Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Unsere dumme kleine Post schickt es uns doch ins Haus, wenn Du das Paket selbst postlagernd adressirtest! Ich habe schon hin und her gesonnen, und endlich ist mir die gute Steenbocken eingefallen, Du weißt wohl, unsere alte Näherin, die den Papagei hat. Wir waren auch mal da, während Du hier warst, und der Lora zackte Deinen Strohhut so schön aus, den Du übern Käfig gehängt hattest! Steenbocken wundert sich über nichts, was ich thue, das ist eine treue Seele. Wir sprechen immer über Himmel und Erde, wenn wir zusammen sind; und ich wundere mich oft, wie viel Interesse sie an Dingen nimmt, die ihr doch so fern und unklar sind. Ach, geht es denn mir besser? Du glaubst nicht, Axel, was für eine Wuth ich habe zu lernen! Ich gebe jetzt Trude und Frieda Naturgeschichtsstunde, denk Dir. Die Kinder sind süß dabei, aber die Lehrerin taugt nicht! Ich kann ihnen oft die einfachsten Dinge nicht beantworten, und dann schäme ich mich so vor mir selbst, daß ich stottere und roth werde. Auch ein paar älteren Damen hier gebe ich Botanikstunde; frech von mir, nicht? Aber sie meinten plötzlich, die Namen der hier wachsenden Pflanzen sollte doch eigentlich jeder Mensch wissen, na - und da konnte ich ihnen doch so ziemlich dienen. Eine gräßliche Angst, diese Stunde! Mühsam, mühsam bereite ich mich vor, und nachher fühle ich bei jedem Wort, das ich sage, wie eng mein Wissen ist, ich lebe Unsere dumme kleine Post schickt es uns doch ins Haus, wenn Du das Paket selbst postlagernd adressirtest! Ich habe schon hin und her gesonnen, und endlich ist mir die gute Steenbocken eingefallen, Du weißt wohl, unsere alte Näherin, die den Papagei hat. Wir waren auch mal da, während Du hier warst, und der Lora zackte Deinen Strohhut so schön aus, den Du übern Käfig gehängt hattest! Steenbocken wundert sich über nichts, was ich thue, das ist eine treue Seele. Wir sprechen immer über Himmel und Erde, wenn wir zusammen sind; und ich wundere mich oft, wie viel Interesse sie an Dingen nimmt, die ihr doch so fern und unklar sind. Ach, geht es denn mir besser? Du glaubst nicht, Axel, was für eine Wuth ich habe zu lernen! Ich gebe jetzt Trude und Frieda Naturgeschichtsstunde, denk Dir. Die Kinder sind süß dabei, aber die Lehrerin taugt nicht! Ich kann ihnen oft die einfachsten Dinge nicht beantworten, und dann schäme ich mich so vor mir selbst, daß ich stottere und roth werde. Auch ein paar älteren Damen hier gebe ich Botanikstunde; frech von mir, nicht? Aber sie meinten plötzlich, die Namen der hier wachsenden Pflanzen sollte doch eigentlich jeder Mensch wissen, na – und da konnte ich ihnen doch so ziemlich dienen. Eine gräßliche Angst, diese Stunde! Mühsam, mühsam bereite ich mich vor, und nachher fühle ich bei jedem Wort, das ich sage, wie eng mein Wissen ist, ich lebe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0315" n="307"/> Unsere dumme kleine Post schickt es uns doch ins Haus, wenn Du das Paket selbst postlagernd adressirtest! Ich habe schon hin und her gesonnen, und endlich ist mir die gute Steenbocken eingefallen, Du weißt wohl, unsere alte Näherin, die den Papagei hat. Wir waren auch mal da, während Du hier warst, und der Lora zackte Deinen Strohhut so schön aus, den Du übern Käfig gehängt hattest! Steenbocken wundert sich über nichts, was ich thue, das ist eine treue Seele. Wir sprechen immer über Himmel und Erde, wenn wir zusammen sind; und ich wundere mich oft, wie viel Interesse sie an Dingen nimmt, die ihr doch so fern und unklar sind. Ach, geht es denn mir besser? Du glaubst nicht, Axel, was für eine Wuth ich habe zu lernen! Ich gebe jetzt Trude und Frieda Naturgeschichtsstunde, denk Dir. Die Kinder sind süß dabei, aber die Lehrerin taugt nicht! Ich kann ihnen oft die einfachsten Dinge nicht beantworten, und dann schäme ich mich so vor mir selbst, daß ich stottere und roth werde. Auch ein paar älteren Damen hier gebe ich Botanikstunde; frech von mir, nicht? Aber sie meinten plötzlich, die Namen der hier wachsenden Pflanzen sollte doch eigentlich jeder Mensch wissen, na – und da konnte ich ihnen doch so ziemlich dienen. Eine gräßliche Angst, diese Stunde! Mühsam, mühsam bereite ich mich vor, und nachher fühle ich bei jedem Wort, das ich sage, wie eng mein Wissen ist, ich lebe </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [307/0315]
Unsere dumme kleine Post schickt es uns doch ins Haus, wenn Du das Paket selbst postlagernd adressirtest! Ich habe schon hin und her gesonnen, und endlich ist mir die gute Steenbocken eingefallen, Du weißt wohl, unsere alte Näherin, die den Papagei hat. Wir waren auch mal da, während Du hier warst, und der Lora zackte Deinen Strohhut so schön aus, den Du übern Käfig gehängt hattest! Steenbocken wundert sich über nichts, was ich thue, das ist eine treue Seele. Wir sprechen immer über Himmel und Erde, wenn wir zusammen sind; und ich wundere mich oft, wie viel Interesse sie an Dingen nimmt, die ihr doch so fern und unklar sind. Ach, geht es denn mir besser? Du glaubst nicht, Axel, was für eine Wuth ich habe zu lernen! Ich gebe jetzt Trude und Frieda Naturgeschichtsstunde, denk Dir. Die Kinder sind süß dabei, aber die Lehrerin taugt nicht! Ich kann ihnen oft die einfachsten Dinge nicht beantworten, und dann schäme ich mich so vor mir selbst, daß ich stottere und roth werde. Auch ein paar älteren Damen hier gebe ich Botanikstunde; frech von mir, nicht? Aber sie meinten plötzlich, die Namen der hier wachsenden Pflanzen sollte doch eigentlich jeder Mensch wissen, na – und da konnte ich ihnen doch so ziemlich dienen. Eine gräßliche Angst, diese Stunde! Mühsam, mühsam bereite ich mich vor, und nachher fühle ich bei jedem Wort, das ich sage, wie eng mein Wissen ist, ich lebe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |