in seinem erweiterten staatsmännischen Wirkungskreise; ich kannte ihn als den Einzigen in meiner Umgebung, der, so rücksichtslos er sich gegen einen bösen Schein geberdet, nicht einen Augenblick an mir gezweifelt hatte. Ich sah das Wohlgefallen des stattlichen, jun¬ gen Cavaliers an meiner Hardine, und wenn ihr Herz sich dem seinigen zuneigte, warum sollten die Vortheile, welche die Eltern erstrebt hatten, am Ende nicht durch die Kinder zu erreichen sein? Meine arglose Hardine, Du hast meine Wünsche und Bestrebungen in dieser Richtung nicht bemerkt, und heute danke ich Gott, daß Du sie nicht bemerktest.
Denn als es mir klar wurde, wie des Grafen Standessinn vielleicht schwach genug war, um sich vor dem verbrieften Reckenburgischen Erbe in meines Kindes Hand zu beugen; aber zu stark, um sonder Er¬ röthen dieses Kind in ein Vaterhaus zu führen, als ich den jungen Herrn nur in seinen Schwächen als den Sohn, seines Vaters kennen lernte; endlich aber, als ich sah, wie Hardinens Lippen bei der unerwar¬ teten Fahnenflucht lächelten, und wie sie gleich darauf den Blick vor eines Anderen Blicke senkte, da fiel die letzte Binde vor meinen Augen und mindestens die eine Hälfte meines Abschlußaktes war im Stillen festgesetzt.
17*
in ſeinem erweiterten ſtaatsmänniſchen Wirkungskreiſe; ich kannte ihn als den Einzigen in meiner Umgebung, der, ſo rückſichtslos er ſich gegen einen böſen Schein geberdet, nicht einen Augenblick an mir gezweifelt hatte. Ich ſah das Wohlgefallen des ſtattlichen, jun¬ gen Cavaliers an meiner Hardine, und wenn ihr Herz ſich dem ſeinigen zuneigte, warum ſollten die Vortheile, welche die Eltern erſtrebt hatten, am Ende nicht durch die Kinder zu erreichen ſein? Meine argloſe Hardine, Du haſt meine Wünſche und Beſtrebungen in dieſer Richtung nicht bemerkt, und heute danke ich Gott, daß Du ſie nicht bemerkteſt.
Denn als es mir klar wurde, wie des Grafen Standesſinn vielleicht ſchwach genug war, um ſich vor dem verbrieften Reckenburgiſchen Erbe in meines Kindes Hand zu beugen; aber zu ſtark, um ſonder Er¬ röthen dieſes Kind in ein Vaterhaus zu führen, als ich den jungen Herrn nur in ſeinen Schwächen als den Sohn, ſeines Vaters kennen lernte; endlich aber, als ich ſah, wie Hardinens Lippen bei der unerwar¬ teten Fahnenflucht lächelten, und wie ſie gleich darauf den Blick vor eines Anderen Blicke ſenkte, da fiel die letzte Binde vor meinen Augen und mindeſtens die eine Hälfte meines Abſchlußaktes war im Stillen feſtgeſetzt.
17*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0263"n="259"/>
in ſeinem erweiterten ſtaatsmänniſchen Wirkungskreiſe;<lb/>
ich kannte ihn als den <hirendition="#g">Einzigen</hi> in meiner Umgebung,<lb/>
der, ſo rückſichtslos er ſich gegen einen böſen Schein<lb/>
geberdet, nicht einen Augenblick an mir gezweifelt<lb/>
hatte. Ich ſah das Wohlgefallen des ſtattlichen, jun¬<lb/>
gen Cavaliers an meiner Hardine, und wenn ihr Herz<lb/>ſich dem ſeinigen zuneigte, warum ſollten die Vortheile,<lb/>
welche die Eltern erſtrebt hatten, am Ende nicht durch<lb/>
die Kinder zu erreichen ſein? Meine argloſe Hardine,<lb/>
Du haſt meine Wünſche und Beſtrebungen in dieſer<lb/>
Richtung nicht bemerkt, und heute danke ich Gott, daß<lb/>
Du ſie nicht bemerkteſt.</p><lb/><p>Denn als es mir klar wurde, wie des Grafen<lb/>
Standesſinn vielleicht <hirendition="#g">ſchwach</hi> genug war, um ſich<lb/>
vor dem verbrieften Reckenburgiſchen Erbe in meines<lb/>
Kindes Hand zu beugen; aber zu ſtark, um ſonder Er¬<lb/>
röthen dieſes Kind in ein Vaterhaus zu führen, als<lb/>
ich den jungen Herrn nur in ſeinen Schwächen als<lb/>
den Sohn, ſeines Vaters kennen lernte; endlich aber,<lb/>
als ich ſah, wie Hardinens Lippen bei der unerwar¬<lb/>
teten Fahnenflucht lächelten, und wie ſie gleich darauf<lb/>
den Blick vor eines Anderen Blicke ſenkte, da fiel die<lb/>
letzte Binde vor meinen Augen und mindeſtens die <hirendition="#g">eine</hi><lb/>
Hälfte meines Abſchlußaktes war im Stillen feſtgeſetzt.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">17*<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[259/0263]
in ſeinem erweiterten ſtaatsmänniſchen Wirkungskreiſe;
ich kannte ihn als den Einzigen in meiner Umgebung,
der, ſo rückſichtslos er ſich gegen einen böſen Schein
geberdet, nicht einen Augenblick an mir gezweifelt
hatte. Ich ſah das Wohlgefallen des ſtattlichen, jun¬
gen Cavaliers an meiner Hardine, und wenn ihr Herz
ſich dem ſeinigen zuneigte, warum ſollten die Vortheile,
welche die Eltern erſtrebt hatten, am Ende nicht durch
die Kinder zu erreichen ſein? Meine argloſe Hardine,
Du haſt meine Wünſche und Beſtrebungen in dieſer
Richtung nicht bemerkt, und heute danke ich Gott, daß
Du ſie nicht bemerkteſt.
Denn als es mir klar wurde, wie des Grafen
Standesſinn vielleicht ſchwach genug war, um ſich
vor dem verbrieften Reckenburgiſchen Erbe in meines
Kindes Hand zu beugen; aber zu ſtark, um ſonder Er¬
röthen dieſes Kind in ein Vaterhaus zu führen, als
ich den jungen Herrn nur in ſeinen Schwächen als
den Sohn, ſeines Vaters kennen lernte; endlich aber,
als ich ſah, wie Hardinens Lippen bei der unerwar¬
teten Fahnenflucht lächelten, und wie ſie gleich darauf
den Blick vor eines Anderen Blicke ſenkte, da fiel die
letzte Binde vor meinen Augen und mindeſtens die eine
Hälfte meines Abſchlußaktes war im Stillen feſtgeſetzt.
17*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/263>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.