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Frauenfeld, Georg von: Die Grundlagen des Vogelschutzgesetzes. Wien, 1871.

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G. R. v. Frauenfeld:

Diese letzteren sind es nun allein, welche hier in Betracht kommen.
Der grösste Theil derselben ist durch seine Kleinheit, Flüchtigkeit, durch
seine ausserordentlich rasche Vermehrung und ungeheuer anwachsende
Ueberzahl, die aller menschlichen Anstrengung sie zu bezwingen spottet,
so gefährlich, dass jede in der Natur sich bietende Hilfe zu ihrer Ver-
nichtung nur höchst willkommen sein kann.

Eine solche Beihilfe und zwar im grössten Massstabe findet sich
durch die insektenfressenden Vögel. Sie allein nur sind es, welche jene
land- und forstwirthschaftlichen Feinde, denen gegenüber der Mensch
gänzlich hilflos ist, wirksam zu bekämpfen im Stande ist, und sie finden
sich auch sicher dazu ein.

Ein Apotheker sah einmal alle Schwalben des Ortes, Rothschwänz-
chen und Bachstelzen täglich bei seinem Hause versammelt, das Dach
umschwärmen. Den Grund hievon entdeckte er auf seinem Boden, wo
aus den daselbst aufgespeicherten Arnikablüthen eine Bohrfliege in Massen
sich entwickelte, welche die Vögel als willkommene Beute täglich weg-
fingen. Die Art wurde damals als neu entdeckte Fliege beschrieben. Sie
ist der in Italien in den Früchten der Olive so verheerend auftretenden
Bohrfliege verwandt, gegen welche gleichfalls bis jetzt menschliche Hilfe
fruchtlos erscheint. Ich bin überzeugt, dass die Sylvien hier das beste
und auch das einzige Mittel zu deren Verminderung sind.

Die dem Weine so schädlichen Raupen und Schmetterlinge des Wein-
wicklers in ihre Schlupfwinkel zu verfolgen und zu vernichten, sind nur
diese kleinen Insektenfresser im Stande. Und so wären noch eine Menge
von Beispielen anzuführen, wo einzig und allein diese Vögel nützlich ein-
greifen und dem Menschen zu Hilfe kommen.

Da nicht nur die sittlich und moralisch tief eingreifende Bedeutung
dieses Gegenstandes allerwärts anerkannt ist, man daher längst schon
bemüht war, durch Belehrung hiefür zu wirken, sondern da auch die stets
weiter vorschreitende Cultur und umfassendere Benützung ihrer Erzeugnisse
immer mehr nöthigt, die diesen Ertrag unterstützenden Mittel schärfer ins
Auge zu fassen, so wurde der Nothruf für diese Thiere immer dringender.
Viele Regierungen haben der Bitte um Schutz dieser Vögel schon Gehör
gegeben und wird deren Erhaltung durch Gesetze angestrebt, um dieses
wünschenswerthe Ziel im vollsten Umfange zu erreichen.

Wenn einige Hauptfeinde der Landwirthschaft von den Insekten-
fressern verschmäht werden, so liegt gerade in dem Umstande, dass sie
keine Vertilger unter den Vögeln haben der Grund, dass sie sich in so
verderblicher Weise vermehren können, und wir dürfen mit Bestimmtheit
entgegnen, dass eine weit grössere Zahl unsere Culturen bedrohenden
Insekten nur darum nicht überhand nehmen, weil sie eben durch die Vögel
in Zaum gehalten werden, und dass einige solche in jüngster Zeit vorge-

G. R. v. Frauenfeld:

Diese letzteren sind es nun allein, welche hier in Betracht kommen.
Der grösste Theil derselben ist durch seine Kleinheit, Flüchtigkeit, durch
seine ausserordentlich rasche Vermehrung und ungeheuer anwachsende
Ueberzahl, die aller menschlichen Anstrengung sie zu bezwingen spottet,
so gefährlich, dass jede in der Natur sich bietende Hilfe zu ihrer Ver-
nichtung nur höchst willkommen sein kann.

Eine solche Beihilfe und zwar im grössten Massstabe findet sich
durch die insektenfressenden Vögel. Sie allein nur sind es, welche jene
land- und forstwirthschaftlichen Feinde, denen gegenüber der Mensch
gänzlich hilflos ist, wirksam zu bekämpfen im Stande ist, und sie finden
sich auch sicher dazu ein.

Ein Apotheker sah einmal alle Schwalben des Ortes, Rothschwänz-
chen und Bachstelzen täglich bei seinem Hause versammelt, das Dach
umschwärmen. Den Grund hievon entdeckte er auf seinem Boden, wo
aus den daselbst aufgespeicherten Arnikablüthen eine Bohrfliege in Massen
sich entwickelte, welche die Vögel als willkommene Beute täglich weg-
fingen. Die Art wurde damals als neu entdeckte Fliege beschrieben. Sie
ist der in Italien in den Früchten der Olive so verheerend auftretenden
Bohrfliege verwandt, gegen welche gleichfalls bis jetzt menschliche Hilfe
fruchtlos erscheint. Ich bin überzeugt, dass die Sylvien hier das beste
und auch das einzige Mittel zu deren Verminderung sind.

