Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

können, daß es solch eine Finsterniß geben würde? Bei all seinen Bergtouren war ihm nicht so etwas begegnet. Man durfte es ja nicht einmal sagen, denn es war lächerlich. Und einer Braut gegenüber, die so viel jünger ist, darf man doch nicht lächerlich erscheinen. Le ridicule tue, tötet vor allem die Überzeugung der Frau von der unbedingten Überlegenheit des Mannes. Früher - ja, da legte er kein Gewicht auf diese Überlegenheit. Sonst wäre er mit Sonja überhaupt nicht soweit gekommen, wohl nicht einmal recht bekannt geworden. Aber wer weiß - vielleicht war gerade dies die Klippe. "Ich heirathe keinen Deutschen!" - wenn sie mehr Respekt vor ihm gehabt hätte, hätte sie sich vielleicht nicht so unumwunden, nicht so beleidigend deutlich ausgedrückt.

Bei Toni wollte er mehr auf der Hut sein, wollte nicht allzu kameradschaftlich mit ihr werden. Dankbar und erleichtert gedachte er von neuem ihrer erschrockenen Antwort: "O nein!" als er sie nach etwaigem Studium fragte. Das liebe Kind! Hier wäre es jedenfalls leichter, sich im Respekt zu halten. Aber freilich, vor Dummheiten hat man sich auch bei ihr zu hüten, - die Mama hat jedenfalls einen mokanten Zug in ihrem noch immer schönen Gesicht, und so etwas erbt weiter. Was sie mir am wenigsten durchgehen ließe, die Mama, ist all das, was an Überschwenglichkeit streift. Nein - wenn es in den Sternen geschrieben

können, daß es solch eine Finsterniß geben würde? Bei all seinen Bergtouren war ihm nicht so etwas begegnet. Man durfte es ja nicht einmal sagen, denn es war lächerlich. Und einer Braut gegenüber, die so viel jünger ist, darf man doch nicht lächerlich erscheinen. Le ridicule tue, tötet vor allem die Überzeugung der Frau von der unbedingten Überlegenheit des Mannes. Früher – ja, da legte er kein Gewicht auf diese Überlegenheit. Sonst wäre er mit Sonja überhaupt nicht soweit gekommen, wohl nicht einmal recht bekannt geworden. Aber wer weiß – vielleicht war gerade dies die Klippe. „Ich heirathe keinen Deutschen!“ – wenn sie mehr Respekt vor ihm gehabt hätte, hätte sie sich vielleicht nicht so unumwunden, nicht so beleidigend deutlich ausgedrückt.

Bei Toni wollte er mehr auf der Hut sein, wollte nicht allzu kameradschaftlich mit ihr werden. Dankbar und erleichtert gedachte er von neuem ihrer erschrockenen Antwort: „O nein!“ als er sie nach etwaigem Studium fragte. Das liebe Kind! Hier wäre es jedenfalls leichter, sich im Respekt zu halten. Aber freilich, vor Dummheiten hat man sich auch bei ihr zu hüten, – die Mama hat jedenfalls einen mokanten Zug in ihrem noch immer schönen Gesicht, und so etwas erbt weiter. Was sie mir am wenigsten durchgehen ließe, die Mama, ist all das, was an Überschwenglichkeit streift. Nein – wenn es in den Sternen geschrieben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0105" n="97"/>
können, daß es solch eine Finsterniß geben würde? Bei all seinen Bergtouren war ihm nicht so etwas begegnet. Man durfte es ja nicht einmal sagen, denn es war lächerlich. Und einer Braut gegenüber, die so viel jünger ist, darf man doch nicht lächerlich erscheinen. <hi rendition="#aq">Le ridicule tue</hi>, tötet vor allem die Überzeugung der Frau von der unbedingten Überlegenheit des Mannes. Früher &#x2013; ja, da legte er kein Gewicht auf diese Überlegenheit. Sonst wäre er mit Sonja überhaupt nicht soweit gekommen, wohl nicht einmal recht bekannt geworden. Aber wer weiß &#x2013; vielleicht war gerade dies die Klippe. &#x201E;Ich heirathe keinen Deutschen!&#x201C; &#x2013; wenn sie mehr Respekt vor ihm gehabt hätte, hätte sie sich vielleicht nicht so unumwunden, nicht so beleidigend deutlich ausgedrückt.</p>
        <p>Bei Toni wollte er mehr auf der Hut sein, wollte nicht allzu kameradschaftlich mit ihr werden. Dankbar und erleichtert gedachte er von neuem ihrer erschrockenen Antwort: &#x201E;O nein!&#x201C; als er sie nach etwaigem Studium fragte. Das liebe Kind! Hier wäre es jedenfalls leichter, sich im Respekt zu halten. Aber freilich, vor Dummheiten hat man sich auch bei ihr zu hüten, &#x2013; die Mama hat jedenfalls einen mokanten Zug in ihrem noch immer schönen Gesicht, und so etwas erbt weiter. Was sie mir am wenigsten durchgehen ließe, die Mama, ist all das, was an Überschwenglichkeit streift. Nein &#x2013; wenn es in den Sternen geschrieben
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97/0105] können, daß es solch eine Finsterniß geben würde? Bei all seinen Bergtouren war ihm nicht so etwas begegnet. Man durfte es ja nicht einmal sagen, denn es war lächerlich. Und einer Braut gegenüber, die so viel jünger ist, darf man doch nicht lächerlich erscheinen. Le ridicule tue, tötet vor allem die Überzeugung der Frau von der unbedingten Überlegenheit des Mannes. Früher – ja, da legte er kein Gewicht auf diese Überlegenheit. Sonst wäre er mit Sonja überhaupt nicht soweit gekommen, wohl nicht einmal recht bekannt geworden. Aber wer weiß – vielleicht war gerade dies die Klippe. „Ich heirathe keinen Deutschen!“ – wenn sie mehr Respekt vor ihm gehabt hätte, hätte sie sich vielleicht nicht so unumwunden, nicht so beleidigend deutlich ausgedrückt. Bei Toni wollte er mehr auf der Hut sein, wollte nicht allzu kameradschaftlich mit ihr werden. Dankbar und erleichtert gedachte er von neuem ihrer erschrockenen Antwort: „O nein!“ als er sie nach etwaigem Studium fragte. Das liebe Kind! Hier wäre es jedenfalls leichter, sich im Respekt zu halten. Aber freilich, vor Dummheiten hat man sich auch bei ihr zu hüten, – die Mama hat jedenfalls einen mokanten Zug in ihrem noch immer schönen Gesicht, und so etwas erbt weiter. Was sie mir am wenigsten durchgehen ließe, die Mama, ist all das, was an Überschwenglichkeit streift. Nein – wenn es in den Sternen geschrieben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/105
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/105>, abgerufen am 15.05.2024.