Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895."O Gott, jetzt kommt Adolf". Aber nein, es war Onkel Sally, der Geburtstagsonkel unzähliger junger Frauen und Mädchen, ein mumienhaftes hageres Männchen mit gefärbtem Bart und einer reichen schwarzen Perrücke, unter der die eingesunkenen Äuglein und die scharfe Hakennase gespenstisch bleich aussahen. Seine breite Unterlippe troff von süßen Reden und blühenden Wunschformeln, und all das richtete er zuerst an Annita, die er für das Geburtstagskind hielt, denn er war mit Severins ebensowenig verwandt, wie mit den übrigen Nichten seiner Wahl. Das junge Mädchen, das beständig an das gefürchtete Wiedersehen dachte, ließ alle Händedrücke über sich ergehen und zog sich erst zurück, als Onkel Sally sie väterlich auf die Stirn küssen wollte. Da schrie sie: "Adelheid! Adelheid! komm doch her", und verschanzte sich hinter den zwei Jungen, Max und Paul, die eben händereibend und mit knarrenden neuen Stiefeln hereinkamen. "Ist Adolf schon da?" fragte sie mit stockender Stimme und erröthendem Gesicht. "Nein, Dein Adolf ist noch nicht da", erwiderte Max laut und frech, und dann lachten die beiden Schlingel, bis sich alle verwundert nach ihnen umsahen. Oha, diese schreckliche Geschichte! Adelheid mochte die Honneurs machen, Annita fühlte sich zu beklommen hier; sie lief hinaus und suchte Mama Severin auf, die in der Kellerküche mit dem Apfelsinensalat beschäftigt war; Cäsar saß dünn und „O Gott, jetzt kommt Adolf“. Aber nein, es war Onkel Sally, der Geburtstagsonkel unzähliger junger Frauen und Mädchen, ein mumienhaftes hageres Männchen mit gefärbtem Bart und einer reichen schwarzen Perrücke, unter der die eingesunkenen Äuglein und die scharfe Hakennase gespenstisch bleich aussahen. Seine breite Unterlippe troff von süßen Reden und blühenden Wunschformeln, und all das richtete er zuerst an Annita, die er für das Geburtstagskind hielt, denn er war mit Severins ebensowenig verwandt, wie mit den übrigen Nichten seiner Wahl. Das junge Mädchen, das beständig an das gefürchtete Wiedersehen dachte, ließ alle Händedrücke über sich ergehen und zog sich erst zurück, als Onkel Sally sie väterlich auf die Stirn küssen wollte. Da schrie sie: „Adelheid! Adelheid! komm doch her“, und verschanzte sich hinter den zwei Jungen, Max und Paul, die eben händereibend und mit knarrenden neuen Stiefeln hereinkamen. „Ist Adolf schon da?“ fragte sie mit stockender Stimme und erröthendem Gesicht. „Nein, Dein Adolf ist noch nicht da“, erwiderte Max laut und frech, und dann lachten die beiden Schlingel, bis sich alle verwundert nach ihnen umsahen. Oha, diese schreckliche Geschichte! Adelheid mochte die Honneurs machen, Annita fühlte sich zu beklommen hier; sie lief hinaus und suchte Mama Severin auf, die in der Kellerküche mit dem Apfelsinensalat beschäftigt war; Cäsar saß dünn und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0235" n="227"/> „O Gott, jetzt kommt Adolf“. Aber nein, es war Onkel Sally, der Geburtstagsonkel unzähliger junger Frauen und Mädchen, ein mumienhaftes hageres Männchen mit gefärbtem Bart und einer reichen schwarzen Perrücke, unter der die eingesunkenen Äuglein und die scharfe Hakennase gespenstisch bleich aussahen. Seine breite Unterlippe troff von süßen Reden und blühenden Wunschformeln, und all das richtete er zuerst an Annita, die er für das Geburtstagskind hielt, denn er war mit Severins ebensowenig verwandt, wie mit den übrigen Nichten seiner Wahl. Das junge Mädchen, das beständig an das gefürchtete Wiedersehen dachte, ließ alle Händedrücke über sich ergehen und zog sich erst zurück, als Onkel Sally sie väterlich auf die Stirn küssen wollte. Da schrie sie: „Adelheid! Adelheid! komm doch her“, und verschanzte sich hinter den zwei Jungen, Max und Paul, die eben händereibend und mit knarrenden neuen Stiefeln hereinkamen. „Ist Adolf schon da?“ fragte sie mit stockender Stimme und erröthendem Gesicht. „Nein, <hi rendition="#g">Dein</hi> Adolf ist noch nicht da“, erwiderte Max laut und frech, und dann lachten die beiden Schlingel, bis sich alle verwundert nach ihnen umsahen. Oha, diese schreckliche Geschichte! Adelheid mochte die Honneurs machen, Annita fühlte sich zu beklommen hier; sie lief hinaus und suchte Mama Severin auf, die in der Kellerküche mit dem Apfelsinensalat beschäftigt war; Cäsar saß dünn und </p> </div> </body> </text> </TEI> [227/0235]
„O Gott, jetzt kommt Adolf“. Aber nein, es war Onkel Sally, der Geburtstagsonkel unzähliger junger Frauen und Mädchen, ein mumienhaftes hageres Männchen mit gefärbtem Bart und einer reichen schwarzen Perrücke, unter der die eingesunkenen Äuglein und die scharfe Hakennase gespenstisch bleich aussahen. Seine breite Unterlippe troff von süßen Reden und blühenden Wunschformeln, und all das richtete er zuerst an Annita, die er für das Geburtstagskind hielt, denn er war mit Severins ebensowenig verwandt, wie mit den übrigen Nichten seiner Wahl. Das junge Mädchen, das beständig an das gefürchtete Wiedersehen dachte, ließ alle Händedrücke über sich ergehen und zog sich erst zurück, als Onkel Sally sie väterlich auf die Stirn küssen wollte. Da schrie sie: „Adelheid! Adelheid! komm doch her“, und verschanzte sich hinter den zwei Jungen, Max und Paul, die eben händereibend und mit knarrenden neuen Stiefeln hereinkamen. „Ist Adolf schon da?“ fragte sie mit stockender Stimme und erröthendem Gesicht. „Nein, Dein Adolf ist noch nicht da“, erwiderte Max laut und frech, und dann lachten die beiden Schlingel, bis sich alle verwundert nach ihnen umsahen. Oha, diese schreckliche Geschichte! Adelheid mochte die Honneurs machen, Annita fühlte sich zu beklommen hier; sie lief hinaus und suchte Mama Severin auf, die in der Kellerküche mit dem Apfelsinensalat beschäftigt war; Cäsar saß dünn und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |