Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Bauer, der Arbeiter, der Gelehrte und so fort, so ist immer nur der Mann gemeint?" "Allerdings." "Und das Weib, was thut das?" "Es thut nichts Besonderes, mein Fräulein, es geht mit." "Nein, es thut mit, mein Herr," - die Malerin sprang einmal wieder auf und lief umher - "und es thut in den meisten Fällen die sauerste, gleichgültigste, undankbarste Arbeit, denn man rechnet, man nennt es nicht einmal! Sie haben noch nie eine Ziegelträgerin unter ihrer schmutzigen Last zusammenbrechen sehen, aber ich! Sie haben noch keine Kellnerin über ihre eigenen müden, wunden Füßen fallen sehen, aber ich! Sie haben noch keine Künstlerin, keine Studentin hungern und darben sehen, um sich Farben und Bücher statt Brod zu kaufen, aber ich! Sie haben keine Augen für die Menschen, und Ihre Massen können mir gestohlen werden! So!" "Aber mir ja auch!" Hausdörffer strich sich den Schnurrbart, er verneigte sich leicht. "Gnädiges Fräulein, ich bin vollkommen Ihrer Meinung und konnte nur der Versuchung nicht widerstehen, Sie etwas zu frozzeln, wie sie in Wien sagen. Sie nehmen alles so ernst - das muß einen doch reizen -" Er unterbrach sich, denn das Mädchen, das ihn einen Augenblick verständnißlos angestarrt, stieß plötzlich einen Laut der Empörung Bauer, der Arbeiter, der Gelehrte und so fort, so ist immer nur der Mann gemeint?“ „Allerdings.“ „Und das Weib, was thut das?“ „Es thut nichts Besonderes, mein Fräulein, es geht mit.“ „Nein, es thut mit, mein Herr,“ – die Malerin sprang einmal wieder auf und lief umher – „und es thut in den meisten Fällen die sauerste, gleichgültigste, undankbarste Arbeit, denn man rechnet, man nennt es nicht einmal! Sie haben noch nie eine Ziegelträgerin unter ihrer schmutzigen Last zusammenbrechen sehen, aber ich! Sie haben noch keine Kellnerin über ihre eigenen müden, wunden Füßen fallen sehen, aber ich! Sie haben noch keine Künstlerin, keine Studentin hungern und darben sehen, um sich Farben und Bücher statt Brod zu kaufen, aber ich! Sie haben keine Augen für die Menschen, und Ihre Massen können mir gestohlen werden! So!“ „Aber mir ja auch!“ Hausdörffer strich sich den Schnurrbart, er verneigte sich leicht. „Gnädiges Fräulein, ich bin vollkommen Ihrer Meinung und konnte nur der Versuchung nicht widerstehen, Sie etwas zu frozzeln, wie sie in Wien sagen. Sie nehmen alles so ernst – das muß einen doch reizen –“ Er unterbrach sich, denn das Mädchen, das ihn einen Augenblick verständnißlos angestarrt, stieß plötzlich einen Laut der Empörung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0124" n="116"/> Bauer, der Arbeiter, der Gelehrte und so fort, so ist immer nur der Mann gemeint?“</p> <p>„Allerdings.“</p> <p>„Und das Weib, was thut das?“</p> <p>„Es thut nichts Besonderes, mein Fräulein, es geht mit.“</p> <p>„Nein, es <hi rendition="#g">thut</hi> mit, mein Herr,“ – die Malerin sprang einmal wieder auf und lief umher – „und es thut in den meisten Fällen die sauerste, gleichgültigste, undankbarste Arbeit, denn man rechnet, man nennt es nicht einmal! Sie haben noch nie eine Ziegelträgerin unter ihrer schmutzigen Last zusammenbrechen sehen, aber ich! Sie haben noch keine Kellnerin über ihre eigenen müden, wunden Füßen fallen sehen, aber ich! Sie haben noch keine Künstlerin, keine Studentin hungern und darben sehen, um sich Farben und Bücher statt Brod zu kaufen, aber ich! Sie haben keine Augen für die Menschen, und Ihre Massen können mir gestohlen werden! So!“</p> <p>„Aber mir ja auch!“ Hausdörffer strich sich den Schnurrbart, er verneigte sich leicht. „Gnädiges Fräulein, ich bin vollkommen Ihrer Meinung und konnte nur der Versuchung nicht widerstehen, Sie etwas zu frozzeln, wie sie in Wien sagen. Sie nehmen alles so ernst – das muß einen doch reizen –“ Er unterbrach sich, denn das Mädchen, das ihn einen Augenblick verständnißlos angestarrt, stieß plötzlich einen Laut der Empörung </p> </div> </body> </text> </TEI> [116/0124]
Bauer, der Arbeiter, der Gelehrte und so fort, so ist immer nur der Mann gemeint?“
„Allerdings.“
„Und das Weib, was thut das?“
„Es thut nichts Besonderes, mein Fräulein, es geht mit.“
„Nein, es thut mit, mein Herr,“ – die Malerin sprang einmal wieder auf und lief umher – „und es thut in den meisten Fällen die sauerste, gleichgültigste, undankbarste Arbeit, denn man rechnet, man nennt es nicht einmal! Sie haben noch nie eine Ziegelträgerin unter ihrer schmutzigen Last zusammenbrechen sehen, aber ich! Sie haben noch keine Kellnerin über ihre eigenen müden, wunden Füßen fallen sehen, aber ich! Sie haben noch keine Künstlerin, keine Studentin hungern und darben sehen, um sich Farben und Bücher statt Brod zu kaufen, aber ich! Sie haben keine Augen für die Menschen, und Ihre Massen können mir gestohlen werden! So!“
„Aber mir ja auch!“ Hausdörffer strich sich den Schnurrbart, er verneigte sich leicht. „Gnädiges Fräulein, ich bin vollkommen Ihrer Meinung und konnte nur der Versuchung nicht widerstehen, Sie etwas zu frozzeln, wie sie in Wien sagen. Sie nehmen alles so ernst – das muß einen doch reizen –“ Er unterbrach sich, denn das Mädchen, das ihn einen Augenblick verständnißlos angestarrt, stieß plötzlich einen Laut der Empörung
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