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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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fragte sie. "Da seh ich's schon, weiß und zuckrig, wie
vom Conditor."

"Was siehst Du? Ist der Garten leer?" fragte
er mit gewisser Aufregung.

"Ich seh' Niemand, doch ja, dort unterm Flieder
sitzt ein junges Mädchen, bunt gekleidet, dunkle
Locken." --

"Das ist sie!" flüsterte Alfred. "Allein?"

"Ja, mir scheint so, sie schreibt oder zeichnet,
willst Du hinein? Soll der Wagen halten?"

Ein helles Lachen ertönte. "Sie lacht ja, sie ist
wohl doch nicht allein?"

Alfred hatte sich halb aufgerichtet und horchte
mit unwilligem Gesicht.

"Ach so, -- sie spricht mit einem Nachbarn,
scheint's, über den Zaun, ich seh' so ein Paar Bart¬
koteletten und einen breiten Strohhut; da lachen sie
alle Beide."

"Vorwärts, Kutscher!" schrie Alfred und sank
auf den Sitz zurück. Er hatte die Zähne in die Un¬
terlippe gebissen und die Stirn tief gesenkt. Sie
fuhren schweigend vorüber. Nach einer Weile aber
fühlte er seinen Arm berührt.

"Wenn sie Dir werth war, hast darum keinen
Grund zu dummen Gedanken," sagte sie ermahnend.

"Ach, Marianne, es brennt mir schon lange auf
der Zunge, Dir Alles zu sagen," rief er nun, "Du

fragte ſie. „Da ſeh ich's ſchon, weiß und zuckrig, wie
vom Conditor.“

„Was ſiehſt Du? Iſt der Garten leer?“ fragte
er mit gewiſſer Aufregung.

„Ich ſeh' Niemand, doch ja, dort unterm Flieder
ſitzt ein junges Mädchen, bunt gekleidet, dunkle
Locken.“ —

„Das iſt ſie!“ flüſterte Alfred. „Allein?“

„Ja, mir ſcheint ſo, ſie ſchreibt oder zeichnet,
willſt Du hinein? Soll der Wagen halten?“

Ein helles Lachen ertönte. „Sie lacht ja, ſie iſt
wohl doch nicht allein?“

Alfred hatte ſich halb aufgerichtet und horchte
mit unwilligem Geſicht.

„Ach ſo, — ſie ſpricht mit einem Nachbarn,
ſcheint's, über den Zaun, ich ſeh' ſo ein Paar Bart¬
koteletten und einen breiten Strohhut; da lachen ſie
alle Beide.“

„Vorwärts, Kutſcher!“ ſchrie Alfred und ſank
auf den Sitz zurück. Er hatte die Zähne in die Un¬
terlippe gebiſſen und die Stirn tief geſenkt. Sie
fuhren ſchweigend vorüber. Nach einer Weile aber
fühlte er ſeinen Arm berührt.

„Wenn ſie Dir werth war, haſt darum keinen
Grund zu dummen Gedanken,“ ſagte ſie ermahnend.

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[95/0111] fragte ſie. „Da ſeh ich's ſchon, weiß und zuckrig, wie vom Conditor.“ „Was ſiehſt Du? Iſt der Garten leer?“ fragte er mit gewiſſer Aufregung. „Ich ſeh' Niemand, doch ja, dort unterm Flieder ſitzt ein junges Mädchen, bunt gekleidet, dunkle Locken.“ — „Das iſt ſie!“ flüſterte Alfred. „Allein?“ „Ja, mir ſcheint ſo, ſie ſchreibt oder zeichnet, willſt Du hinein? Soll der Wagen halten?“ Ein helles Lachen ertönte. „Sie lacht ja, ſie iſt wohl doch nicht allein?“ Alfred hatte ſich halb aufgerichtet und horchte mit unwilligem Geſicht. „Ach ſo, — ſie ſpricht mit einem Nachbarn, ſcheint's, über den Zaun, ich ſeh' ſo ein Paar Bart¬ koteletten und einen breiten Strohhut; da lachen ſie alle Beide.“ „Vorwärts, Kutſcher!“ ſchrie Alfred und ſank auf den Sitz zurück. Er hatte die Zähne in die Un¬ terlippe gebiſſen und die Stirn tief geſenkt. Sie fuhren ſchweigend vorüber. Nach einer Weile aber fühlte er ſeinen Arm berührt. „Wenn ſie Dir werth war, haſt darum keinen Grund zu dummen Gedanken,“ ſagte ſie ermahnend. „Ach, Marianne, es brennt mir ſchon lange auf der Zunge, Dir Alles zu ſagen,“ rief er nun, „Du

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/111>, abgerufen am 21.11.2024.