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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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"Wohlan, Dorothee," sagte ich nach einer Pause
und ergriff ihre Hand, "wenn denn zur Stunde nicht
vor ihm, so vor der Welt zeige entschlossen, daß Euer
Bund sich gelöst. Kehre in Deines Vaters Haus zu¬
rück; nimm die Demüthigung auf Dich als Sühne
der Schuld; setze Pflicht gegen Pflicht. --"

Es war wie ein Todesurtheil, das sie vernom¬
men hatte. Ein Fieberfrost durchschüttelte ihren Leib,
sie sank von Neuem auf die Kniee.

"Muß es sein?" hauchte sie kaum vernehmlich.

"Ja, es muß sein, Dorothee."

"Jetzt, gleich jetzt, vor der Zeit? O, Fräulein
Hardine, mir ist, als ob ich sterben werde nach der
Zeit. Ach, so gerne sterben! Sparen Sie es meinem
alten Vater, lassen Sie ihn nicht mit Schanden in
die Grube fahren."

Sie mochte wohl merken, daß das Mitleid mit
dem alten, trunkenen Schwachkopf, gar wenig auf mich
wirkte, denn sie fuhr hastig, mit bebender Stimme
fort: "Und Er -- Er, den ich nicht nennen kann, soll
sein Name verlästert werden in einem Athem mit dem
der verworfenen Creatur? in der Stunde, wo die
Thränen noch warm um ihn fließen, wo sein armer
Leib noch nicht die Ruhe bei seinen Vätern gefunden hat?"

„Wohlan, Dorothee,“ ſagte ich nach einer Pauſe
und ergriff ihre Hand, „wenn denn zur Stunde nicht
vor ihm, ſo vor der Welt zeige entſchloſſen, daß Euer
Bund ſich gelöſt. Kehre in Deines Vaters Haus zu¬
rück; nimm die Demüthigung auf Dich als Sühne
der Schuld; ſetze Pflicht gegen Pflicht. —“

Es war wie ein Todesurtheil, das ſie vernom¬
men hatte. Ein Fieberfroſt durchſchüttelte ihren Leib,
ſie ſank von Neuem auf die Kniee.

„Muß es ſein?“ hauchte ſie kaum vernehmlich.

„Ja, es muß ſein, Dorothee.“

„Jetzt, gleich jetzt, vor der Zeit? O, Fräulein
Hardine, mir iſt, als ob ich ſterben werde nach der
Zeit. Ach, ſo gerne ſterben! Sparen Sie es meinem
alten Vater, laſſen Sie ihn nicht mit Schanden in
die Grube fahren.“

Sie mochte wohl merken, daß das Mitleid mit
dem alten, trunkenen Schwachkopf, gar wenig auf mich
wirkte, denn ſie fuhr haſtig, mit bebender Stimme
fort: „Und Er — Er, den ich nicht nennen kann, ſoll
ſein Name verläſtert werden in einem Athem mit dem
der verworfenen Creatur? in der Stunde, wo die
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[22/0026] „Wohlan, Dorothee,“ ſagte ich nach einer Pauſe und ergriff ihre Hand, „wenn denn zur Stunde nicht vor ihm, ſo vor der Welt zeige entſchloſſen, daß Euer Bund ſich gelöſt. Kehre in Deines Vaters Haus zu¬ rück; nimm die Demüthigung auf Dich als Sühne der Schuld; ſetze Pflicht gegen Pflicht. —“ Es war wie ein Todesurtheil, das ſie vernom¬ men hatte. Ein Fieberfroſt durchſchüttelte ihren Leib, ſie ſank von Neuem auf die Kniee. „Muß es ſein?“ hauchte ſie kaum vernehmlich. „Ja, es muß ſein, Dorothee.“ „Jetzt, gleich jetzt, vor der Zeit? O, Fräulein Hardine, mir iſt, als ob ich ſterben werde nach der Zeit. Ach, ſo gerne ſterben! Sparen Sie es meinem alten Vater, laſſen Sie ihn nicht mit Schanden in die Grube fahren.“ Sie mochte wohl merken, daß das Mitleid mit dem alten, trunkenen Schwachkopf, gar wenig auf mich wirkte, denn ſie fuhr haſtig, mit bebender Stimme fort: „Und Er — Er, den ich nicht nennen kann, ſoll ſein Name verläſtert werden in einem Athem mit dem der verworfenen Creatur? in der Stunde, wo die Thränen noch warm um ihn fließen, wo ſein armer Leib noch nicht die Ruhe bei ſeinen Vätern gefunden hat?“

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/26>, abgerufen am 21.11.2024.