Die dem Weine so schädlichen Raupen und Schmetterlinge des Wein-
wicklers in ihre Schlupfwinkel zu verfolgen und zu vernichten, sind nur
diese kleinen Insektenfresser im Stande. Und so wären noch eine Menge
von Beispielen anzuführen, wo einzig und allein diese Vögel nützlich ein-
greifen und dem Menschen zu Hilfe kommen.

Da nicht nur die sittlich und moralisch tief eingreifende Bedeutung
dieses Gegenstandes allerwärts anerkannt ist, man daher längst schon
bemüht war, durch Belehrung hiefür zu wirken, sondern da auch die stets
weiter vorschreitende Cultur und umfassendere Benützung ihrer Erzeugnisse
immer mehr nöthigt, die diesen Ertrag unterstützenden Mittel schärfer ins
Auge zu fassen, so wurde der Nothruf für diese Thiere immer dringender.
Viele Regierungen haben der Bitte um Schutz dieser Vögel schon Gehör
gegeben und wird deren Erhaltung durch Gesetze angestrebt, um dieses
wünschenswerthe Ziel im vollsten Umfange zu erreichen.

Wenn einige Hauptfeinde der Landwirthschaft von den Insekten-
fressern verschmäht werden, so liegt gerade in dem Umstande, dass sie
keine Vertilger unter den Vögeln haben der Grund, dass sie sich in so
verderblicher Weise vermehren können, und wir dürfen mit Bestimmtheit
entgegnen, dass eine weit grössere Zahl unsere Culturen bedrohenden
Insekten nur darum nicht überhand nehmen, weil sie eben durch die Vögel
in Zaum gehalten werden, und dass einige solche in jüngster Zeit vorge-

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[8/0012] G. R. v. Frauenfeld: Diese letzteren sind es nun allein, welche hier in Betracht kommen. Der grösste Theil derselben ist durch seine Kleinheit, Flüchtigkeit, durch seine ausserordentlich rasche Vermehrung und ungeheuer anwachsende Ueberzahl, die aller menschlichen Anstrengung sie zu bezwingen spottet, so gefährlich, dass jede in der Natur sich bietende Hilfe zu ihrer Ver- nichtung nur höchst willkommen sein kann. Eine solche Beihilfe und zwar im grössten Massstabe findet sich durch die insektenfressenden Vögel. Sie allein nur sind es, welche jene land- und forstwirthschaftlichen Feinde, denen gegenüber der Mensch gänzlich hilflos ist, wirksam zu bekämpfen im Stande ist, und sie finden sich auch sicher dazu ein. Ein Apotheker sah einmal alle Schwalben des Ortes, Rothschwänz- chen und Bachstelzen täglich bei seinem Hause versammelt, das Dach umschwärmen. Den Grund hievon entdeckte er auf seinem Boden, wo aus den daselbst aufgespeicherten Arnikablüthen eine Bohrfliege in Massen sich entwickelte, welche die Vögel als willkommene Beute täglich weg- fingen. Die Art wurde damals als neu entdeckte Fliege beschrieben. Sie ist der in Italien in den Früchten der Olive so verheerend auftretenden Bohrfliege verwandt, gegen welche gleichfalls bis jetzt menschliche Hilfe fruchtlos erscheint. Ich bin überzeugt, dass die Sylvien hier das beste und auch das einzige Mittel zu deren Verminderung sind. Die dem Weine so schädlichen Raupen und Schmetterlinge des Wein- wicklers in ihre Schlupfwinkel zu verfolgen und zu vernichten, sind nur diese kleinen Insektenfresser im Stande. Und so wären noch eine Menge von Beispielen anzuführen, wo einzig und allein diese Vögel nützlich ein- greifen und dem Menschen zu Hilfe kommen. Da nicht nur die sittlich und moralisch tief eingreifende Bedeutung dieses Gegenstandes allerwärts anerkannt ist, man daher längst schon bemüht war, durch Belehrung hiefür zu wirken, sondern da auch die stets weiter vorschreitende Cultur und umfassendere Benützung ihrer Erzeugnisse immer mehr nöthigt, die diesen Ertrag unterstützenden Mittel schärfer ins Auge zu fassen, so wurde der Nothruf für diese Thiere immer dringender. Viele Regierungen haben der Bitte um Schutz dieser Vögel schon Gehör gegeben und wird deren Erhaltung durch Gesetze angestrebt, um dieses wünschenswerthe Ziel im vollsten Umfange zu erreichen. Wenn einige Hauptfeinde der Landwirthschaft von den Insekten- fressern verschmäht werden, so liegt gerade in dem Umstande, dass sie keine Vertilger unter den Vögeln haben der Grund, dass sie sich in so verderblicher Weise vermehren können, und wir dürfen mit Bestimmtheit entgegnen, dass eine weit grössere Zahl unsere Culturen bedrohenden Insekten nur darum nicht überhand nehmen, weil sie eben durch die Vögel in Zaum gehalten werden, und dass einige solche in jüngster Zeit vorge-

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Zitationshilfe: Frauenfeld, Georg von: Die Grundlagen des Vogelschutzgesetzes. Wien, 1871, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frauenfeld_vogelschutzgesetz_1871/12>, abgerufen am 23.11.2024.