Frege, Gottlob: Über Sinn und Bedeutung. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, N. F., Bd. 100/1 (1892), S. 25-50.G. Frege: immer den Planeten Venus bedeutet, nämlich dann nicht, wenndies Wort seine ungerade Bedeutung hat. Ein solcher Ausnahme¬ fall liegt in den eben betrachteten Nebensätzen vor, deren Bedeutung ein Gedanke ist. "Wenn man sagt "es scheint, daß . . .", so meint man "es Wie eine Ueberzeugung oder ein Glaube Grund eines Ge¬ Die Adverbsätze des Zwecks mit "damit" gehören auch hier¬ Der Nebensatz mit "daß" nach "befehlen", "bitten", "ver¬ G. Frege: immer den Planeten Venus bedeutet, nämlich dann nicht, wenndies Wort ſeine ungerade Bedeutung hat. Ein ſolcher Ausnahme¬ fall liegt in den eben betrachteten Nebenſätzen vor, deren Bedeutung ein Gedanke iſt. „Wenn man ſagt „es ſcheint, daß . . .“, ſo meint man „es Wie eine Ueberzeugung oder ein Glaube Grund eines Ge¬ Die Adverbſätze des Zwecks mit „damit“ gehören auch hier¬ Der Nebenſatz mit „daß“ nach „befehlen“, „bitten“, „ver¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0034" n="38"/><fw place="top" type="header">G. Frege:<lb/></fw> immer den Planeten Venus bedeutet, nämlich dann nicht, wenn<lb/> dies Wort ſeine ungerade Bedeutung hat. Ein ſolcher Ausnahme¬<lb/> fall liegt in den eben betrachteten Nebenſätzen vor, deren Bedeutung<lb/> ein Gedanke iſt.</p><lb/> <p>„Wenn man ſagt „es ſcheint, daß . . .“, ſo meint man „es<lb/> ſcheint mir, daß . . .“, oder „ich meine, daß . . .“. Wir haben<lb/> alſo wieder den Fall. Aehnlich liegt die Sache bei Ausdrücken,<lb/> wie „ſich freuen“, „bedauern“, „billigen“, „tadeln“, „hoffen“,<lb/> „fürchten“. Wenn Wellington ſich gegen Ende der Schlacht bei<lb/> Belle-Alliance freute, daß die Preußen kämen, ſo war der Grund<lb/> ſeiner Freude eine Ueberzeugung. Wenn er ſich getäuſcht hätte<lb/> ſo würde er ſich, ſolange ſein Wahn dauerte, nicht minder gefreut<lb/> haben, und bevor er die Ueberzeugung gewann, daß die Preußen<lb/> kämen, konnte er ſich nicht darüber freuen, obwohl ſie in der That<lb/> ſchon anrückten.</p><lb/> <p>Wie eine Ueberzeugung oder ein Glaube Grund eines Ge¬<lb/> fühls iſt, ſo kann ſie auch Grund einer Ueberzeugung ſein wie<lb/> beim Schließen. In dem Satze: „Columbus ſchloß aus der Run¬<lb/> dung der Erde, daß er nach Weſten reiſend Indien erreichen könne“,<lb/> haben wir als Bedeutungen von Theilen zwei Gedanken, daß die<lb/> Erde rund ſei, und daß Columbus nach Weſten reiſend Indien<lb/> erreichen könne. Es kommt hier wieder nur darauf an, daß<lb/> Columbus von dem einen und von dem andern überzeugt war,<lb/> und daß die eine Ueberzeugung Grund der andern war. Ob die<lb/> Erde wirklich rund iſt und Columbus nach Weſten reiſend wirklich<lb/> Indien ſo, wie er dachte, erreichen konnte, iſt für die Wahrheit<lb/> unſeres Satzes gleichgiltig; aber nicht gleichgiltig iſt, ob wir für<lb/> „die Erde“ ſetzen „der Planet, welcher von einem Monde begleitet<lb/> iſt, deſſen Durchmeſſer größer als der vierte Theil ſeines eignen<lb/> iſt“. Auch hier haben wir die ungerade Bedeutung der Worte.