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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Eine halbe Stunde später schmetterte das Post¬
horn vor der alten Baderei. Das Haus, das ganze
Städtchen lagen im Dunkel; alles schlief und es währte
mir eine Ewigkeit, bis die Thorfahrt geöffnet ward,
und mein Vater in Schlafrock und Nachtmütze unter
ihr erschien. "Dorothee!" schrie ich ihm entgegen, in¬
dem ich mich mit beiden Händen an seine Schultern
klammerte.

Du kommst post festum, arme Dine," antwor¬
tete der Papa mit kleinlautem Scherz, "die Frau Ge¬
heimeräthin lassen sich gehorsamst empfehlen!"

Und nun fragt mich nicht, wie ich an das Bett
meiner Mutter und über den ersten Austausch hin¬
weggekommen bin. Auch nicht, wie lange ich ihr ge¬
genübersaß und in halber Betäubung die Schlußscene
unseres häuslichen Dramas gleich einem Nebelbilde
an mir vorübergleiten sah. Erst bei öfterer Wieder¬
holung in den nächsten Tagen prägte sie sich mir ein
mit der Schärfe eines persönlichen Erlebnisses.

Die Verlobten waren von ihrem abendlichen
Abschiedsgange heimgekehrt mit dem Beschluß, die
Trauung am anderen Mittag in der verabredeten
Weise stattfinden zu lassen. Vater und Mutter hat¬
ten nicht widersprochen. Den Gruß ihres alten

Eine halbe Stunde ſpäter ſchmetterte das Poſt¬
horn vor der alten Baderei. Das Haus, das ganze
Städtchen lagen im Dunkel; alles ſchlief und es währte
mir eine Ewigkeit, bis die Thorfahrt geöffnet ward,
und mein Vater in Schlafrock und Nachtmütze unter
ihr erſchien. „Dorothee!“ ſchrie ich ihm entgegen, in¬
dem ich mich mit beiden Händen an ſeine Schultern
klammerte.

Du kommſt post festum, arme Dine,“ antwor¬
tete der Papa mit kleinlautem Scherz, „die Frau Ge¬
heimeräthin laſſen ſich gehorſamſt empfehlen!“

Und nun fragt mich nicht, wie ich an das Bett
meiner Mutter und über den erſten Austauſch hin¬
weggekommen bin. Auch nicht, wie lange ich ihr ge¬
genüberſaß und in halber Betäubung die Schlußſcene
unſeres häuslichen Dramas gleich einem Nebelbilde
an mir vorübergleiten ſah. Erſt bei öfterer Wieder¬
holung in den nächſten Tagen prägte ſie ſich mir ein
mit der Schärfe eines perſönlichen Erlebniſſes.

Die Verlobten waren von ihrem abendlichen
Abſchiedsgange heimgekehrt mit dem Beſchluß, die
Trauung am anderen Mittag in der verabredeten
Weiſe ſtattfinden zu laſſen. Vater und Mutter hat¬
ten nicht widerſprochen. Den Gruß ihres alten

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[101/0105] Eine halbe Stunde ſpäter ſchmetterte das Poſt¬ horn vor der alten Baderei. Das Haus, das ganze Städtchen lagen im Dunkel; alles ſchlief und es währte mir eine Ewigkeit, bis die Thorfahrt geöffnet ward, und mein Vater in Schlafrock und Nachtmütze unter ihr erſchien. „Dorothee!“ ſchrie ich ihm entgegen, in¬ dem ich mich mit beiden Händen an ſeine Schultern klammerte. Du kommſt post festum, arme Dine,“ antwor¬ tete der Papa mit kleinlautem Scherz, „die Frau Ge¬ heimeräthin laſſen ſich gehorſamſt empfehlen!“ Und nun fragt mich nicht, wie ich an das Bett meiner Mutter und über den erſten Austauſch hin¬ weggekommen bin. Auch nicht, wie lange ich ihr ge¬ genüberſaß und in halber Betäubung die Schlußſcene unſeres häuslichen Dramas gleich einem Nebelbilde an mir vorübergleiten ſah. Erſt bei öfterer Wieder¬ holung in den nächſten Tagen prägte ſie ſich mir ein mit der Schärfe eines perſönlichen Erlebniſſes. Die Verlobten waren von ihrem abendlichen Abſchiedsgange heimgekehrt mit dem Beſchluß, die Trauung am anderen Mittag in der verabredeten Weiſe ſtattfinden zu laſſen. Vater und Mutter hat¬ ten nicht widerſprochen. Den Gruß ihres alten

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/105>, abgerufen am 21.11.2024.