Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.still und heimlich trauen. - Es verging ein halbes Jahr, ehe sie zusammenziehen konnten, was sehr zur Verwunderung der Hausleute geschah, die ihr Verhältniß erst dann erfuhren. Seitdem Schaible die untergeordnete, aber sichere Stellung als Souffleur bekommen, datierte der gemeinsame Haushalt. Lotte, das einzige, ihnen bescherte Kind, ward in einer zärtlichen Einsiedelei auferzogen, die Dritte im Bunde, Kind, Liebling, Abgott, Lebenshoffnung, Glück und Stolz. Und nun sie missen sollen, so lange schon! Hermine Schaible kämpfte mir Thränen, das Gesicht tief über ihre Hände gebeugt. Da zuckte, wie ein Sonnenblitz, der Sopran auf, ein wunderbar süßer, schmelzender Sopran, eine kinderreine, jauchzende Stimme: ,Mit Staunen sieht das Wunderwerk der Himmelsbürger frohe Schar', - wie Lerchenlied über frisch begrünter Ackerscholle klang es. "Wer singt den Gabriel?" flüsterte Schaible seiner Frau zu. "I weiß net, 's muß vom Cäcilien-Verein - - ," dann legte sie leicht die Finger an die Lippen, die Thränen waren versiegt. ,Frühling' hauchte sie in sich hinein. Ein leiser, kühler Schauer fuhr ihr über den Nacken; sie athmete tief, war ganz hingegeben an die leuchtenden, fortreißenden Osterklänge. ,nun beut die Flur das frische Grün', - begann die sanfte Arie des Soprans. still und heimlich trauen. – Es verging ein halbes Jahr, ehe sie zusammenziehen konnten, was sehr zur Verwunderung der Hausleute geschah, die ihr Verhältniß erst dann erfuhren. Seitdem Schaible die untergeordnete, aber sichere Stellung als Souffleur bekommen, datierte der gemeinsame Haushalt. Lotte, das einzige, ihnen bescherte Kind, ward in einer zärtlichen Einsiedelei auferzogen, die Dritte im Bunde, Kind, Liebling, Abgott, Lebenshoffnung, Glück und Stolz. Und nun sie missen sollen, so lange schon! Hermine Schaible kämpfte mir Thränen, das Gesicht tief über ihre Hände gebeugt. Da zuckte, wie ein Sonnenblitz, der Sopran auf, ein wunderbar süßer, schmelzender Sopran, eine kinderreine, jauchzende Stimme: ‚Mit Staunen sieht das Wunderwerk der Himmelsbürger frohe Schar‘, – wie Lerchenlied über frisch begrünter Ackerscholle klang es. „Wer singt den Gabriel?“ flüsterte Schaible seiner Frau zu. „I weiß net, ’s muß vom Cäcilien-Verein – – ,“ dann legte sie leicht die Finger an die Lippen, die Thränen waren versiegt. ‚Frühling‘ hauchte sie in sich hinein. Ein leiser, kühler Schauer fuhr ihr über den Nacken; sie athmete tief, war ganz hingegeben an die leuchtenden, fortreißenden Osterklänge. ‚nun beut die Flur das frische Grün‘, – begann die sanfte Arie des Soprans. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0302" n="294"/> still und heimlich trauen. – Es verging ein halbes Jahr, ehe sie zusammenziehen konnten, was sehr zur Verwunderung der Hausleute geschah, die ihr Verhältniß erst dann erfuhren. Seitdem Schaible die untergeordnete, aber sichere Stellung als Souffleur bekommen, datierte der gemeinsame Haushalt. Lotte, das einzige, ihnen bescherte Kind, ward in einer zärtlichen Einsiedelei auferzogen, die Dritte im Bunde, Kind, Liebling, Abgott, Lebenshoffnung, Glück und Stolz. Und nun sie missen sollen, so lange schon!</p> <p>Hermine Schaible kämpfte mir Thränen, das Gesicht tief über ihre Hände gebeugt. Da zuckte, wie ein Sonnenblitz, der Sopran auf, ein wunderbar süßer, schmelzender Sopran, eine kinderreine, jauchzende Stimme: ‚Mit Staunen sieht das Wunderwerk der Himmelsbürger frohe Schar‘, – wie Lerchenlied über frisch begrünter Ackerscholle klang es.</p> <p>„Wer singt den Gabriel?“ flüsterte Schaible seiner Frau zu.</p> <p>„I weiß net, ’s muß vom Cäcilien-Verein – – ,“ dann legte sie leicht die Finger an die Lippen, die Thränen waren versiegt. ‚Frühling‘ hauchte sie in sich hinein. Ein leiser, kühler Schauer fuhr ihr über den Nacken; sie athmete tief, war ganz hingegeben an die leuchtenden, fortreißenden Osterklänge. ‚nun beut die Flur das frische Grün‘, – begann die sanfte Arie des Soprans.</p> </div> </body> </text> </TEI> [294/0302]
still und heimlich trauen. – Es verging ein halbes Jahr, ehe sie zusammenziehen konnten, was sehr zur Verwunderung der Hausleute geschah, die ihr Verhältniß erst dann erfuhren. Seitdem Schaible die untergeordnete, aber sichere Stellung als Souffleur bekommen, datierte der gemeinsame Haushalt. Lotte, das einzige, ihnen bescherte Kind, ward in einer zärtlichen Einsiedelei auferzogen, die Dritte im Bunde, Kind, Liebling, Abgott, Lebenshoffnung, Glück und Stolz. Und nun sie missen sollen, so lange schon!
Hermine Schaible kämpfte mir Thränen, das Gesicht tief über ihre Hände gebeugt. Da zuckte, wie ein Sonnenblitz, der Sopran auf, ein wunderbar süßer, schmelzender Sopran, eine kinderreine, jauchzende Stimme: ‚Mit Staunen sieht das Wunderwerk der Himmelsbürger frohe Schar‘, – wie Lerchenlied über frisch begrünter Ackerscholle klang es.
„Wer singt den Gabriel?“ flüsterte Schaible seiner Frau zu.
„I weiß net, ’s muß vom Cäcilien-Verein – – ,“ dann legte sie leicht die Finger an die Lippen, die Thränen waren versiegt. ‚Frühling‘ hauchte sie in sich hinein. Ein leiser, kühler Schauer fuhr ihr über den Nacken; sie athmete tief, war ganz hingegeben an die leuchtenden, fortreißenden Osterklänge. ‚nun beut die Flur das frische Grün‘, – begann die sanfte Arie des Soprans.
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