Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.vielleicht? Eine gebildete Frau? Wie alt ist sie, so beiläufig?" "Zwischen fünfzig und sechzig," sagte Iversen und klopfte gemächlich die Asche ab. Es gab ein allgemeines Zurückfahren. "Brr! da hört das Fragen auf! Oder ist sie Millionärin und will dich adoptiren?" "Ihr seid doch furchtbar fad," sagte Iversen verächtlich. "Wollen wir von etwas anderem sprechen?" Am nächsten Tage aber ward er mit lebhaften Zurufen von seiner Tischgesellschaft empfangen. "Also! weißt du, bei wem du wohnst? Weißt du, wie die Frau Doktorin Röslin von den Leuten genannt wird?" "Ach, das ist mir doch gleichgültig!" sagte Iversen. "Die Frau möcht' ich sehen, über die ihr nicht etwas zu klatschen wüßtet!" Er begann zu essen, während das Lachen noch lauter wurde. "Eine alte freundliche Frau, die keinem Menschen etwas zu leide thut; heute morgen um halb sieben, als ich zum Baden ausging, sah ich sie schon ganz drunten in der Stadt an einem Glockenzug hängen. Immer hat sie Leute zu besuchen, mit denen sie weinen oder sich freuen will. Besonders Mitfreude scheint ihre Specialität zu sein. Fortwährend hat sie Verlobungssträuße und Brautkränze zu binden." vielleicht? Eine gebildete Frau? Wie alt ist sie, so beiläufig?“ „Zwischen fünfzig und sechzig,“ sagte Iversen und klopfte gemächlich die Asche ab. Es gab ein allgemeines Zurückfahren. „Brr! da hört das Fragen auf! Oder ist sie Millionärin und will dich adoptiren?“ „Ihr seid doch furchtbar fad,“ sagte Iversen verächtlich. „Wollen wir von etwas anderem sprechen?“ Am nächsten Tage aber ward er mit lebhaften Zurufen von seiner Tischgesellschaft empfangen. „Also! weißt du, bei wem du wohnst? Weißt du, wie die Frau Doktorin Röslin von den Leuten genannt wird?“ „Ach, das ist mir doch gleichgültig!“ sagte Iversen. „Die Frau möcht’ ich sehen, über die ihr nicht etwas zu klatschen wüßtet!“ Er begann zu essen, während das Lachen noch lauter wurde. „Eine alte freundliche Frau, die keinem Menschen etwas zu leide thut; heute morgen um halb sieben, als ich zum Baden ausging, sah ich sie schon ganz drunten in der Stadt an einem Glockenzug hängen. Immer hat sie Leute zu besuchen, mit denen sie weinen oder sich freuen will. Besonders Mitfreude scheint ihre Specialität zu sein. Fortwährend hat sie Verlobungssträuße und Brautkränze zu binden.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0027" n="19"/> vielleicht? Eine gebildete Frau? Wie alt ist sie, so beiläufig?“</p> <p>„Zwischen fünfzig und sechzig,“ sagte Iversen und klopfte gemächlich die Asche ab.</p> <p>Es gab ein allgemeines Zurückfahren. <choice><sic/><corr>„</corr></choice>Brr! da hört das Fragen auf! Oder ist sie Millionärin und will dich adoptiren?“</p> <p>„Ihr seid doch furchtbar fad,“ sagte Iversen verächtlich. „Wollen wir von etwas anderem sprechen?“</p> <p>Am nächsten Tage aber ward er mit lebhaften Zurufen von seiner Tischgesellschaft empfangen.</p> <p>„Also! weißt du, bei wem du wohnst? Weißt du, wie die Frau Doktorin Röslin von den Leuten genannt wird?“</p> <p>„Ach, das ist <hi rendition="#g">mir</hi> doch gleichgültig!“ sagte Iversen. „Die Frau möcht’ ich sehen, über die ihr nicht etwas zu klatschen wüßtet!“</p> <p>Er begann zu essen, während das Lachen noch lauter wurde.</p> <p>„Eine alte freundliche Frau, die keinem Menschen etwas zu leide thut; heute morgen um halb sieben, als ich zum Baden ausging, sah ich sie schon ganz drunten in der Stadt an einem Glockenzug hängen. Immer hat sie Leute zu besuchen, mit denen sie weinen oder sich freuen will. Besonders Mitfreude scheint ihre Specialität zu sein. Fortwährend hat sie Verlobungssträuße und Brautkränze zu binden.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [19/0027]
vielleicht? Eine gebildete Frau? Wie alt ist sie, so beiläufig?“
„Zwischen fünfzig und sechzig,“ sagte Iversen und klopfte gemächlich die Asche ab.
Es gab ein allgemeines Zurückfahren. „Brr! da hört das Fragen auf! Oder ist sie Millionärin und will dich adoptiren?“
„Ihr seid doch furchtbar fad,“ sagte Iversen verächtlich. „Wollen wir von etwas anderem sprechen?“
Am nächsten Tage aber ward er mit lebhaften Zurufen von seiner Tischgesellschaft empfangen.
„Also! weißt du, bei wem du wohnst? Weißt du, wie die Frau Doktorin Röslin von den Leuten genannt wird?“
„Ach, das ist mir doch gleichgültig!“ sagte Iversen. „Die Frau möcht’ ich sehen, über die ihr nicht etwas zu klatschen wüßtet!“
Er begann zu essen, während das Lachen noch lauter wurde.
„Eine alte freundliche Frau, die keinem Menschen etwas zu leide thut; heute morgen um halb sieben, als ich zum Baden ausging, sah ich sie schon ganz drunten in der Stadt an einem Glockenzug hängen. Immer hat sie Leute zu besuchen, mit denen sie weinen oder sich freuen will. Besonders Mitfreude scheint ihre Specialität zu sein. Fortwährend hat sie Verlobungssträuße und Brautkränze zu binden.“
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