Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Toni wollte selbst das Gespräch auf die Zukunft bringen. Der Gedanke an verschwindende Jahre, an eine mögliche Verminderung ihrer Jugendfrische, das war für die Neunzehnjährige ein erschreckendes Gespenst. Als Richard am Nachmittage ins Zimmer trat, fand er Toni in Thränen über einer Spitzenarbeit, Mama rief ihm aus dem Nebenzimmer zu, daß sie sogleich erscheinen werde. Verwundert und bestürzt fragte er die Braut, was denn geschehen sei. Toni stützte zierlich den Kopf und verweigerte die Auskunft mit leichtem Zittern der Stimme.

"Sag's mir doch, ehe wir wieder gestört werden" bat er eindringlich.

Da kam es tropfenweise, gepreßt, halb schluchzend heraus, daß sie doch so - so oft voll Angst und Sorge vor der Zukunft sei - niemand habe als die Mama - und die werde auch täglich älter - und er - sie hätten doch keine Aussicht bis jetzt, sich zu vereinigen - bald müßten sie wieder fortreisen - die Zeit verginge - keinen Ball besuchen dürfen als verlobte Braut - und gerade in Karlsruhe, wo es so reizende Geselligkeit gibt! - Hausdörffer hatte athemlos zugehört. Etwas Bitteres und Verächtliches war in den Blicken, mit denen er das weinende Geschöpfchen betrachtete. Als sie aber zum Schluß zaghaft die Hände nach ihm ausstreckte und flüsterte: "Wenn ich meinen kleinen Peter nicht mehr zu verlassen

Toni wollte selbst das Gespräch auf die Zukunft bringen. Der Gedanke an verschwindende Jahre, an eine mögliche Verminderung ihrer Jugendfrische, das war für die Neunzehnjährige ein erschreckendes Gespenst. Als Richard am Nachmittage ins Zimmer trat, fand er Toni in Thränen über einer Spitzenarbeit, Mama rief ihm aus dem Nebenzimmer zu, daß sie sogleich erscheinen werde. Verwundert und bestürzt fragte er die Braut, was denn geschehen sei. Toni stützte zierlich den Kopf und verweigerte die Auskunft mit leichtem Zittern der Stimme.

„Sag’s mir doch, ehe wir wieder gestört werden“ bat er eindringlich.

Da kam es tropfenweise, gepreßt, halb schluchzend heraus, daß sie doch so – so oft voll Angst und Sorge vor der Zukunft sei – niemand habe als die Mama – und die werde auch täglich älter – und er – sie hätten doch keine Aussicht bis jetzt, sich zu vereinigen – bald müßten sie wieder fortreisen – die Zeit verginge – keinen Ball besuchen dürfen als verlobte Braut – und gerade in Karlsruhe, wo es so reizende Geselligkeit gibt! – Hausdörffer hatte athemlos zugehört. Etwas Bitteres und Verächtliches war in den Blicken, mit denen er das weinende Geschöpfchen betrachtete. Als sie aber zum Schluß zaghaft die Hände nach ihm ausstreckte und flüsterte: „Wenn ich meinen kleinen Peter nicht mehr zu verlassen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0159" n="151"/>
        <p>Toni wollte selbst das Gespräch auf die Zukunft bringen. Der Gedanke an verschwindende Jahre, an eine mögliche Verminderung ihrer Jugendfrische, das war für die Neunzehnjährige ein erschreckendes Gespenst. Als Richard am Nachmittage ins Zimmer trat, fand er Toni in Thränen über einer Spitzenarbeit, Mama rief ihm aus dem Nebenzimmer zu, daß sie sogleich erscheinen werde. Verwundert und bestürzt fragte er die Braut, was denn geschehen sei. Toni stützte zierlich den Kopf und verweigerte die Auskunft mit leichtem Zittern der Stimme.</p>
        <p>&#x201E;Sag&#x2019;s mir doch, ehe wir wieder gestört werden&#x201C; bat er eindringlich.</p>
        <p>Da kam es tropfenweise, gepreßt, halb schluchzend heraus, daß sie doch so &#x2013; so oft voll Angst und Sorge vor der Zukunft sei &#x2013; niemand habe als die Mama &#x2013; und die werde auch täglich älter &#x2013; und er &#x2013; sie hätten doch keine Aussicht bis jetzt, sich zu vereinigen &#x2013; bald müßten sie wieder fortreisen &#x2013; die Zeit verginge &#x2013; keinen Ball besuchen dürfen als verlobte Braut &#x2013; und gerade in Karlsruhe, wo es so reizende Geselligkeit gibt! &#x2013; Hausdörffer hatte athemlos zugehört. Etwas Bitteres und Verächtliches war in den Blicken, mit denen er das weinende Geschöpfchen betrachtete. Als sie aber zum Schluß zaghaft die Hände nach ihm ausstreckte und flüsterte: &#x201E;Wenn ich meinen kleinen Peter nicht mehr zu verlassen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0159] Toni wollte selbst das Gespräch auf die Zukunft bringen. Der Gedanke an verschwindende Jahre, an eine mögliche Verminderung ihrer Jugendfrische, das war für die Neunzehnjährige ein erschreckendes Gespenst. Als Richard am Nachmittage ins Zimmer trat, fand er Toni in Thränen über einer Spitzenarbeit, Mama rief ihm aus dem Nebenzimmer zu, daß sie sogleich erscheinen werde. Verwundert und bestürzt fragte er die Braut, was denn geschehen sei. Toni stützte zierlich den Kopf und verweigerte die Auskunft mit leichtem Zittern der Stimme. „Sag’s mir doch, ehe wir wieder gestört werden“ bat er eindringlich. Da kam es tropfenweise, gepreßt, halb schluchzend heraus, daß sie doch so – so oft voll Angst und Sorge vor der Zukunft sei – niemand habe als die Mama – und die werde auch täglich älter – und er – sie hätten doch keine Aussicht bis jetzt, sich zu vereinigen – bald müßten sie wieder fortreisen – die Zeit verginge – keinen Ball besuchen dürfen als verlobte Braut – und gerade in Karlsruhe, wo es so reizende Geselligkeit gibt! – Hausdörffer hatte athemlos zugehört. Etwas Bitteres und Verächtliches war in den Blicken, mit denen er das weinende Geschöpfchen betrachtete. Als sie aber zum Schluß zaghaft die Hände nach ihm ausstreckte und flüsterte: „Wenn ich meinen kleinen Peter nicht mehr zu verlassen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/159
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/159>, abgerufen am 15.05.2024.