Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895."Wirst mir doch nicht ohnmächtig, Mama?" Sie warf den Reisemantel hinter sich und stand in ihrem hellblauen, knappen Foulard-Kleidchen, das Filzhütchen schief auf dem Kopfe, mit glühenden Wangen und Siegesglanz in den Augen, vor den Eltern. Dann beugte sie sich zu der Mutter, um ihr das Hutband auseinander zu zupfen und sie heiß und verstohlen zu küssen. "Ihr habt mich doch hoffentlich nicht zu früh erkannt? Nein, wißt Ihr, Ihr solltet erst mal ganz unparteiisch prüfen, ob ich 'was los habe! Wie ich hergekommen bin? Ja, die Geschichte ist wenigstens zwei Meter lang. Aber das ist ja alles Nebensache! Wie gefällt Euch denn der Sopran aus Frankfurt? Fräulein L. S., hm? Es war eigentlich ziemlich durchsichtig, nicht? Was? Nicht 'mal 'n Programm gehabt? O Papa, Mama, Ihr seid doch auch kein bißchen schlau! Habt wirklich geglaubt, ich ließe mich halten?" - - "Kind, alle Deine Primeln auf dem Schloßplatz blühen," sagte Schaible mit wankender Stimme. Draußen lag schon Alles im Schatten, aber auf dem hochgehaltenen Kranze der Fortuna schimmerte noch ein heller, glänzender Sonnenpunkt. [Abbildung]„Wirst mir doch nicht ohnmächtig, Mama?“ Sie warf den Reisemantel hinter sich und stand in ihrem hellblauen, knappen Foulard-Kleidchen, das Filzhütchen schief auf dem Kopfe, mit glühenden Wangen und Siegesglanz in den Augen, vor den Eltern. Dann beugte sie sich zu der Mutter, um ihr das Hutband auseinander zu zupfen und sie heiß und verstohlen zu küssen. „Ihr habt mich doch hoffentlich nicht zu früh erkannt? Nein, wißt Ihr, Ihr solltet erst mal ganz unparteiisch prüfen, ob ich ’was los habe! Wie ich hergekommen bin? Ja, die Geschichte ist wenigstens zwei Meter lang. Aber das ist ja alles Nebensache! Wie gefällt Euch denn der Sopran aus Frankfurt? Fräulein L. S., hm? Es war eigentlich ziemlich durchsichtig, nicht? Was? Nicht ’mal ’n Programm gehabt? O Papa, Mama, Ihr seid doch auch kein bißchen schlau! Habt wirklich geglaubt, ich ließe mich halten?“ – – „Kind, alle Deine Primeln auf dem Schloßplatz blühen,“ sagte Schaible mit wankender Stimme. Draußen lag schon Alles im Schatten, aber auf dem hochgehaltenen Kranze der Fortuna schimmerte noch ein heller, glänzender Sonnenpunkt. [Abbildung]<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0307" n="299"/> <p>„Wirst mir doch nicht ohnmächtig, Mama?“</p> <p>Sie warf den Reisemantel hinter sich und stand in ihrem hellblauen, knappen Foulard-Kleidchen, das Filzhütchen schief auf dem Kopfe, mit glühenden Wangen und Siegesglanz in den Augen, vor den Eltern. Dann beugte sie sich zu der Mutter, um ihr das Hutband auseinander zu zupfen und sie heiß und verstohlen zu küssen.</p> <p>„Ihr habt mich doch hoffentlich nicht zu früh erkannt? Nein, wißt Ihr, Ihr solltet erst mal ganz unparteiisch prüfen, ob ich ’was los habe! Wie ich hergekommen bin? Ja, die Geschichte ist wenigstens zwei Meter lang. Aber das ist ja alles Nebensache! Wie gefällt Euch denn der Sopran aus Frankfurt? Fräulein L. S., hm? Es war eigentlich ziemlich durchsichtig, nicht? Was? Nicht ’mal ’n Programm gehabt? O Papa, Mama, Ihr seid doch auch kein bißchen schlau! Habt wirklich geglaubt, ich ließe mich halten?“ – –</p> <p>„Kind, alle Deine Primeln auf dem Schloßplatz blühen,“ sagte Schaible mit wankender Stimme. Draußen lag schon Alles im Schatten, aber auf dem hochgehaltenen Kranze der Fortuna schimmerte noch ein heller, glänzender Sonnenpunkt.</p> <figure/><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [299/0307]
„Wirst mir doch nicht ohnmächtig, Mama?“
Sie warf den Reisemantel hinter sich und stand in ihrem hellblauen, knappen Foulard-Kleidchen, das Filzhütchen schief auf dem Kopfe, mit glühenden Wangen und Siegesglanz in den Augen, vor den Eltern. Dann beugte sie sich zu der Mutter, um ihr das Hutband auseinander zu zupfen und sie heiß und verstohlen zu küssen.
„Ihr habt mich doch hoffentlich nicht zu früh erkannt? Nein, wißt Ihr, Ihr solltet erst mal ganz unparteiisch prüfen, ob ich ’was los habe! Wie ich hergekommen bin? Ja, die Geschichte ist wenigstens zwei Meter lang. Aber das ist ja alles Nebensache! Wie gefällt Euch denn der Sopran aus Frankfurt? Fräulein L. S., hm? Es war eigentlich ziemlich durchsichtig, nicht? Was? Nicht ’mal ’n Programm gehabt? O Papa, Mama, Ihr seid doch auch kein bißchen schlau! Habt wirklich geglaubt, ich ließe mich halten?“ – –
„Kind, alle Deine Primeln auf dem Schloßplatz blühen,“ sagte Schaible mit wankender Stimme. Draußen lag schon Alles im Schatten, aber auf dem hochgehaltenen Kranze der Fortuna schimmerte noch ein heller, glänzender Sonnenpunkt.
[Abbildung]
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |