Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

sammen, so daß er heut mehr trank, als er gewohnt
war. Voll Muth redete er einen älteren Herrn an,
der ihm einen künstlerischen Anstrich zu haben schien,
fragte ihn, wann die Glyptothek geöffnet sei, obgleich
er's gut wußte, gerieth in ein erträgliches Gespräch
mit ihm über die Frage: Büste oder ganze Figur bei
Denkmälern für Dichter und Gelehrte? und kam mit
der unklaren aber beseligenden Empfindung, daß es
ihm sehr gut gehe, nach Hause. Aus dem Fenster
gegenüber hörte er Klavierspiel; da wohnte sie gewiß.
Wie, wenn er hinaufging, ihr dankte für Alles, was
sie unwissentlich schon an ihm gethan hatte? Ein
toller Gedanke! So keck war er doch sonst nicht!
Um aber die Tollheit nicht auszuführen, wie es ihn
mächtig lockte, lief er geschwind in seine eigene Haus¬
thür und die Treppe hinauf.

Wieder wie gestern der einsame Feuerschein aus
dem Kachelofen, das Licht auf dem Betttischchen.
Aber halt, war das nicht ein sanftes Miauen? Er
leuchtete umher. Richtig, auf dem Kopfkissen seines
Bettes saß es schon wieder, grau und klein und reckte
die Pfötchen wie zum Willkommen. Das war zu
viel für seine Standhaftigkeit. Er konnte doch das
arme Fräulein nicht in der Unruhe lassen! Sie
mußte es ja vermissen und hätte gewiß die Nacht
nicht geschlafen, ohne den Liebling in Sicherheit zu
wissen. Er riß das weiche Klümpchen von der Bett¬

ſammen, ſo daß er heut mehr trank, als er gewohnt
war. Voll Muth redete er einen älteren Herrn an,
der ihm einen künſtleriſchen Anſtrich zu haben ſchien,
fragte ihn, wann die Glyptothek geöffnet ſei, obgleich
er's gut wußte, gerieth in ein erträgliches Geſpräch
mit ihm über die Frage: Büſte oder ganze Figur bei
Denkmälern für Dichter und Gelehrte? und kam mit
der unklaren aber beſeligenden Empfindung, daß es
ihm ſehr gut gehe, nach Hauſe. Aus dem Fenſter
gegenüber hörte er Klavierſpiel; da wohnte ſie gewiß.
Wie, wenn er hinaufging, ihr dankte für Alles, was
ſie unwiſſentlich ſchon an ihm gethan hatte? Ein
toller Gedanke! So keck war er doch ſonſt nicht!
Um aber die Tollheit nicht auszuführen, wie es ihn
mächtig lockte, lief er geſchwind in ſeine eigene Haus¬
thür und die Treppe hinauf.

