Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.er sich nicht. "Ein kleiner, ernsthafter Peter, glaub' ich," sagte er halblaut. Dann, schon bereuend, als habe er etwas Unrechtes zugefügt, zog er die Geldbörse hervor und vergnügte sich damit, sie zu streicheln und zu drücken. "Süße Toni, ich komme mit leeren Händen, und du hast mir gewiß wieder eine reizende, nichtsnutzige Sache gestickt mit deinen niedlichen Pfötchen, die ich schon jetzt in Gedanken zärtlich küsse." - Es blinkte etwas zwischen seinen Fingern und entrollte, ehe er es fassen konnte. Er rieb ein Streichholz an, aber das erste versagte, der Boden war unsichtbar, tiefe Dunkelheit ringsum. Viel Geld konnte es überdies nicht gewesen sein, er trug wenig bei sich. "So bleib', wo du bist," rief er übermüthig, "und möge dich morgen ein anderer finden, der weniger reich ist als ich!" Und im Vorgefühl seines nahenden Glückes sprang er in tollen Sätzen den Abhang hinunter, bis er mit flatternden Rockschößen auf der breiten Promenade zwischen einer Damengruppe landete, die, ihre Unterhaltung jäh beendend, mit Gekreisch auseinanderstob. Da sie auf keine Entschuldigung hörten, sondern mit einer Eile davonliefen, als würden sie erst am Ende der Welt stillstehen, gerieth er immer mehr in eine ausgelassene Lustigkeit, sprang vorwärts, und pfiff und sang alte Studentenlieder, als ob er wieder zwanzig Jahre alt wäre, statt achtundzwanzig. Er dachte flüchtig an gestern, vorgestern. Lieber Gott, der alte eingefrorene er sich nicht. „Ein kleiner, ernsthafter Peter, glaub’ ich,“ sagte er halblaut. Dann, schon bereuend, als habe er etwas Unrechtes zugefügt, zog er die Geldbörse hervor und vergnügte sich damit, sie zu streicheln und zu drücken. „Süße Toni, ich komme mit leeren Händen, und du hast mir gewiß wieder eine reizende, nichtsnutzige Sache gestickt mit deinen niedlichen Pfötchen, die ich schon jetzt in Gedanken zärtlich küsse.“ – Es blinkte etwas zwischen seinen Fingern und entrollte, ehe er es fassen konnte. Er rieb ein Streichholz an, aber das erste versagte, der Boden war unsichtbar, tiefe Dunkelheit ringsum. Viel Geld konnte es überdies nicht gewesen sein, er trug wenig bei sich. „So bleib’, wo du bist,“ rief er übermüthig, „und möge dich morgen ein anderer finden, der weniger reich ist als ich!“ Und im Vorgefühl seines nahenden Glückes sprang er in tollen Sätzen den Abhang hinunter, bis er mit flatternden Rockschößen auf der breiten Promenade zwischen einer Damengruppe landete, die, ihre Unterhaltung jäh beendend, mit Gekreisch auseinanderstob. Da sie auf keine Entschuldigung hörten, sondern mit einer Eile davonliefen, als würden sie erst am Ende der Welt stillstehen, gerieth er immer mehr in eine ausgelassene Lustigkeit, sprang vorwärts, und pfiff und sang alte Studentenlieder, als ob er wieder zwanzig Jahre alt wäre, statt achtundzwanzig. Er dachte flüchtig an gestern, vorgestern. Lieber Gott, der alte eingefrorene <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="84"/> er sich nicht. „Ein kleiner, ernsthafter Peter, glaub’ ich,“ sagte er halblaut. Dann, schon bereuend, als habe er etwas Unrechtes zugefügt, zog er die Geldbörse hervor und vergnügte sich damit, sie zu streicheln und zu drücken. „Süße Toni, ich komme mit leeren Händen, und du hast mir gewiß wieder eine reizende, nichtsnutzige Sache gestickt mit deinen niedlichen Pfötchen, die ich schon jetzt in Gedanken zärtlich küsse.“ – Es blinkte etwas zwischen seinen Fingern und entrollte, ehe er es fassen konnte. Er rieb ein Streichholz an, aber das erste versagte, der Boden war unsichtbar, tiefe Dunkelheit ringsum. Viel Geld konnte es überdies nicht gewesen sein, er trug wenig bei sich. „So bleib’, wo du bist,“ rief er übermüthig, „und möge dich morgen ein anderer finden, der weniger reich ist als ich!“ Und im Vorgefühl seines nahenden Glückes sprang er in tollen Sätzen den Abhang hinunter, bis er mit flatternden Rockschößen auf der breiten Promenade zwischen einer Damengruppe landete, die, ihre Unterhaltung jäh beendend, mit Gekreisch auseinanderstob.</p> <p>Da sie auf keine Entschuldigung hörten, sondern mit einer Eile davonliefen, als würden sie erst am Ende der Welt stillstehen, gerieth er immer mehr in eine ausgelassene Lustigkeit, sprang vorwärts, und pfiff und sang alte Studentenlieder, als ob er wieder zwanzig Jahre alt wäre, statt achtundzwanzig. Er dachte flüchtig an gestern, vorgestern. Lieber Gott, der alte eingefrorene </p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0092]
er sich nicht. „Ein kleiner, ernsthafter Peter, glaub’ ich,“ sagte er halblaut. Dann, schon bereuend, als habe er etwas Unrechtes zugefügt, zog er die Geldbörse hervor und vergnügte sich damit, sie zu streicheln und zu drücken. „Süße Toni, ich komme mit leeren Händen, und du hast mir gewiß wieder eine reizende, nichtsnutzige Sache gestickt mit deinen niedlichen Pfötchen, die ich schon jetzt in Gedanken zärtlich küsse.“ – Es blinkte etwas zwischen seinen Fingern und entrollte, ehe er es fassen konnte. Er rieb ein Streichholz an, aber das erste versagte, der Boden war unsichtbar, tiefe Dunkelheit ringsum. Viel Geld konnte es überdies nicht gewesen sein, er trug wenig bei sich. „So bleib’, wo du bist,“ rief er übermüthig, „und möge dich morgen ein anderer finden, der weniger reich ist als ich!“ Und im Vorgefühl seines nahenden Glückes sprang er in tollen Sätzen den Abhang hinunter, bis er mit flatternden Rockschößen auf der breiten Promenade zwischen einer Damengruppe landete, die, ihre Unterhaltung jäh beendend, mit Gekreisch auseinanderstob.
Da sie auf keine Entschuldigung hörten, sondern mit einer Eile davonliefen, als würden sie erst am Ende der Welt stillstehen, gerieth er immer mehr in eine ausgelassene Lustigkeit, sprang vorwärts, und pfiff und sang alte Studentenlieder, als ob er wieder zwanzig Jahre alt wäre, statt achtundzwanzig. Er dachte flüchtig an gestern, vorgestern. Lieber Gott, der alte eingefrorene
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |