Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895.und wird durch die Wiederholung in diesem verstärkt; die veranlassende Vorstellung bleibt aber vor der Correctur durch das wache Denken und seine Kritik geschützt, weil sie eben im klaren Wachen gar nie auftaucht. So blieb bei Anna O. (Beob. I) die Contractur des rechten Armes, die sich in der Autohypnose mit dem Angstaffect und der Vorstellung der Schlange associirt hatte, durch 4 Monate auf die Momente des hypnotischen (oder - wenn man für Absenzen von sehr kurzer Dauer diesen Namen unpassend findet - des hypnoiden) Zustandes beschränkt, wiederholte sich aber häufig. Dasselbe geschah mit andern in dem Hypnoidzustand vollzogenen Conversionen, und so bildete sich in vollkommener Latenz jener grosse Complex von hysterischen Phänomenen, der in die Erscheinung trat, als der hypnoide Zustand andauernd wurde. Im hellen Wachen treten so entstandene Phänomene erst dann auf, wenn sich die später zu besprechende Spaltung der Psyche vollzogen hat, und an die Stelle des Alternirens zwischen Wach- und Hypnoidzustand die Coexistenz der normalen und der hypnoiden Vorstellungscomplexe getreten ist. Bestehen solche hypnoide Zustände schon vor der Erkrankung und wie kommen sie zu Stande? Ich weiss hierüber wenig zu sagen, denn wir verfügen über keine andere Beobachtung, ausser über den Fall Anna 0., die darüber Aufschluss geben könnte. Bei dieser Kranken scheint es sicher, dass die Autohypnose vorbereitet war durch habituelle Träumerei, und dass sie dann völlig hergestellt wurde durch einen Affect protrahirter Angst, der ja selbst einen hypnoiden Zustand begründet. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass dieser Vorgang allgemeinere Geltung hat. Sehr verschiedenartige Zustände bedingen "Geistesabwesenheit", aber nur einige davon disponiren zur Autohypnose oder gehen direct in solche über. Der in ein Problem versunkene Forscher ist wohl auch bis zu einem gewissen Grade anästhetisch und bildet aus grossen Gruppen von Sinnesempfindungen keine bewussten Wahrnehmungen; ebenso wie der mit Lebhaftigkeit phantastisch Dichtende ("Privattheater" Anna O.'s). Aber in diesen Zuständen wird energisch psychische Arbeit geleistet; die frei werdende Erregung des Nervensystems wird in dieser verbraucht. - In der Zerstreutheit, dem Hindämmern hingegen sinkt die intracerebrale Erregung unter das Niveau des hellen Wachens; diese Zustände grenzen an die Schläfrigkeit und und wird durch die Wiederholung in diesem verstärkt; die veranlassende Vorstellung bleibt aber vor der Correctur durch das wache Denken und seine Kritik geschützt, weil sie eben im klaren Wachen gar nie auftaucht. So blieb bei Anna O. (Beob. I) die Contractur des rechten Armes, die sich in der Autohypnose mit dem Angstaffect und der Vorstellung der Schlange associirt hatte, durch 4 Monate auf die Momente des hypnotischen (oder – wenn man für Absenzen von sehr kurzer Dauer diesen Namen unpassend findet – des hypnoiden) Zustandes beschränkt, wiederholte sich aber häufig. Dasselbe geschah mit andern in dem Hypnoidzustand vollzogenen Conversionen, und so bildete sich in vollkommener Latenz jener grosse Complex von hysterischen Phänomenen, der in die Erscheinung trat, als der hypnoide Zustand andauernd wurde. Im hellen Wachen treten so entstandene Phänomene erst dann auf, wenn sich die später zu besprechende Spaltung der Psyche vollzogen hat, und an die Stelle des Alternirens zwischen Wach- und Hypnoidzustand die Coexistenz der normalen und der hypnoiden Vorstellungscomplexe getreten ist. Bestehen solche hypnoide Zustände schon vor der Erkrankung und wie kommen sie zu Stande? Ich weiss hierüber wenig zu sagen, denn wir verfügen über keine andere Beobachtung, ausser über den Fall Anna 0., die darüber Aufschluss geben könnte. Bei dieser Kranken scheint es sicher, dass die Autohypnose vorbereitet war durch habituelle Träumerei, und dass sie dann völlig hergestellt wurde durch einen Affect protrahirter Angst, der ja selbst einen hypnoiden Zustand begründet. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass dieser Vorgang allgemeinere Geltung hat. Sehr verschiedenartige Zustände bedingen „Geistesabwesenheit“, aber nur einige davon disponiren zur Autohypnose oder gehen direct in solche über. Der in ein Problem versunkene Forscher ist wohl auch bis zu einem gewissen Grade anästhetisch und bildet aus grossen Gruppen von Sinnesempfindungen keine bewussten Wahrnehmungen; ebenso wie der mit Lebhaftigkeit phantastisch Dichtende („Privattheater“ Anna O.'s). Aber in diesen Zuständen wird energisch psychische Arbeit geleistet; die frei werdende Erregung des Nervensystems wird in dieser verbraucht. – In der Zerstreutheit, dem Hindämmern hingegen sinkt die intracerebrale Erregung unter das Niveau des hellen Wachens; diese Zustände grenzen an die Schläfrigkeit und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0196" n="190"/> und wird durch die Wiederholung in diesem verstärkt; die veranlassende Vorstellung bleibt aber vor der Correctur durch das wache Denken und seine Kritik geschützt, weil sie eben im klaren Wachen gar nie auftaucht.