Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

gestreckten Armen unter die Hängelampe hielt, erntete beleidigte Blicke von all den Jungen - sie hatten sämmtlich Verstand von der Bekleidungsfrage, und besonders der blasse Cäsar wurde Rath gefragt, wenn Mama nicht wußte, ob sie lachsfarbene oder mattblaue Bändchen nehmen wollte.

Die Thür ging plötzlich auf, ohne Klopfen, und herein trat Adolf, den Hut in der Hand, fast im Laufschritt; Annita, die mit dem Rücken gegen die Thür saß, hörte den Ausruf der Mama: "Herrjes, Adolf! sieh, bist Du besser? wo kommst Du denn her?" "Guten Abend!" Er stand da, drehte den Hut - Annita, deren Herzschlag einen Augenblick ausgesetzt hatte, wagte einen verstohlenen Blick. Nein, nein, nein! das war nicht der Mann mit den Flügeln, es kam herunter wie kalter Regen, ihr wurde auf einmal so fremd und traurig und kühl!

Dunkelroth und glänzend stand er da; es war ein ungewohnter ungewöhnlicher Ausdruck in den jetzt offenen Augen und besonders um den Mund, etwas Gehobenes, Feierliches, Verklärtes, dazwischen aber eine putzige Verlegenheit, wie er sich so steif hielt und den Stuhl, den sie ihm hinschoben, ganz unbeachtet ließ.

"Könnte ich Dich vielleicht einen Augenblick sprechen, Tante oder Onkel?" seine Stimme war heiser vor Aufregung.

"Es ist doch kein Unglück passirt?" sagte der

gestreckten Armen unter die Hängelampe hielt, erntete beleidigte Blicke von all den Jungen – sie hatten sämmtlich Verstand von der Bekleidungsfrage, und besonders der blasse Cäsar wurde Rath gefragt, wenn Mama nicht wußte, ob sie lachsfarbene oder mattblaue Bändchen nehmen wollte.

Die Thür ging plötzlich auf, ohne Klopfen, und herein trat Adolf, den Hut in der Hand, fast im Laufschritt; Annita, die mit dem Rücken gegen die Thür saß, hörte den Ausruf der Mama: „Herrjes, Adolf! sieh, bist Du besser? wo kommst Du denn her?“ „Guten Abend!“ Er stand da, drehte den Hut – Annita, deren Herzschlag einen Augenblick ausgesetzt hatte, wagte einen verstohlenen Blick. Nein, nein, nein! das war nicht der Mann mit den Flügeln, es kam herunter wie kalter Regen, ihr wurde auf einmal so fremd und traurig und kühl!

Dunkelroth und glänzend stand er da; es war ein ungewohnter ungewöhnlicher Ausdruck in den jetzt offenen Augen und besonders um den Mund, etwas Gehobenes, Feierliches, Verklärtes, dazwischen aber eine putzige Verlegenheit, wie er sich so steif hielt und den Stuhl, den sie ihm hinschoben, ganz unbeachtet ließ.

„Könnte ich Dich vielleicht einen Augenblick sprechen, Tante oder Onkel?“ seine Stimme war heiser vor Aufregung.

„Es ist doch kein Unglück passirt?“ sagte der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0274" n="266"/>
gestreckten Armen unter die Hängelampe hielt, erntete beleidigte Blicke von all den Jungen &#x2013; sie hatten sämmtlich Verstand von der Bekleidungsfrage, und besonders der blasse Cäsar wurde Rath gefragt, wenn Mama nicht wußte, ob sie lachsfarbene oder mattblaue Bändchen nehmen wollte.</p>
        <p>Die Thür ging plötzlich auf, ohne Klopfen, und herein trat Adolf, den Hut in der Hand, fast im Laufschritt; Annita, die mit dem Rücken gegen die Thür saß, hörte den Ausruf der Mama: &#x201E;Herrjes, Adolf! sieh, bist Du besser? wo kommst Du denn her?&#x201C; &#x201E;Guten Abend!&#x201C; Er stand da, drehte den Hut &#x2013; Annita, deren Herzschlag einen Augenblick ausgesetzt hatte, wagte einen verstohlenen Blick. Nein, nein, nein! das war nicht der Mann mit den Flügeln, es kam herunter wie kalter Regen, ihr wurde auf einmal so fremd und traurig und kühl!</p>
        <p>Dunkelroth und glänzend stand er da; es war ein ungewohnter ungewöhnlicher Ausdruck in den jetzt offenen Augen und besonders um den Mund, etwas Gehobenes, Feierliches, Verklärtes, dazwischen aber eine putzige Verlegenheit, wie er sich so steif hielt und den Stuhl, den sie ihm hinschoben, ganz unbeachtet ließ.</p>
        <p>&#x201E;Könnte ich Dich vielleicht einen Augenblick sprechen, Tante oder Onkel?&#x201C; seine Stimme war heiser vor Aufregung.</p>
        <p>&#x201E;Es ist doch kein Unglück passirt?&#x201C; sagte der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0274] gestreckten Armen unter die Hängelampe hielt, erntete beleidigte Blicke von all den Jungen – sie hatten sämmtlich Verstand von der Bekleidungsfrage, und besonders der blasse Cäsar wurde Rath gefragt, wenn Mama nicht wußte, ob sie lachsfarbene oder mattblaue Bändchen nehmen wollte. Die Thür ging plötzlich auf, ohne Klopfen, und herein trat Adolf, den Hut in der Hand, fast im Laufschritt; Annita, die mit dem Rücken gegen die Thür saß, hörte den Ausruf der Mama: „Herrjes, Adolf! sieh, bist Du besser? wo kommst Du denn her?“ „Guten Abend!“ Er stand da, drehte den Hut – Annita, deren Herzschlag einen Augenblick ausgesetzt hatte, wagte einen verstohlenen Blick. Nein, nein, nein! das war nicht der Mann mit den Flügeln, es kam herunter wie kalter Regen, ihr wurde auf einmal so fremd und traurig und kühl! Dunkelroth und glänzend stand er da; es war ein ungewohnter ungewöhnlicher Ausdruck in den jetzt offenen Augen und besonders um den Mund, etwas Gehobenes, Feierliches, Verklärtes, dazwischen aber eine putzige Verlegenheit, wie er sich so steif hielt und den Stuhl, den sie ihm hinschoben, ganz unbeachtet ließ. „Könnte ich Dich vielleicht einen Augenblick sprechen, Tante oder Onkel?“ seine Stimme war heiser vor Aufregung. „Es ist doch kein Unglück passirt?“ sagte der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/274
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/274>, abgerufen am 22.11.2024.