</p><lb/> <p>Die Adverbſätze des Zwecks mit „damit“ gehören auch hier¬<lb/> her; denn offenbar iſt der Zweck ein Gedanke; daher: ungerade<lb/> Bedeutung der Worte, Conjunctiv.</p><lb/> <p>Der Nebenſatz mit „daß“ nach „befehlen“, „bitten“, „ver¬<lb/> bieten“ würde in gerader Rede als Imperativ erſcheinen. Ein<lb/> ſolcher hat keine Bedeutung, ſondern nur einen Sinn. Ein Be¬<lb/> fehl, eine Bitte ſind zwar nicht Gedanken, aber ſie ſtehn doch mit<lb/> Gedanken auf derſelben Stufe. Daher haben in den von „befehlen“,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [38/0034]
G. Frege:
immer den Planeten Venus bedeutet, nämlich dann nicht, wenn
dies Wort ſeine ungerade Bedeutung hat. Ein ſolcher Ausnahme¬
fall liegt in den eben betrachteten Nebenſätzen vor, deren Bedeutung
ein Gedanke iſt.
„Wenn man ſagt „es ſcheint, daß . . .“, ſo meint man „es
ſcheint mir, daß . . .“, oder „ich meine, daß . . .“. Wir haben
alſo wieder den Fall. Aehnlich liegt die Sache bei Ausdrücken,
wie „ſich freuen“, „bedauern“, „billigen“, „tadeln“, „hoffen“,
„fürchten“. Wenn Wellington ſich gegen Ende der Schlacht bei
Belle-Alliance freute, daß die Preußen kämen, ſo war der Grund
ſeiner Freude eine Ueberzeugung. Wenn er ſich getäuſcht hätte
ſo würde er ſich, ſolange ſein Wahn dauerte, nicht minder gefreut
haben, und bevor er die Ueberzeugung gewann, daß die Preußen
kämen, konnte er ſich nicht darüber freuen, obwohl ſie in der That
ſchon anrückten.
Wie eine Ueberzeugung oder ein Glaube Grund eines Ge¬
fühls iſt, ſo kann ſie auch Grund einer Ueberzeugung ſein wie
beim Schließen. In dem Satze: „Columbus ſchloß aus der Run¬
dung der Erde, daß er nach Weſten reiſend Indien erreichen könne“,
haben wir als Bedeutungen von Theilen zwei Gedanken, daß die
Erde rund ſei, und daß Columbus nach Weſten reiſend Indien
erreichen könne. Es kommt hier wieder nur darauf an, daß
Columbus von dem einen und von dem andern überzeugt war,
und daß die eine Ueberzeugung Grund der andern war. Ob die
Erde wirklich rund iſt und Columbus nach Weſten reiſend wirklich
Indien ſo, wie er dachte, erreichen konnte, iſt für die Wahrheit
unſeres Satzes gleichgiltig; aber nicht gleichgiltig iſt, ob wir für
„die Erde“ ſetzen „der Planet, welcher von einem Monde begleitet
iſt, deſſen Durchmeſſer größer als der vierte Theil ſeines eignen
iſt“. Auch hier haben wir die ungerade Bedeutung der Worte.
Die Adverbſätze des Zwecks mit „damit“ gehören auch hier¬
her; denn offenbar iſt der Zweck ein Gedanke; daher: ungerade
Bedeutung der Worte, Conjunctiv.
Der Nebenſatz mit „daß“ nach „befehlen“, „bitten“, „ver¬
bieten“ würde in gerader Rede als Imperativ erſcheinen. Ein
ſolcher hat keine Bedeutung, ſondern nur einen Sinn. Ein Be¬
fehl, eine Bitte ſind zwar nicht Gedanken, aber ſie ſtehn doch mit
Gedanken auf derſelben Stufe. Daher haben in den von „befehlen“,
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