</p> <p>So blieb bei Anna O. (Beob. I) die Contractur des rechten Armes, die sich in der Autohypnose mit dem Angstaffect und der Vorstellung der Schlange associirt hatte, durch 4 Monate auf die Momente des hypnotischen (oder – wenn man für Absenzen von sehr kurzer Dauer diesen Namen unpassend findet – des hypnoiden) Zustandes beschränkt, wiederholte sich aber häufig. Dasselbe geschah mit andern in dem Hypnoidzustand vollzogenen Conversionen, und so bildete sich in vollkommener Latenz jener grosse Complex von hysterischen Phänomenen, der in die Erscheinung trat, als der hypnoide Zustand andauernd wurde.</p> <p>Im hellen Wachen treten so entstandene Phänomene erst dann auf, wenn sich die später zu besprechende Spaltung der Psyche vollzogen hat, und an die Stelle des Alternirens zwischen Wach- und Hypnoidzustand die Coexistenz der normalen und der hypnoiden Vorstellungscomplexe getreten ist.</p> <p>Bestehen solche hypnoide Zustände schon vor der Erkrankung und wie kommen sie zu Stande? Ich weiss hierüber wenig zu sagen, denn wir verfügen über keine andere Beobachtung, ausser über den Fall Anna 0., die darüber Aufschluss geben könnte. Bei dieser Kranken scheint es sicher, dass die Autohypnose vorbereitet war durch habituelle Träumerei, und dass sie dann völlig hergestellt wurde durch einen Affect protrahirter Angst, der ja selbst einen hypnoiden Zustand begründet. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass dieser Vorgang allgemeinere Geltung hat.</p> <p>Sehr verschiedenartige Zustände bedingen „Geistesabwesenheit“, aber nur einige davon disponiren zur Autohypnose oder gehen direct in solche über. Der in ein Problem versunkene Forscher ist wohl auch bis zu einem gewissen Grade anästhetisch und bildet aus grossen Gruppen von Sinnesempfindungen keine bewussten Wahrnehmungen; ebenso wie der mit Lebhaftigkeit phantastisch Dichtende („Privattheater“ Anna O.'s). Aber in diesen Zuständen wird energisch psychische Arbeit geleistet; die frei werdende Erregung des Nervensystems wird in dieser verbraucht. – In der Zerstreutheit, dem Hindämmern hingegen sinkt die intracerebrale Erregung unter das Niveau des hellen Wachens; diese Zustände grenzen an die Schläfrigkeit und </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [190/0196]
und wird durch die Wiederholung in diesem verstärkt; die veranlassende Vorstellung bleibt aber vor der Correctur durch das wache Denken und seine Kritik geschützt, weil sie eben im klaren Wachen gar nie auftaucht.
So blieb bei Anna O. (Beob. I) die Contractur des rechten Armes, die sich in der Autohypnose mit dem Angstaffect und der Vorstellung der Schlange associirt hatte, durch 4 Monate auf die Momente des hypnotischen (oder – wenn man für Absenzen von sehr kurzer Dauer diesen Namen unpassend findet – des hypnoiden) Zustandes beschränkt, wiederholte sich aber häufig. Dasselbe geschah mit andern in dem Hypnoidzustand vollzogenen Conversionen, und so bildete sich in vollkommener Latenz jener grosse Complex von hysterischen Phänomenen, der in die Erscheinung trat, als der hypnoide Zustand andauernd wurde.
Im hellen Wachen treten so entstandene Phänomene erst dann auf, wenn sich die später zu besprechende Spaltung der Psyche vollzogen hat, und an die Stelle des Alternirens zwischen Wach- und Hypnoidzustand die Coexistenz der normalen und der hypnoiden Vorstellungscomplexe getreten ist.
Bestehen solche hypnoide Zustände schon vor der Erkrankung und wie kommen sie zu Stande? Ich weiss hierüber wenig zu sagen, denn wir verfügen über keine andere Beobachtung, ausser über den Fall Anna 0., die darüber Aufschluss geben könnte. Bei dieser Kranken scheint es sicher, dass die Autohypnose vorbereitet war durch habituelle Träumerei, und dass sie dann völlig hergestellt wurde durch einen Affect protrahirter Angst, der ja selbst einen hypnoiden Zustand begründet. Es scheint nicht unwahrscheinlich, dass dieser Vorgang allgemeinere Geltung hat.
Sehr verschiedenartige Zustände bedingen „Geistesabwesenheit“, aber nur einige davon disponiren zur Autohypnose oder gehen direct in solche über. Der in ein Problem versunkene Forscher ist wohl auch bis zu einem gewissen Grade anästhetisch und bildet aus grossen Gruppen von Sinnesempfindungen keine bewussten Wahrnehmungen; ebenso wie der mit Lebhaftigkeit phantastisch Dichtende („Privattheater“ Anna O.'s). Aber in diesen Zuständen wird energisch psychische Arbeit geleistet; die frei werdende Erregung des Nervensystems wird in dieser verbraucht. – In der Zerstreutheit, dem Hindämmern hingegen sinkt die intracerebrale Erregung unter das Niveau des hellen Wachens; diese Zustände grenzen an die Schläfrigkeit und
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