Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

malte. Die zierliche Einrichtung seines alten Zim¬
mers, der Kleinen unveränderte Schönheit, ihre kind¬
lich stille Beschäftigung und den goldenen Reif am
Ringfinger, alles das hatte er mit einem einzigen
Blicke erfaßt. Er bedurfte keines Wortes, er wußte,
was er zu wissen brauchte." --

-- "Jetzt hatte aber auch Dorothee ihn bemerkt.
Sie schrie auf wie ein Kind, das eine Biene gestochen
hat, wurde kreideweiß und bedeckte das Gesicht mit
beiden Händen. -

-- ""Ich habe Sie erschreckt, meine theure
Dorothee,"" sagte Faber, indem er auf sie zueilte, ihre
linke Hand von den Augen zog und einen Kuß gegen
den Ringfinger drückte. --

-- ""Aber dieser Augenblick der Ueberraschung ist
mir Ersatz für die langen Jahre der Entsagung. Mein
ganzes Leben wird ein Dank sein für das Glück, daß
Sie ihn mir gewährten.""--

-- "Indessen dies zweite Experiment, -- Sie wis¬
sen, Probst, er nannte schon seine Verlobung ein
Experiment, -- nun diese Ueberrumpelung erwies sich
denn doch schier zu stark für unsere arme, kleine Dorl.
Es überlief sie ein Schauder, ihre Glieder flogen,
Fiebergluth verjagte die tödtliche Blässe auf ihrem

malte. Die zierliche Einrichtung ſeines alten Zim¬
mers, der Kleinen unveränderte Schönheit, ihre kind¬
lich ſtille Beſchäftigung und den goldenen Reif am
Ringfinger, alles das hatte er mit einem einzigen
Blicke erfaßt. Er bedurfte keines Wortes, er wußte,
was er zu wiſſen brauchte.“ —

— „Jetzt hatte aber auch Dorothee ihn bemerkt.
Sie ſchrie auf wie ein Kind, das eine Biene geſtochen
hat, wurde kreideweiß und bedeckte das Geſicht mit
beiden Händen. –

— „„Ich habe Sie erſchreckt, meine theure
Dorothee,““ ſagte Faber, indem er auf ſie zueilte, ihre
linke Hand von den Augen zog und einen Kuß gegen
den Ringfinger drückte. —

— „„Aber dieſer Augenblick der Ueberraſchung iſt
mir Erſatz für die langen Jahre der Entſagung. Mein
ganzes Leben wird ein Dank ſein für das Glück, daß
Sie ihn mir gewährten.““—

— „Indeſſen dies zweite Experiment, — Sie wiſ¬
ſen, Probſt, er nannte ſchon ſeine Verlobung ein
Experiment, — nun dieſe Ueberrumpelung erwies ſich
denn doch ſchier zu ſtark für unſere arme, kleine Dorl.
Es überlief ſie ein Schauder, ihre Glieder flogen,
Fiebergluth verjagte die tödtliche Bläſſe auf ihrem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="82"/>
malte. Die zierliche Einrichtung &#x017F;eines alten Zim¬<lb/>
mers, der Kleinen unveränderte Schönheit, ihre kind¬<lb/>
lich &#x017F;tille Be&#x017F;chäftigung und den goldenen Reif am<lb/>
Ringfinger, alles das hatte er mit einem einzigen<lb/>
Blicke erfaßt. Er bedurfte keines Wortes, er wußte,<lb/>
was er zu wi&#x017F;&#x017F;en brauchte.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Jetzt hatte aber auch Dorothee ihn bemerkt.<lb/>
Sie &#x017F;chrie auf wie ein Kind, das eine Biene ge&#x017F;tochen<lb/>
hat, wurde kreideweiß und bedeckte das Ge&#x017F;icht mit<lb/>
beiden Händen. &#x2013;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;&#x201E;Ich habe Sie er&#x017F;chreckt, meine theure<lb/>
Dorothee,&#x201C;&#x201C; &#x017F;agte Faber, indem er auf &#x017F;ie zueilte, ihre<lb/>
linke Hand von den Augen zog und einen Kuß gegen<lb/>
den Ringfinger drückte. &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;&#x201E;Aber die&#x017F;er Augenblick der Ueberra&#x017F;chung i&#x017F;t<lb/>
mir Er&#x017F;atz für die langen Jahre der Ent&#x017F;agung. Mein<lb/>
ganzes Leben wird ein Dank &#x017F;ein für das Glück, daß<lb/>
Sie ihn mir gewährten.&#x201C;&#x201C;&#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x2014; &#x201E;Inde&#x017F;&#x017F;en dies zweite Experiment, &#x2014; Sie wi&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, Prob&#x017F;t, er nannte &#x017F;chon &#x017F;eine Verlobung ein<lb/>
Experiment, &#x2014; nun die&#x017F;e Ueberrumpelung erwies &#x017F;ich<lb/>
denn doch &#x017F;chier zu &#x017F;tark für un&#x017F;ere arme, kleine Dorl.<lb/>
Es überlief &#x017F;ie ein Schauder, ihre Glieder flogen,<lb/>
Fiebergluth verjagte die tödtliche Blä&#x017F;&#x017F;e auf ihrem<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0086] malte. Die zierliche Einrichtung ſeines alten Zim¬ mers, der Kleinen unveränderte Schönheit, ihre kind¬ lich ſtille Beſchäftigung und den goldenen Reif am Ringfinger, alles das hatte er mit einem einzigen Blicke erfaßt. Er bedurfte keines Wortes, er wußte, was er zu wiſſen brauchte.“ — — „Jetzt hatte aber auch Dorothee ihn bemerkt. Sie ſchrie auf wie ein Kind, das eine Biene geſtochen hat, wurde kreideweiß und bedeckte das Geſicht mit beiden Händen. – — „„Ich habe Sie erſchreckt, meine theure Dorothee,““ ſagte Faber, indem er auf ſie zueilte, ihre linke Hand von den Augen zog und einen Kuß gegen den Ringfinger drückte. — — „„Aber dieſer Augenblick der Ueberraſchung iſt mir Erſatz für die langen Jahre der Entſagung. Mein ganzes Leben wird ein Dank ſein für das Glück, daß Sie ihn mir gewährten.““— — „Indeſſen dies zweite Experiment, — Sie wiſ¬ ſen, Probſt, er nannte ſchon ſeine Verlobung ein Experiment, — nun dieſe Ueberrumpelung erwies ſich denn doch ſchier zu ſtark für unſere arme, kleine Dorl. Es überlief ſie ein Schauder, ihre Glieder flogen, Fiebergluth verjagte die tödtliche Bläſſe auf ihrem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/86
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/86>, abgerufen am 21.11.2024.