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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Mitten in der Nacht waren wir aufgebrochen. Der
Weg war heillos, aber die Kundschaft, daß der Kö¬
nig gestern den Vormarsch und den Angriff der feind¬
lichen Armee befohlen habe, gab dem Prinzen Flügel.
Wir hetzten unsere wechselnden Pferde zu Tode. Um
sieben Uhr hörten wir den ersten Kanonenschlag. Die
Gegend lag im dicksten Nebel. Das Feuer wuchs von
Minute zu Minute. Der Boden dröhnte. Der Prinz
glühte buchstäblich im Fieber: die Schlacht, die hei߬
ersehnte Schlacht! Alle rückstehenden Truppentheile,
die wir passirten, zeigten die zuversichtlichste Stim¬
mung, ja ausgelassene Heiterkeit. Unser Regiment
stand bei der Avantgarde, mit welcher Hohenlohe den
Angriff erhoben hatte. Wir jagten vorwärts. Mit¬
tag war vorüber; der Nebel hatte sich gesenkt. Jetzt
erkannten wir die feindliche Aufstellung auf den Hö¬
hen vor Valmy. Eine günstige Position; der Feind
uns um ein Dritttheil überlegen. Aber welch ein
Feind! Bodenlos soll die Verwirrung gewesen sein,
als Hohenlohe den linken Flügel, d. h. Kellermann,
angriff, und Dumouriez auf dem rechten zu fern
war, um ihm beizuspringen. Der Sieg schien mit
Händen zu greifen, und -- wir setzten die Attaque
aus! Wir schossen hinüber, der Feind herüber, ohne

Mitten in der Nacht waren wir aufgebrochen. Der
Weg war heillos, aber die Kundſchaft, daß der Kö¬
nig geſtern den Vormarſch und den Angriff der feind¬
lichen Armee befohlen habe, gab dem Prinzen Flügel.
Wir hetzten unſere wechſelnden Pferde zu Tode. Um
ſieben Uhr hörten wir den erſten Kanonenſchlag. Die
Gegend lag im dickſten Nebel. Das Feuer wuchs von
Minute zu Minute. Der Boden dröhnte. Der Prinz
glühte buchſtäblich im Fieber: die Schlacht, die hei߬
erſehnte Schlacht! Alle rückſtehenden Truppentheile,
die wir paſſirten, zeigten die zuverſichtlichſte Stim¬
mung, ja ausgelaſſene Heiterkeit. Unſer Regiment
ſtand bei der Avantgarde, mit welcher Hohenlohe den
Angriff erhoben hatte. Wir jagten vorwärts. Mit¬
tag war vorüber; der Nebel hatte ſich geſenkt. Jetzt
erkannten wir die feindliche Aufſtellung auf den Hö¬
hen vor Valmy. Eine günſtige Poſition; der Feind
uns um ein Dritttheil überlegen. Aber welch ein
Feind! Bodenlos ſoll die Verwirrung geweſen ſein,
als Hohenlohe den linken Flügel, d. h. Kellermann,
angriff, und Dumouriez auf dem rechten zu fern
war, um ihm beizuſpringen. Der Sieg ſchien mit
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[11/0015] Mitten in der Nacht waren wir aufgebrochen. Der Weg war heillos, aber die Kundſchaft, daß der Kö¬ nig geſtern den Vormarſch und den Angriff der feind¬ lichen Armee befohlen habe, gab dem Prinzen Flügel. Wir hetzten unſere wechſelnden Pferde zu Tode. Um ſieben Uhr hörten wir den erſten Kanonenſchlag. Die Gegend lag im dickſten Nebel. Das Feuer wuchs von Minute zu Minute. Der Boden dröhnte. Der Prinz glühte buchſtäblich im Fieber: die Schlacht, die hei߬ erſehnte Schlacht! Alle rückſtehenden Truppentheile, die wir paſſirten, zeigten die zuverſichtlichſte Stim¬ mung, ja ausgelaſſene Heiterkeit. Unſer Regiment ſtand bei der Avantgarde, mit welcher Hohenlohe den Angriff erhoben hatte. Wir jagten vorwärts. Mit¬ tag war vorüber; der Nebel hatte ſich geſenkt. Jetzt erkannten wir die feindliche Aufſtellung auf den Hö¬ hen vor Valmy. Eine günſtige Poſition; der Feind uns um ein Dritttheil überlegen. Aber welch ein Feind! Bodenlos ſoll die Verwirrung geweſen ſein, als Hohenlohe den linken Flügel, d. h. Kellermann, angriff, und Dumouriez auf dem rechten zu fern war, um ihm beizuſpringen. Der Sieg ſchien mit Händen zu greifen, und — wir ſetzten die Attaque aus! Wir ſchoſſen hinüber, der Feind herüber, ohne

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/15>, abgerufen am 21.11.2024.