François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.Aber nicht bloß bei diesen Auserwählten, auch im Mich hatten Natur und Schicksal den entgegen¬ Und dieses späte, kaum verstandene Bedürfen, es Aber nicht bloß bei dieſen Auserwählten, auch im Mich hatten Natur und Schickſal den entgegen¬ Und dieſes ſpäte, kaum verſtandene Bedürfen, es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0258" n="254"/> <p>Aber nicht bloß bei dieſen Auserwählten, auch im<lb/> Alltagslauf zeigt ſich wohl eine beſchränktere, aber<lb/> keine abweichende Entwickelungsart: Freude, Wünſche,<lb/> Sehnſucht, Anſchluß in der Jugend, und im Alter<lb/> Entſagen, Vereinſamen, beſcheidenes Zurückziehen in<lb/> den Beruf, in den Mechanismus der Stunde und bei<lb/> den Glücklichſten unter uns: in die Religion.</p><lb/> <p>Mich hatten Natur und Schickſal den entgegen¬<lb/> geſetzten Weg geführt. Kaum den Kinderſchuhen ent¬<lb/> wachſen, trat ich ohne Tanz und Spiel, ohne Ge¬<lb/> noſſen, ohne Streit, außer dem flüchtigen mit einem<lb/> Traumgeſpinnſt, ohne weitabführende Irrung, trat ich<lb/> in einen männlichen Beruf, in ein Wirken für Andere<lb/> mehr als für mich ſelbſt, und fühlte mich durch dieſes<lb/> Wirken beglückt bis in die Matronenjahre hinein. Erſt<lb/> in dem Alter, wo Andere weiße Haare tragen, regte<lb/> ſich der verſäumte Jugendſinn, regte ſich ein unbe¬<lb/> ſtimmtes Bedürfen, das über das Schaffen hinaus,<lb/> mich einem natürlichen Zuſammenhang verbände.</p><lb/> <p>Und dieſes ſpäte, kaum verſtandene Bedürfen, es<lb/> wird geſtillt wie durch ein Wunder. Aus der geſamm¬<lb/> ten, reichen Welt, die mir die Auswahl bietet, iſt es<lb/> die verlaſſenſte, die armſeligſte Creatur, ein Stein des<lb/> Anſtoßes auf meinen Weg geſchleudert, die ſich mir<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [254/0258]
Aber nicht bloß bei dieſen Auserwählten, auch im
Alltagslauf zeigt ſich wohl eine beſchränktere, aber
keine abweichende Entwickelungsart: Freude, Wünſche,
Sehnſucht, Anſchluß in der Jugend, und im Alter
Entſagen, Vereinſamen, beſcheidenes Zurückziehen in
den Beruf, in den Mechanismus der Stunde und bei
den Glücklichſten unter uns: in die Religion.
Mich hatten Natur und Schickſal den entgegen¬
geſetzten Weg geführt. Kaum den Kinderſchuhen ent¬
wachſen, trat ich ohne Tanz und Spiel, ohne Ge¬
noſſen, ohne Streit, außer dem flüchtigen mit einem
Traumgeſpinnſt, ohne weitabführende Irrung, trat ich
in einen männlichen Beruf, in ein Wirken für Andere
mehr als für mich ſelbſt, und fühlte mich durch dieſes
Wirken beglückt bis in die Matronenjahre hinein. Erſt
in dem Alter, wo Andere weiße Haare tragen, regte
ſich der verſäumte Jugendſinn, regte ſich ein unbe¬
ſtimmtes Bedürfen, das über das Schaffen hinaus,
mich einem natürlichen Zuſammenhang verbände.
Und dieſes ſpäte, kaum verſtandene Bedürfen, es
wird geſtillt wie durch ein Wunder. Aus der geſamm¬
ten, reichen Welt, die mir die Auswahl bietet, iſt es
die verlaſſenſte, die armſeligſte Creatur, ein Stein des
Anſtoßes auf meinen Weg geſchleudert, die ſich mir
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