leichtsinnige Mann. Er überlas jetzt zu wiederholten
Malen seine aufgeschriebenen Erinnerungen, er ließ
auch wohl Fremde einen Einblick thun, ohne zu be¬
denken, welches Keimkorn von Verdächtigungen er da¬
mit ausstreue. Allerdings glaubte er auch heute noch
nicht mit Zuversicht an sein Sohnesrecht, aber er be¬
gehrte nach diesem Recht und vom Begehren bis zum
Beanspruchen, man weiß es ja, ist ein Katzensprung.
Die Freistatt für sein Kind und selber die Equipage
für seinen Türkenzug genügten ihm schon nicht mehr;
vor Allem aber genügte ihm nicht mehr, dieselben als
eine Wohlthat zu erbetteln. Mit jeder zurückgelegten
Meile wuchs sein luftiges Prinzenschloß in die Höhe,
und wenn seine Kleine müde ward, entschlüpfte ihm
mehr als einmal der Zuruf: "Bald sind wir bei Deiner
Großmutter Hardine!"

Es war an einem heiteren Augustmorgen, als er
den ersten Gränzpfahl mit der Aufschrift: "Flur
Reckenburg" erreichte. Die Landschaft unterschied sich
in keiner Weise von der, welche er seit mehreren Tagen
durchschritten hatte; auch gehörte unser erwartungs¬
voller Fremdling nichts weniger als zu den die Cultur

dinen doch am Ende nicht richtiger erkannt haben
möchten, als einſt der einfältige Knabe und ſpäter der
leichtſinnige Mann. Er überlas jetzt zu wiederholten
Malen ſeine aufgeſchriebenen Erinnerungen, er ließ
auch wohl Fremde einen Einblick thun, ohne zu be¬
denken, welches Keimkorn von Verdächtigungen er da¬
mit ausſtreue. Allerdings glaubte er auch heute noch
nicht mit Zuverſicht an ſein Sohnesrecht, aber er be¬
gehrte nach dieſem Recht und vom Begehren bis zum
Beanſpruchen, man weiß es ja, iſt ein Katzenſprung.
Die Freiſtatt für ſein Kind und ſelber die Equipage
für ſeinen Türkenzug genügten ihm ſchon nicht mehr;
vor Allem aber genügte ihm nicht mehr, dieſelben als
eine Wohlthat zu erbetteln. Mit jeder zurückgelegten
Meile wuchs ſein luftiges Prinzenſchloß in die Höhe,
und wenn ſeine Kleine müde ward, entſchlüpfte ihm
mehr als einmal der Zuruf: „Bald ſind wir bei Deiner
Großmutter Hardine!“

Es war an einem heiteren Auguſtmorgen, als er
den erſten Gränzpfahl mit der Aufſchrift: „Flur
Reckenburg“ erreichte. Die Landſchaft unterſchied ſich
in keiner Weiſe von der, welche er ſeit mehreren Tagen
durchſchritten hatte; auch gehörte unſer erwartungs¬
voller Fremdling nichts weniger als zu den die Cultur

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[53/0060] dinen doch am Ende nicht richtiger erkannt haben möchten, als einſt der einfältige Knabe und ſpäter der leichtſinnige Mann. Er überlas jetzt zu wiederholten Malen ſeine aufgeſchriebenen Erinnerungen, er ließ auch wohl Fremde einen Einblick thun, ohne zu be¬ denken, welches Keimkorn von Verdächtigungen er da¬ mit ausſtreue. Allerdings glaubte er auch heute noch nicht mit Zuverſicht an ſein Sohnesrecht, aber er be¬ gehrte nach dieſem Recht und vom Begehren bis zum Beanſpruchen, man weiß es ja, iſt ein Katzenſprung. Die Freiſtatt für ſein Kind und ſelber die Equipage für ſeinen Türkenzug genügten ihm ſchon nicht mehr; vor Allem aber genügte ihm nicht mehr, dieſelben als eine Wohlthat zu erbetteln. Mit jeder zurückgelegten Meile wuchs ſein luftiges Prinzenſchloß in die Höhe, und wenn ſeine Kleine müde ward, entſchlüpfte ihm mehr als einmal der Zuruf: „Bald ſind wir bei Deiner Großmutter Hardine!“ Es war an einem heiteren Auguſtmorgen, als er den erſten Gränzpfahl mit der Aufſchrift: „Flur Reckenburg“ erreichte. Die Landſchaft unterſchied ſich in keiner Weiſe von der, welche er ſeit mehreren Tagen durchſchritten hatte; auch gehörte unſer erwartungs¬ voller Fremdling nichts weniger als zu den die Cultur

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/60>, abgerufen am 21.11.2024.