Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie zögerte mit der Antwort, erröthend wie ein junges Mädchen.

"Ich war sehr erschrocken und bin es noch. Ich wußte gar nicht, daß es so traurig in der Welt aussieht, man begreift nicht, wo das einmal hinaus soll; der erste Redner hat das so düster hingestellt - ich war recht froh, als dann die jungen Leute kamen - ich hoffte so bei mir, nun, die werden doch noch etwas Rechtes ausdenken, daß es weiter geht -"

"Ja, wenn wir nur die Rechten dazu sind", meinte Iversen mit einem halben Seufzer, "wenn es nur wirklich weiter geht!"

"O gewiß!" rief die Frau, und es kam ein stilles Leuchten in ihre Augen, das sich allmählich über all ihre Züge verbreitete; "immer aufwärts, den Glauben geben wir nicht auf! Und das ist ja auch der Sinn Ihrer Lehre, wenn ich gestern recht verstanden habe. Wir sehen nie das Ganze, weil wir kurzsichtige Geschöpfe sind. Das sind alles Etappen; man kann nicht allem zustimmen, aber die Hauptsache ist, daß wir uns nicht zufrieden geben!" Sie brach ab und lächelte. "Ich möcht es wohl erleben, wie Sie die Welt umkrempeln," sagte sie lebhaft.

"Ach wir! Ich fürchte, wir werden garnichts umkrempeln. Vielleicht unsere Kinder." Iversen wurde immer skeptisch, sobald der andere zuversichtlich ward. "Übrigens, Sie haben recht, das Erreichte - was

Sie zögerte mit der Antwort, erröthend wie ein junges Mädchen.

„Ich war sehr erschrocken und bin es noch. Ich wußte gar nicht, daß es so traurig in der Welt aussieht, man begreift nicht, wo das einmal hinaus soll; der erste Redner hat das so düster hingestellt – ich war recht froh, als dann die jungen Leute kamen – ich hoffte so bei mir, nun, die werden doch noch etwas Rechtes ausdenken, daß es weiter geht –“

„Ja, wenn wir nur die Rechten dazu sind“, meinte Iversen mit einem halben Seufzer, „wenn es nur wirklich weiter geht!“

„O gewiß!“ rief die Frau, und es kam ein stilles Leuchten in ihre Augen, das sich allmählich über all ihre Züge verbreitete; „immer aufwärts, den Glauben geben wir nicht auf! Und das ist ja auch der Sinn Ihrer Lehre, wenn ich gestern recht verstanden habe. Wir sehen nie das Ganze, weil wir kurzsichtige Geschöpfe sind. Das sind alles Etappen; man kann nicht allem zustimmen, aber die Hauptsache ist, daß wir uns nicht zufrieden geben!“ Sie brach ab und lächelte. „Ich möcht es wohl erleben, wie Sie die Welt umkrempeln,“ sagte sie lebhaft.

„Ach wir! Ich fürchte, wir werden garnichts umkrempeln. Vielleicht unsere Kinder.“ Iversen wurde immer skeptisch, sobald der andere zuversichtlich ward. „Übrigens, Sie haben recht, das Erreichte – was

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0033" n="25"/>
        <p>Sie zögerte mit der Antwort, erröthend wie ein junges Mädchen.</p>
        <p>&#x201E;Ich war sehr erschrocken und bin es noch. Ich wußte gar nicht, daß es so traurig in der Welt aussieht, man begreift nicht, wo das einmal hinaus soll; der erste Redner hat das so düster hingestellt &#x2013; ich war recht froh, als dann die jungen Leute kamen &#x2013; ich hoffte so bei mir, nun, die werden doch noch etwas Rechtes ausdenken, daß es weiter geht &#x2013;&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ja, wenn wir nur die Rechten dazu sind&#x201C;, meinte Iversen mit einem halben Seufzer, &#x201E;wenn es nur wirklich weiter geht!&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;O gewiß!&#x201C; rief die Frau, und es kam ein stilles Leuchten in ihre Augen, das sich allmählich über all ihre Züge verbreitete; &#x201E;immer aufwärts, den Glauben geben wir nicht auf! Und das ist ja auch der Sinn Ihrer Lehre, wenn ich gestern recht verstanden habe. Wir sehen nie das Ganze, weil wir kurzsichtige Geschöpfe sind. Das sind alles Etappen; man kann nicht allem zustimmen, aber die Hauptsache ist, daß wir uns nicht zufrieden geben!&#x201C; Sie brach ab und lächelte. &#x201E;Ich möcht es wohl erleben, wie Sie die Welt umkrempeln,&#x201C; sagte sie lebhaft.</p>
        <p>&#x201E;Ach wir! Ich fürchte, wir werden garnichts umkrempeln. Vielleicht unsere Kinder.&#x201C; Iversen wurde immer skeptisch, sobald der andere zuversichtlich ward. &#x201E;Übrigens, Sie haben recht, das Erreichte &#x2013; was
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0033] Sie zögerte mit der Antwort, erröthend wie ein junges Mädchen. „Ich war sehr erschrocken und bin es noch. Ich wußte gar nicht, daß es so traurig in der Welt aussieht, man begreift nicht, wo das einmal hinaus soll; der erste Redner hat das so düster hingestellt – ich war recht froh, als dann die jungen Leute kamen – ich hoffte so bei mir, nun, die werden doch noch etwas Rechtes ausdenken, daß es weiter geht –“ „Ja, wenn wir nur die Rechten dazu sind“, meinte Iversen mit einem halben Seufzer, „wenn es nur wirklich weiter geht!“ „O gewiß!“ rief die Frau, und es kam ein stilles Leuchten in ihre Augen, das sich allmählich über all ihre Züge verbreitete; „immer aufwärts, den Glauben geben wir nicht auf! Und das ist ja auch der Sinn Ihrer Lehre, wenn ich gestern recht verstanden habe. Wir sehen nie das Ganze, weil wir kurzsichtige Geschöpfe sind. Das sind alles Etappen; man kann nicht allem zustimmen, aber die Hauptsache ist, daß wir uns nicht zufrieden geben!“ Sie brach ab und lächelte. „Ich möcht es wohl erleben, wie Sie die Welt umkrempeln,“ sagte sie lebhaft. „Ach wir! Ich fürchte, wir werden garnichts umkrempeln. Vielleicht unsere Kinder.“ Iversen wurde immer skeptisch, sobald der andere zuversichtlich ward. „Übrigens, Sie haben recht, das Erreichte – was

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/33
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/33>, abgerufen am 28.04.2024.