Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.fieberroth, immer wieder ringt sie die Hände. Schaible ist nicht minder erschüttert; die Emilie Leuthäuser war ja sein Liebling gewesen, soweit das ein anderes Kind neben der Lotte sein konnte. Es ist wie ein böser Traum, daß solch ein feuriges, schönes Geschöpf im kalten Wasser soll erloschen sein wie eine Rakete. Er sieht die brennenden Blicke, fühlt noch die heißen Finger des armen Kindes, die so schmerzhaft drückten, wenn sie Abschied nahm. "Warum denn, warum?" "Ja, warum Weil die Stimm' fort war! Weißt net, wie sie zur Lotte g'sagt hat: ,Nur keine mediocrite werden! Lieber todt als halb leben.' "Ja, das hat sie gesagt; aber was so e' junges Ding daherredet, - - Hab i' auch denkt! Aber Mann, der war's Ernst! An dem Platz im Gras hat e munzig klein's Notizbüchle g'lege, d'rin steht: "Ich gehe, meine verlorene Musik zu suchen." "O du mein Heiland! Ist's heute geschehen?" "Gestern schon. Die Pflegemutter war vorhin hier; das ist e Jammer." "Ach, die Pflegemutter! Ja, die! Wer weiß, wie's gegangen wär' - - ." "Freilich, freilich! Ihr wär's schon recht gewesen, wenn die Emilie nur immer brav gekocht und geputzt hätt' 'n lieben, langen Tag. Sie hat mir noch heut' g'sagt: "Die Stimm', das ist der Emilie ihr Unglück fieberroth, immer wieder ringt sie die Hände. Schaible ist nicht minder erschüttert; die Emilie Leuthäuser war ja sein Liebling gewesen, soweit das ein anderes Kind neben der Lotte sein konnte. Es ist wie ein böser Traum, daß solch ein feuriges, schönes Geschöpf im kalten Wasser soll erloschen sein wie eine Rakete. Er sieht die brennenden Blicke, fühlt noch die heißen Finger des armen Kindes, die so schmerzhaft drückten, wenn sie Abschied nahm. „Warum denn, warum?“ „Ja, warum Weil die Stimm’ fort war! Weißt net, wie sie zur Lotte g’sagt hat: ‚Nur keine médiocrité werden! Lieber todt als halb leben.’ „Ja, das hat sie gesagt; aber was so e’ junges Ding daherredet, – – Hab i’ auch denkt! Aber Mann, der war’s Ernst! An dem Platz im Gras hat e munzig klein’s Notizbüchle g’lege, d’rin steht: „Ich gehe, meine verlorene Musik zu suchen.“ „O du mein Heiland! Ist’s heute geschehen?“ „Gestern schon. Die Pflegemutter war vorhin hier; das ist e Jammer.“ „Ach, die Pflegemutter! Ja, die! Wer weiß, wie’s gegangen wär’ – – .“ „Freilich, freilich! Ihr wär’s schon recht gewesen, wenn die Emilie nur immer brav gekocht und geputzt hätt’ ’n lieben, langen Tag. Sie hat mir noch heut’ g’sagt: „Die Stimm’, das ist der Emilie ihr Unglück <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0290" n="282"/> fieberroth, immer wieder ringt sie die Hände. Schaible ist nicht minder erschüttert; die Emilie Leuthäuser war ja sein Liebling gewesen, soweit das ein anderes Kind neben der Lotte sein konnte. Es ist wie ein böser Traum, daß solch ein feuriges, schönes Geschöpf im kalten Wasser soll erloschen sein wie eine Rakete. Er sieht die brennenden Blicke, fühlt noch die heißen Finger des armen Kindes, die so schmerzhaft drückten, wenn sie Abschied nahm.</p> <p>„Warum denn, warum?“</p> <p>„Ja, warum Weil die Stimm’ fort war! Weißt net, wie sie zur Lotte g’sagt hat: ‚Nur keine médiocrité werden! Lieber todt als halb leben.’ „Ja, das hat sie gesagt; aber was so e’ junges Ding daherredet, – – Hab i’ auch denkt! Aber Mann, der war’s Ernst! An dem Platz im Gras hat e munzig klein’s Notizbüchle g’lege, d’rin steht: „Ich gehe, meine verlorene Musik zu suchen.“</p> <p>„O du mein Heiland! Ist’s heute geschehen?“</p> <p>„Gestern schon. Die Pflegemutter war vorhin hier; das ist e Jammer.“</p> <p>„Ach, die Pflegemutter! Ja, die! Wer weiß, wie’s gegangen wär’ – – .“</p> <p>„Freilich, freilich! Ihr wär’s schon recht gewesen, wenn die Emilie nur immer brav gekocht und geputzt hätt’ ’n lieben, langen Tag. Sie hat mir noch heut’ g’sagt: „Die Stimm’, das ist der Emilie ihr Unglück </p> </div> </body> </text> </TEI> [282/0290]
fieberroth, immer wieder ringt sie die Hände. Schaible ist nicht minder erschüttert; die Emilie Leuthäuser war ja sein Liebling gewesen, soweit das ein anderes Kind neben der Lotte sein konnte. Es ist wie ein böser Traum, daß solch ein feuriges, schönes Geschöpf im kalten Wasser soll erloschen sein wie eine Rakete. Er sieht die brennenden Blicke, fühlt noch die heißen Finger des armen Kindes, die so schmerzhaft drückten, wenn sie Abschied nahm.
„Warum denn, warum?“
„Ja, warum Weil die Stimm’ fort war! Weißt net, wie sie zur Lotte g’sagt hat: ‚Nur keine médiocrité werden! Lieber todt als halb leben.’ „Ja, das hat sie gesagt; aber was so e’ junges Ding daherredet, – – Hab i’ auch denkt! Aber Mann, der war’s Ernst! An dem Platz im Gras hat e munzig klein’s Notizbüchle g’lege, d’rin steht: „Ich gehe, meine verlorene Musik zu suchen.“
„O du mein Heiland! Ist’s heute geschehen?“
„Gestern schon. Die Pflegemutter war vorhin hier; das ist e Jammer.“
„Ach, die Pflegemutter! Ja, die! Wer weiß, wie’s gegangen wär’ – – .“
„Freilich, freilich! Ihr wär’s schon recht gewesen, wenn die Emilie nur immer brav gekocht und geputzt hätt’ ’n lieben, langen Tag. Sie hat mir noch heut’ g’sagt: „Die Stimm’, das ist der Emilie ihr Unglück
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |