Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.werden könnte - ein trauriger Tropf müßte ich sein; da wär's gerade Zeit, sich dem Absinth zu ergeben, oder dem Morphium (auf Wein oder Bier verfiel er schon gar nicht!) oder dem Börsenspiel oder einer "Meitschi mit Batze",*) oder dem Antisemitismus, oder irgend einen anderen "Kühweg" zu betreten, wie ihr ihn früher oder später alle einmal entlang trottet. Aber es war nicht allein Trotz, es war auch ein ästhetisches Wohlbehagen an seiner neuen Umgebung. Und dann hatte ihm die Wirthin von Anfang an so gefallen. Ein zartes altes Frauchen, nicht größer als ein vierzehnjähriges Kind, mit einem feinen bleichen Gesichtchen, besonders der Mund mit den ein wenig herabgezogenen Winkeln war so unendlich fein. Und sie hatte etwas Anmuthiges in den Bewegungen und besonders in der Art, den Kopf hinten über zu legen, wenn sie mit ihm sprach, das ihm hier zu Lande noch nicht vorgekommen war. In Deutschland, ja, da kannte er so feine alte Frauen, nur hatten die etwas Starres, Formelles, nicht diese vogelartige graziöse Hurtigkeit, die an ein junges Mädchen erinnerte, diese anspruchslose Freundlichkeit, wenn er ihr auf der Treppe oder im Gang begegnete, diesen ganz zarten, wehmüthigen Duft, wie ihn eine welke Blume aushaucht, die einmal sehr lieblich, sehr schön gewesen. *) Mädchen mit Geld.
werden könnte – ein trauriger Tropf müßte ich sein; da wär’s gerade Zeit, sich dem Absinth zu ergeben, oder dem Morphium (auf Wein oder Bier verfiel er schon gar nicht!) oder dem Börsenspiel oder einer „Meitschi mit Batze“,*) oder dem Antisemitismus, oder irgend einen anderen „Kühweg“ zu betreten, wie ihr ihn früher oder später alle einmal entlang trottet. Aber es war nicht allein Trotz, es war auch ein ästhetisches Wohlbehagen an seiner neuen Umgebung. Und dann hatte ihm die Wirthin von Anfang an so gefallen. Ein zartes altes Frauchen, nicht größer als ein vierzehnjähriges Kind, mit einem feinen bleichen Gesichtchen, besonders der Mund mit den ein wenig herabgezogenen Winkeln war so unendlich fein. Und sie hatte etwas Anmuthiges in den Bewegungen und besonders in der Art, den Kopf hinten über zu legen, wenn sie mit ihm sprach, das ihm hier zu Lande noch nicht vorgekommen war. In Deutschland, ja, da kannte er so feine alte Frauen, nur hatten die etwas Starres, Formelles, nicht diese vogelartige graziöse Hurtigkeit, die an ein junges Mädchen erinnerte, diese anspruchslose Freundlichkeit, wenn er ihr auf der Treppe oder im Gang begegnete, diesen ganz zarten, wehmüthigen Duft, wie ihn eine welke Blume aushaucht, die einmal sehr lieblich, sehr schön gewesen. *) Mädchen mit Geld.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0012" n="4"/> werden könnte – ein trauriger Tropf müßte ich sein; da wär’s gerade Zeit, sich dem Absinth zu ergeben, oder dem Morphium (auf Wein oder Bier verfiel er schon gar nicht!) oder dem Börsenspiel oder einer „Meitschi mit Batze“,<note place="foot" n="*)">Mädchen mit Geld.</note> oder dem Antisemitismus, oder irgend einen anderen „Kühweg“ zu betreten, wie ihr ihn früher oder später alle einmal entlang trottet.</p> <p>Aber es war nicht allein Trotz, es war auch ein ästhetisches Wohlbehagen an seiner neuen Umgebung. Und dann hatte ihm die Wirthin von Anfang an so gefallen. Ein zartes altes Frauchen, nicht größer als ein vierzehnjähriges Kind, mit einem feinen bleichen Gesichtchen, besonders der Mund mit den ein wenig herabgezogenen Winkeln war so unendlich fein. Und sie hatte etwas Anmuthiges in den Bewegungen und besonders in der Art, den Kopf hinten über zu legen, wenn sie mit ihm sprach, das ihm hier zu Lande noch nicht vorgekommen war. In Deutschland, ja, da kannte er so feine alte Frauen, nur hatten die etwas Starres, Formelles, nicht diese vogelartige graziöse Hurtigkeit, die an ein junges Mädchen erinnerte, diese anspruchslose Freundlichkeit, wenn er ihr auf der Treppe oder im Gang begegnete, diesen ganz zarten, wehmüthigen Duft, wie ihn eine welke Blume aushaucht, die einmal sehr lieblich, sehr schön gewesen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0012]
werden könnte – ein trauriger Tropf müßte ich sein; da wär’s gerade Zeit, sich dem Absinth zu ergeben, oder dem Morphium (auf Wein oder Bier verfiel er schon gar nicht!) oder dem Börsenspiel oder einer „Meitschi mit Batze“, *) oder dem Antisemitismus, oder irgend einen anderen „Kühweg“ zu betreten, wie ihr ihn früher oder später alle einmal entlang trottet.
Aber es war nicht allein Trotz, es war auch ein ästhetisches Wohlbehagen an seiner neuen Umgebung. Und dann hatte ihm die Wirthin von Anfang an so gefallen. Ein zartes altes Frauchen, nicht größer als ein vierzehnjähriges Kind, mit einem feinen bleichen Gesichtchen, besonders der Mund mit den ein wenig herabgezogenen Winkeln war so unendlich fein. Und sie hatte etwas Anmuthiges in den Bewegungen und besonders in der Art, den Kopf hinten über zu legen, wenn sie mit ihm sprach, das ihm hier zu Lande noch nicht vorgekommen war. In Deutschland, ja, da kannte er so feine alte Frauen, nur hatten die etwas Starres, Formelles, nicht diese vogelartige graziöse Hurtigkeit, die an ein junges Mädchen erinnerte, diese anspruchslose Freundlichkeit, wenn er ihr auf der Treppe oder im Gang begegnete, diesen ganz zarten, wehmüthigen Duft, wie ihn eine welke Blume aushaucht, die einmal sehr lieblich, sehr schön gewesen.
*) Mädchen mit Geld.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |