Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

"Du willst doch nicht nach Dachau, Mama?"

"Ja, Toni, ich fahre nach Dachau, Du solltest es nicht wissen, aber es ist schon so, hab nur guten Muth! Willst Du nichts zu Nacht essen?"

Toni erklärte, daß sie unter diesen Umständen aufstehen könne. Sie saß dann in einem bänderbesetzten zierlichen Schlafrock mit dem Tuch um die Stirn in einem tiefen Lehnstuhl, wurde mit Bouillon und Pastetchen gepflegt und knabberte Bonbons bis Mitternacht.

"Wenn der dumme überspannte Mensch Dich nur so sähe, er würde etwas andres thun, als so schnell von Aufgeben sprechen! Der kann lange suchen, bis er etwas so Reizendes wiederfindet," nickte Mama.

Toni glänzte sie an, ihre Augen und Backen waren etwas fieberhaft heute Abend, sie sah wirklich ungewöhnlich reizend aus.

Ein schwarzes Spitzenkleid schien Mama das einzig Richtige für eine solche Expedition, und so fuhr sie denn in ihrem schwarzen Spitzenkleide und kokett ernsthaftem schwarzen Hütchen nach Dachau, um dem "lieben Doktor" den Kopf zurechtzusetzen. Da er seine Wohnung nicht weiter bezeichnet hatte, war die Sucherei mühselig, und das dörfliche Wirthshaus, in das sie endlich gewiesen wurde, flößte ihr geradezu Abscheu ein. Ein dunkler, dumpf riechender Gang, an dessen Ende eine Thür - das sollte Hausdörffers Wohnung

„Du willst doch nicht nach Dachau, Mama?“

„Ja, Toni, ich fahre nach Dachau, Du solltest es nicht wissen, aber es ist schon so, hab nur guten Muth! Willst Du nichts zu Nacht essen?“

Toni erklärte, daß sie unter diesen Umständen aufstehen könne. Sie saß dann in einem bänderbesetzten zierlichen Schlafrock mit dem Tuch um die Stirn in einem tiefen Lehnstuhl, wurde mit Bouillon und Pastetchen gepflegt und knabberte Bonbons bis Mitternacht.

„Wenn der dumme überspannte Mensch Dich nur so sähe, er würde etwas andres thun, als so schnell von Aufgeben sprechen! Der kann lange suchen, bis er etwas so Reizendes wiederfindet,“ nickte Mama.

Toni glänzte sie an, ihre Augen und Backen waren etwas fieberhaft heute Abend, sie sah wirklich ungewöhnlich reizend aus.

Ein schwarzes Spitzenkleid schien Mama das einzig Richtige für eine solche Expedition, und so fuhr sie denn in ihrem schwarzen Spitzenkleide und kokett ernsthaftem schwarzen Hütchen nach Dachau, um dem „lieben Doktor“ den Kopf zurechtzusetzen. Da er seine Wohnung nicht weiter bezeichnet hatte, war die Sucherei mühselig, und das dörfliche Wirthshaus, in das sie endlich gewiesen wurde, flößte ihr geradezu Abscheu ein. Ein dunkler, dumpf riechender Gang, an dessen Ende eine Thür – das sollte Hausdörffers Wohnung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0168" n="160"/>
        <p>&#x201E;Du willst doch nicht nach Dachau, Mama?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, Toni, ich fahre nach Dachau, Du solltest es nicht wissen, aber es ist schon so, hab nur guten Muth! Willst Du nichts zu Nacht essen?&#x201C;</p>
        <p>Toni erklärte, daß sie unter diesen Umständen aufstehen könne. Sie saß dann in einem bänderbesetzten zierlichen Schlafrock mit dem Tuch um die Stirn in einem tiefen Lehnstuhl, wurde mit Bouillon und Pastetchen gepflegt und knabberte Bonbons bis Mitternacht.</p>
        <p>&#x201E;Wenn der dumme überspannte Mensch Dich nur so sähe, er würde etwas andres thun, als so schnell von Aufgeben sprechen! Der kann lange suchen, bis er etwas so Reizendes wiederfindet,&#x201C; nickte Mama.</p>
        <p>Toni glänzte sie an, ihre Augen und Backen waren etwas fieberhaft heute Abend, sie sah wirklich ungewöhnlich reizend aus.</p>
        <p>Ein schwarzes Spitzenkleid schien Mama das einzig Richtige für eine solche Expedition, und so fuhr sie denn in ihrem schwarzen Spitzenkleide und kokett ernsthaftem schwarzen Hütchen nach Dachau, um dem &#x201E;lieben Doktor&#x201C; den Kopf zurechtzusetzen. Da er seine Wohnung nicht weiter bezeichnet hatte, war die Sucherei mühselig, und das dörfliche Wirthshaus, in das sie endlich gewiesen wurde, flößte ihr geradezu Abscheu ein. Ein dunkler, dumpf riechender Gang, an dessen Ende eine Thür &#x2013; das sollte Hausdörffers Wohnung
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[160/0168] „Du willst doch nicht nach Dachau, Mama?“ „Ja, Toni, ich fahre nach Dachau, Du solltest es nicht wissen, aber es ist schon so, hab nur guten Muth! Willst Du nichts zu Nacht essen?“ Toni erklärte, daß sie unter diesen Umständen aufstehen könne. Sie saß dann in einem bänderbesetzten zierlichen Schlafrock mit dem Tuch um die Stirn in einem tiefen Lehnstuhl, wurde mit Bouillon und Pastetchen gepflegt und knabberte Bonbons bis Mitternacht. „Wenn der dumme überspannte Mensch Dich nur so sähe, er würde etwas andres thun, als so schnell von Aufgeben sprechen! Der kann lange suchen, bis er etwas so Reizendes wiederfindet,“ nickte Mama. Toni glänzte sie an, ihre Augen und Backen waren etwas fieberhaft heute Abend, sie sah wirklich ungewöhnlich reizend aus. Ein schwarzes Spitzenkleid schien Mama das einzig Richtige für eine solche Expedition, und so fuhr sie denn in ihrem schwarzen Spitzenkleide und kokett ernsthaftem schwarzen Hütchen nach Dachau, um dem „lieben Doktor“ den Kopf zurechtzusetzen. Da er seine Wohnung nicht weiter bezeichnet hatte, war die Sucherei mühselig, und das dörfliche Wirthshaus, in das sie endlich gewiesen wurde, flößte ihr geradezu Abscheu ein. Ein dunkler, dumpf riechender Gang, an dessen Ende eine Thür – das sollte Hausdörffers Wohnung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/168
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/168>, abgerufen am 25.11.2024.