Wieder wie geſtern der einſame Feuerſchein aus
dem Kachelofen, das Licht auf dem Betttiſchchen.
Aber halt, war das nicht ein ſanftes Miauen? Er
leuchtete umher. Richtig, auf dem Kopfkiſſen ſeines
Bettes ſaß es ſchon wieder, grau und klein und reckte
die Pfötchen wie zum Willkommen. Das war zu
viel für ſeine Standhaftigkeit. Er konnte doch das
arme Fräulein nicht in der Unruhe laſſen! Sie
mußte es ja vermiſſen und hätte gewiß die Nacht
nicht geſchlafen, ohne den Liebling in Sicherheit zu
wiſſen. Er riß das weiche Klümpchen von der Bett¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="18"/>
&#x017F;ammen, &#x017F;o daß er heut mehr trank, als er gewohnt<lb/>
war. Voll Muth redete er einen älteren Herrn an,<lb/>
der ihm einen kün&#x017F;tleri&#x017F;chen An&#x017F;trich zu haben &#x017F;chien,<lb/>
fragte ihn, wann die Glyptothek geöffnet &#x017F;ei, obgleich<lb/>
er's gut wußte, gerieth in ein erträgliches Ge&#x017F;präch<lb/>
mit ihm über die Frage: Bü&#x017F;te oder ganze Figur bei<lb/>
Denkmälern für Dichter und Gelehrte? und kam mit<lb/>
der unklaren aber be&#x017F;eligenden Empfindung, daß es<lb/>
ihm &#x017F;ehr gut gehe, nach Hau&#x017F;e. Aus dem Fen&#x017F;ter<lb/>
gegenüber hörte er Klavier&#x017F;piel; da wohnte &#x017F;ie gewiß.<lb/>
Wie, wenn er hinaufging, ihr dankte für Alles, was<lb/>
&#x017F;ie unwi&#x017F;&#x017F;entlich &#x017F;chon an ihm gethan hatte? Ein<lb/>
toller Gedanke! So keck war er doch &#x017F;on&#x017F;t nicht!<lb/>
Um aber die Tollheit nicht auszuführen, wie es ihn<lb/>
mächtig lockte, lief er ge&#x017F;chwind in &#x017F;eine eigene Haus¬<lb/>
thür und die Treppe hinauf.</p><lb/>
        <p>Wieder wie ge&#x017F;tern der ein&#x017F;ame Feuer&#x017F;chein aus<lb/>
dem Kachelofen, das Licht auf dem Bettti&#x017F;chchen.<lb/>
Aber halt, war das nicht ein &#x017F;anftes Miauen? Er<lb/>
leuchtete umher. Richtig, auf dem Kopfki&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eines<lb/>
Bettes &#x017F;aß es &#x017F;chon wieder, grau und klein und reckte<lb/>
die Pfötchen wie zum Willkommen. Das war zu<lb/>
viel für &#x017F;eine Standhaftigkeit. Er konnte doch das<lb/>
arme Fräulein nicht in der Unruhe la&#x017F;&#x017F;en! Sie<lb/>
mußte es ja vermi&#x017F;&#x017F;en und hätte gewiß die Nacht<lb/>
nicht ge&#x017F;chlafen, ohne den Liebling in Sicherheit zu<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en. Er riß das weiche Klümpchen von der Bett¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0034] ſammen, ſo daß er heut mehr trank, als er gewohnt war. Voll Muth redete er einen älteren Herrn an, der ihm einen künſtleriſchen Anſtrich zu haben ſchien, fragte ihn, wann die Glyptothek geöffnet ſei, obgleich er's gut wußte, gerieth in ein erträgliches Geſpräch mit ihm über die Frage: Büſte oder ganze Figur bei Denkmälern für Dichter und Gelehrte? und kam mit der unklaren aber beſeligenden Empfindung, daß es ihm ſehr gut gehe, nach Hauſe. Aus dem Fenſter gegenüber hörte er Klavierſpiel; da wohnte ſie gewiß. Wie, wenn er hinaufging, ihr dankte für Alles, was ſie unwiſſentlich ſchon an ihm gethan hatte? Ein toller Gedanke! So keck war er doch ſonſt nicht! Um aber die Tollheit nicht auszuführen, wie es ihn mächtig lockte, lief er geſchwind in ſeine eigene Haus¬ thür und die Treppe hinauf. Wieder wie geſtern der einſame Feuerſchein aus dem Kachelofen, das Licht auf dem Betttiſchchen. Aber halt, war das nicht ein ſanftes Miauen? Er leuchtete umher. Richtig, auf dem Kopfkiſſen ſeines Bettes ſaß es ſchon wieder, grau und klein und reckte die Pfötchen wie zum Willkommen. Das war zu viel für ſeine Standhaftigkeit. Er konnte doch das arme Fräulein nicht in der Unruhe laſſen! Sie mußte es ja vermiſſen und hätte gewiß die Nacht nicht geſchlafen, ohne den Liebling in Sicherheit zu wiſſen. Er riß das weiche Klümpchen von der Bett¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/34
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/34>, abgerufen am 23.11.2024.