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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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erwecken; sie bringt ihn in einem selbstgewählten Be¬
rufe unter und als sie endlich, zu Fülle und Freiheit
gelangt, ihn vor der Welt anerkennen darf, -- ist der
Knabe spurlos verschwunden, verschollen sein Name
viele, viele Jahre lang. Die Mutter aber bleibt einsam
zurück, sie harrt seiner Heimkehr, sie hält ihm das
Erbe offen, das ihm rechtmäßig zusteht, erweitert es
zu einem fürstlichen Besitz. Und er, er ist dieser
glückliche Knabe, er, der Sohn der letzten Recken¬
burgerin, er, der Erbe der reichen Reckenburg!

So der Roman, welchen unser heißblütiger
Kumpan sich im Fluge auferbaute. Die Daten, die
etwa mit seiner Rechnung nicht stimmen mochten, die
mancherlei Lücken, die Widersprüche in dem Charakter
der mütterlichen Heldin, die problematische Rolle des
beliebigen Quidam, mit alle dem beunruhigte er seine
Phantasien nicht. Wenngleich noch nüchtern, fühlte
er sich wie berauscht. Hätte er eine wohlconditionirte
Uniform auf seinem Leibe gefühlt, er würde sporn¬
streichs nach dem Schlosse aufgebrochen und ohne
Scheu vor Fräulein Hardinen und ihre vornehme
Tafelrunde getreten sein. "Mutter!" würde er ihr
zugerufen haben, "Mutter, Dein Sohn ist heimge¬

Louise v. Francois, Die letzte Reckenburgerin. I. 5

erwecken; ſie bringt ihn in einem ſelbſtgewählten Be¬
rufe unter und als ſie endlich, zu Fülle und Freiheit
gelangt, ihn vor der Welt anerkennen darf, — iſt der
Knabe ſpurlos verſchwunden, verſchollen ſein Name
viele, viele Jahre lang. Die Mutter aber bleibt einſam
zurück, ſie harrt ſeiner Heimkehr, ſie hält ihm das
Erbe offen, das ihm rechtmäßig zuſteht, erweitert es
zu einem fürſtlichen Beſitz. Und er, er iſt dieſer
glückliche Knabe, er, der Sohn der letzten Recken¬
burgerin, er, der Erbe der reichen Reckenburg!

So der Roman, welchen unſer heißblütiger
Kumpan ſich im Fluge auferbaute. Die Daten, die
etwa mit ſeiner Rechnung nicht ſtimmen mochten, die
mancherlei Lücken, die Widerſprüche in dem Charakter
der mütterlichen Heldin, die problematiſche Rolle des
beliebigen Quidam, mit alle dem beunruhigte er ſeine
Phantaſien nicht. Wenngleich noch nüchtern, fühlte
er ſich wie berauſcht. Hätte er eine wohlconditionirte
Uniform auf ſeinem Leibe gefühlt, er würde ſporn¬
ſtreichs nach dem Schloſſe aufgebrochen und ohne
Scheu vor Fräulein Hardinen und ihre vornehme
Tafelrunde getreten ſein. „Mutter!“ würde er ihr
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[65/0072] erwecken; ſie bringt ihn in einem ſelbſtgewählten Be¬ rufe unter und als ſie endlich, zu Fülle und Freiheit gelangt, ihn vor der Welt anerkennen darf, — iſt der Knabe ſpurlos verſchwunden, verſchollen ſein Name viele, viele Jahre lang. Die Mutter aber bleibt einſam zurück, ſie harrt ſeiner Heimkehr, ſie hält ihm das Erbe offen, das ihm rechtmäßig zuſteht, erweitert es zu einem fürſtlichen Beſitz. Und er, er iſt dieſer glückliche Knabe, er, der Sohn der letzten Recken¬ burgerin, er, der Erbe der reichen Reckenburg! So der Roman, welchen unſer heißblütiger Kumpan ſich im Fluge auferbaute. Die Daten, die etwa mit ſeiner Rechnung nicht ſtimmen mochten, die mancherlei Lücken, die Widerſprüche in dem Charakter der mütterlichen Heldin, die problematiſche Rolle des beliebigen Quidam, mit alle dem beunruhigte er ſeine Phantaſien nicht. Wenngleich noch nüchtern, fühlte er ſich wie berauſcht. Hätte er eine wohlconditionirte Uniform auf ſeinem Leibe gefühlt, er würde ſporn¬ ſtreichs nach dem Schloſſe aufgebrochen und ohne Scheu vor Fräulein Hardinen und ihre vornehme Tafelrunde getreten ſein. „Mutter!“ würde er ihr zugerufen haben, „Mutter, Dein Sohn iſt heimge¬ Louiſe v. François, Die letzte Reckenburgerin. I. 5

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/72>, abgerufen am 22.11.2024.