François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.kindes die Tugend der Barmherzigkeit eine Sitte auf Keiner aber empfand diese Beklemmung tiefer als Unb es war nicht nur die zweifelhafte Zukunft, Als an jenem unglückseligen Morgen die jungen kindes die Tugend der Barmherzigkeit eine Sitte auf Keiner aber empfand dieſe Beklemmung tiefer als Unb es war nicht nur die zweifelhafte Zukunft, Als an jenem unglückſeligen Morgen die jungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0232" n="228"/> kindes die Tugend der Barmherzigkeit eine Sitte auf<lb/> Reckenburg geworden war, und es iſt nicht zu viel<lb/> geſagt, daß Tauſende mit beklommener Bruſt der<lb/> Stunde entgegenſahen, die über die Wahl des Erben<lb/> von Reckenburg entſcheiden ſollte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Keiner aber empfand dieſe Beklemmung tiefer als<lb/> das junge Paar, deſſen ſorgloſes Glück durch den jähen<lb/> Tod einer Wohlthäterin ſo dunkel getrübt worden war.<lb/> Erſt ſeit dieſer Stunde fühlten Ludwig und Hardine<lb/> voll und ganz das Bedeuten ihrer frühen Verwaiſung,<lb/> fühlten ſie das Bangen der Heimathloſigkeit. Ein<lb/> warmes, weiches Neſt hatte ſie bis heute geborgen;<lb/> wo aber ſollte die Hütte ihrer Zukunft ſtehen?</p><lb/> <p>Unb es war nicht nur die zweifelhafte Zukunft,<lb/> nicht nur der Kummer der Gegenwart, es war auch<lb/> das Geheimniß der Vergangenheit, welches die Her¬<lb/> zen der armen Kinder ſo ängſtlich zuſammenzog. Sie<lb/> allein von den Vielen, welche der letztgültigen Ent¬<lb/> ſcheidung über ihre Heimath mit Spannung entgegen¬<lb/> ſahen, ſie allein wußten, daß gleichzeitig das Räthſel<lb/> ſich löſen ſollte, welches der Waiſe des Invaliden eine<lb/> Freiſtatt in derſelben eröffnet hatte.</p><lb/> <p>Als an jenem unglückſeligen Morgen die jungen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [228/0232]
kindes die Tugend der Barmherzigkeit eine Sitte auf
Reckenburg geworden war, und es iſt nicht zu viel
geſagt, daß Tauſende mit beklommener Bruſt der
Stunde entgegenſahen, die über die Wahl des Erben
von Reckenburg entſcheiden ſollte.
Keiner aber empfand dieſe Beklemmung tiefer als
das junge Paar, deſſen ſorgloſes Glück durch den jähen
Tod einer Wohlthäterin ſo dunkel getrübt worden war.
Erſt ſeit dieſer Stunde fühlten Ludwig und Hardine
voll und ganz das Bedeuten ihrer frühen Verwaiſung,
fühlten ſie das Bangen der Heimathloſigkeit. Ein
warmes, weiches Neſt hatte ſie bis heute geborgen;
wo aber ſollte die Hütte ihrer Zukunft ſtehen?
Unb es war nicht nur die zweifelhafte Zukunft,
nicht nur der Kummer der Gegenwart, es war auch
das Geheimniß der Vergangenheit, welches die Her¬
zen der armen Kinder ſo ängſtlich zuſammenzog. Sie
allein von den Vielen, welche der letztgültigen Ent¬
ſcheidung über ihre Heimath mit Spannung entgegen¬
ſahen, ſie allein wußten, daß gleichzeitig das Räthſel
ſich löſen ſollte, welches der Waiſe des Invaliden eine
Freiſtatt in derſelben eröffnet hatte.
Als an jenem unglückſeligen Morgen die jungen
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