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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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Die Hausthür war unverschlossen, die Treppe
leer, aber dicht mit Teppichen belegt; alles still. Erst
am Ausgange derselben harrte ein zurechtweisender
Diener und im Corridor ließ sich ein leise geschäfti¬
ges ängstliches Treiben beobachten.

"Sie ist krank und nicht zu sprechen," lautete
die Antwort auf meine Bitte, der Frau Geheimeräthin
gemeldet zu werden.

"Auch nicht für eine durchreisende alte Bekanntin?"

"Für Niemand."

"Auch morgen nicht?"

"Auch morgen nicht," beschied der Diener, erbot
sich aber, mich dem Geheimerath zu melden.

Ich schwankte einen Augenblick. Der Zweck
meiner Reise war verfehlt, doch hätte ich gerne über
den Zustand der Kranken nähere Auskunft gehabt, die
mir die sichtlich aufgeregte Dienerschaft nicht geben
konnte oder wollte. Ich entschied mich indessen, den
Herrn so spät am Tage nicht stören, dahingegen mor¬
gen noch einmal vorfragen zu wollen, gab meine Karte
ab und war im Begriff mich zu entfernen, als ein
Thürvorhang mir gegenüber auseinandergeschlagen
ward und Siegmund Faber mit rascher Bewegung
mir entgegentrat.

Die Hausthür war unverſchloſſen, die Treppe
leer, aber dicht mit Teppichen belegt; alles ſtill. Erſt
am Ausgange derſelben harrte ein zurechtweiſender
Diener und im Corridor ließ ſich ein leiſe geſchäfti¬
ges ängſtliches Treiben beobachten.

„Sie iſt krank und nicht zu ſprechen,“ lautete
die Antwort auf meine Bitte, der Frau Geheimeräthin
gemeldet zu werden.

„Auch nicht für eine durchreiſende alte Bekanntin?“

„Für Niemand.“

„Auch morgen nicht?“

„Auch morgen nicht,“ beſchied der Diener, erbot
ſich aber, mich dem Geheimerath zu melden.

Ich ſchwankte einen Augenblick. Der Zweck
meiner Reiſe war verfehlt, doch hätte ich gerne über
den Zuſtand der Kranken nähere Auskunft gehabt, die
mir die ſichtlich aufgeregte Dienerſchaft nicht geben
konnte oder wollte. Ich entſchied mich indeſſen, den
Herrn ſo ſpät am Tage nicht ſtören, dahingegen mor¬
gen noch einmal vorfragen zu wollen, gab meine Karte
ab und war im Begriff mich zu entfernen, als ein
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ward und Siegmund Faber mit raſcher Bewegung
mir entgegentrat.

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[192/0196] Die Hausthür war unverſchloſſen, die Treppe leer, aber dicht mit Teppichen belegt; alles ſtill. Erſt am Ausgange derſelben harrte ein zurechtweiſender Diener und im Corridor ließ ſich ein leiſe geſchäfti¬ ges ängſtliches Treiben beobachten. „Sie iſt krank und nicht zu ſprechen,“ lautete die Antwort auf meine Bitte, der Frau Geheimeräthin gemeldet zu werden. „Auch nicht für eine durchreiſende alte Bekanntin?“ „Für Niemand.“ „Auch morgen nicht?“ „Auch morgen nicht,“ beſchied der Diener, erbot ſich aber, mich dem Geheimerath zu melden. Ich ſchwankte einen Augenblick. Der Zweck meiner Reiſe war verfehlt, doch hätte ich gerne über den Zuſtand der Kranken nähere Auskunft gehabt, die mir die ſichtlich aufgeregte Dienerſchaft nicht geben konnte oder wollte. Ich entſchied mich indeſſen, den Herrn ſo ſpät am Tage nicht ſtören, dahingegen mor¬ gen noch einmal vorfragen zu wollen, gab meine Karte ab und war im Begriff mich zu entfernen, als ein Thürvorhang mir gegenüber auseinandergeſchlagen ward und Siegmund Faber mit raſcher Bewegung mir entgegentrat.

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/196>, abgerufen am 24.11.2024.