Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.schattenlose Chaussee überschreiten, wo die Staubwirbel noch nicht zur Ruhe gekommen sind. "Fehlt Dir etwas? Du machst immer solch Gesicht! Ist es nicht wahr, Mama?" "Ihr zwei Turteltauben!" zärtlich klopft Mama dem Schwiegersohn mit dem Sonnenschirm auf die Schulter. "O, die Tauben sind schlimme Thiere! Grausame Thiere! Neidisch, rechthaberisch, eifersüchtig," ruft er zwischen Spott und scheinbarem Ernst. Toni kichert. "Das ist ja ganz was Neues! Wer hat denn das wieder entdeckt?" "Vor unserer modernen Wissenschaft ist nichts verborgen," fährt er spöttelnd fort. "Eure moderne Wissenschaft ist sehr klug, ihr hört wohl das Gras wachsen?" "O, das schon sehr lange. Dieser Marsch in der Sonne ist aber entschieden zuviel für unsere verehrte Mama; sobald wir ein Schattenplätzchen gefunden haben, muß Mama ruhen, wir beide laufen dann in den Park und füttern die Schwäne." "Was wird da bestimmt? Ich nicht mitkönnen? Aber, lieber Schwiegersohn, das wäre das erste Mal. Wo meine Kinder bleiben, da bleib' ich auch." Heroisch stapft Mama durch den Sand, vorüber an der mühsam sickernden Fontaine; der Teich liegt regungslos unter der dichten Decke von Wasserlinsen. schattenlose Chaussee überschreiten, wo die Staubwirbel noch nicht zur Ruhe gekommen sind. „Fehlt Dir etwas? Du machst immer solch Gesicht! Ist es nicht wahr, Mama?“ „Ihr zwei Turteltauben!“ zärtlich klopft Mama dem Schwiegersohn mit dem Sonnenschirm auf die Schulter. „O, die Tauben sind schlimme Thiere! Grausame Thiere! Neidisch, rechthaberisch, eifersüchtig,“ ruft er zwischen Spott und scheinbarem Ernst. Toni kichert. „Das ist ja ganz was Neues! Wer hat denn das wieder entdeckt?“ „Vor unserer modernen Wissenschaft ist nichts verborgen,“ fährt er spöttelnd fort. „Eure moderne Wissenschaft ist sehr klug, ihr hört wohl das Gras wachsen?“ „O, das schon sehr lange. Dieser Marsch in der Sonne ist aber entschieden zuviel für unsere verehrte Mama; sobald wir ein Schattenplätzchen gefunden haben, muß Mama ruhen, wir beide laufen dann in den Park und füttern die Schwäne.“ „Was wird da bestimmt? Ich nicht mitkönnen? Aber, lieber Schwiegersohn, das wäre das erste Mal. Wo meine Kinder bleiben, da bleib’ ich auch.“ Heroisch stapft Mama durch den Sand, vorüber an der mühsam sickernden Fontaine; der Teich liegt regungslos unter der dichten Decke von Wasserlinsen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0147" n="139"/> schattenlose Chaussee überschreiten, wo die Staubwirbel noch nicht zur Ruhe gekommen sind. „Fehlt Dir etwas? Du machst immer solch Gesicht! Ist es nicht wahr, Mama?“</p> <p>„Ihr zwei Turteltauben!“ zärtlich klopft Mama dem Schwiegersohn mit dem Sonnenschirm auf die Schulter.</p> <p>„O, die Tauben sind schlimme Thiere! Grausame Thiere! Neidisch, rechthaberisch, eifersüchtig,“ ruft er zwischen Spott und scheinbarem Ernst.</p> <p>Toni kichert. „Das ist ja ganz was Neues! Wer hat denn das wieder entdeckt?“</p> <p>„Vor unserer modernen Wissenschaft ist nichts verborgen,“ fährt er spöttelnd fort.</p> <p>„Eure moderne Wissenschaft ist sehr klug, ihr hört wohl das Gras wachsen?“</p> <p>„O, das schon sehr lange. Dieser Marsch in der Sonne ist aber entschieden zuviel für unsere verehrte Mama; sobald wir ein Schattenplätzchen gefunden haben, muß Mama ruhen, wir beide laufen dann in den Park und füttern die Schwäne.“</p> <p>„Was wird da bestimmt? Ich nicht mitkönnen? Aber, lieber Schwiegersohn, das wäre das erste Mal. Wo meine Kinder bleiben, da bleib’ ich auch.“</p> <p>Heroisch stapft Mama durch den Sand, vorüber an der mühsam sickernden Fontaine; der Teich liegt regungslos unter der dichten Decke von Wasserlinsen. </p> </div> </body> </text> </TEI> [139/0147]
schattenlose Chaussee überschreiten, wo die Staubwirbel noch nicht zur Ruhe gekommen sind. „Fehlt Dir etwas? Du machst immer solch Gesicht! Ist es nicht wahr, Mama?“
„Ihr zwei Turteltauben!“ zärtlich klopft Mama dem Schwiegersohn mit dem Sonnenschirm auf die Schulter.
„O, die Tauben sind schlimme Thiere! Grausame Thiere! Neidisch, rechthaberisch, eifersüchtig,“ ruft er zwischen Spott und scheinbarem Ernst.
Toni kichert. „Das ist ja ganz was Neues! Wer hat denn das wieder entdeckt?“
„Vor unserer modernen Wissenschaft ist nichts verborgen,“ fährt er spöttelnd fort.
„Eure moderne Wissenschaft ist sehr klug, ihr hört wohl das Gras wachsen?“
„O, das schon sehr lange. Dieser Marsch in der Sonne ist aber entschieden zuviel für unsere verehrte Mama; sobald wir ein Schattenplätzchen gefunden haben, muß Mama ruhen, wir beide laufen dann in den Park und füttern die Schwäne.“
„Was wird da bestimmt? Ich nicht mitkönnen? Aber, lieber Schwiegersohn, das wäre das erste Mal. Wo meine Kinder bleiben, da bleib’ ich auch.“
Heroisch stapft Mama durch den Sand, vorüber an der mühsam sickernden Fontaine; der Teich liegt regungslos unter der dichten Decke von Wasserlinsen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |