Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser Sphäre war es namentlich die fast sprichwörtlich gewordene Unbrüchlichkeit seines Wortes, die ihm Respekt verschaffte; denn wer einmal eine Zusage oder ein Versprechen von ihm erhalten hatte, und wäre er der Geringste der Geringen gewesen, der konnte sicherer darauf bauen, als auf Anderer Brief und Siegel. Ausschließliche Furcht und bittern Haß hegten nur zwei Menschenklassen gegen ihn, und beide hatten auch ihre triftigen Gründe dafür. Auf der einen Seite waren dies diejenigen seiner patrizischen Standesgenossen, die aus französischen Diensten heimgekehrt, französische Sitte und Leichtfertigkeit zur Geltung bringen wollten; der Oberst selbst hatte zwar seine militärische Laufbahn ebenfalls im Dienste Frankreichs begonnen, sich aber bald mit Abscheu von dem sittenlosen Treiben abgewendet und, in brandenburgisch-preußischen Dienst getreten, dort noch unter dem alten Dessauer den besten Theil seiner Schule durchgemacht. So blieb er denn sein Leben lang der geschworene Feind alles Franzosentums und wies dabei mit gerechtem Stolze auf seine zwei Söhne hin, die jetzt ebenfalls in preußischen Diensten unter den Fahnen des großen Fritz die echte Soldatenprobe bestehen konnten. Die andere Klasse seiner entschiedenen Feinde bestand aus den politisch Unzufriedenen, die für die mindere Burgerschaft auf Kosten des Patriziates größere Rechte forderten und die gerade jetzt sich wieder eifrig zu rühren begannen. Zur Ausrottung dieser Revolutzer, in denen der Alte die ver-

dieser Sphäre war es namentlich die fast sprichwörtlich gewordene Unbrüchlichkeit seines Wortes, die ihm Respekt verschaffte; denn wer einmal eine Zusage oder ein Versprechen von ihm erhalten hatte, und wäre er der Geringste der Geringen gewesen, der konnte sicherer darauf bauen, als auf Anderer Brief und Siegel. Ausschließliche Furcht und bittern Haß hegten nur zwei Menschenklassen gegen ihn, und beide hatten auch ihre triftigen Gründe dafür. Auf der einen Seite waren dies diejenigen seiner patrizischen Standesgenossen, die aus französischen Diensten heimgekehrt, französische Sitte und Leichtfertigkeit zur Geltung bringen wollten; der Oberst selbst hatte zwar seine militärische Laufbahn ebenfalls im Dienste Frankreichs begonnen, sich aber bald mit Abscheu von dem sittenlosen Treiben abgewendet und, in brandenburgisch-preußischen Dienst getreten, dort noch unter dem alten Dessauer den besten Theil seiner Schule durchgemacht. So blieb er denn sein Leben lang der geschworene Feind alles Franzosentums und wies dabei mit gerechtem Stolze auf seine zwei Söhne hin, die jetzt ebenfalls in preußischen Diensten unter den Fahnen des großen Fritz die echte Soldatenprobe bestehen konnten. Die andere Klasse seiner entschiedenen Feinde bestand aus den politisch Unzufriedenen, die für die mindere Burgerschaft auf Kosten des Patriziates größere Rechte forderten und die gerade jetzt sich wieder eifrig zu rühren begannen. Zur Ausrottung dieser Revolutzer, in denen der Alte die ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0023"/>
dieser Sphäre war es      namentlich die fast sprichwörtlich gewordene Unbrüchlichkeit seines Wortes, die ihm Respekt      verschaffte; denn wer einmal eine Zusage oder ein Versprechen von ihm erhalten hatte, und wäre      er der Geringste der Geringen gewesen, der konnte sicherer darauf bauen, als auf Anderer Brief      und Siegel. Ausschließliche Furcht und bittern Haß hegten nur zwei Menschenklassen gegen ihn,      und beide hatten auch ihre triftigen Gründe dafür. Auf der einen Seite waren dies diejenigen      seiner patrizischen Standesgenossen, die aus französischen Diensten heimgekehrt, französische      Sitte und Leichtfertigkeit zur Geltung bringen wollten; der Oberst selbst hatte zwar seine      militärische Laufbahn ebenfalls im Dienste Frankreichs begonnen, sich aber bald mit Abscheu von      dem sittenlosen Treiben abgewendet und, in brandenburgisch-preußischen Dienst getreten, dort      noch unter dem alten Dessauer den besten Theil seiner Schule durchgemacht. So blieb er denn      sein Leben lang der geschworene Feind alles Franzosentums und wies dabei mit gerechtem Stolze      auf seine zwei Söhne hin, die jetzt ebenfalls in preußischen Diensten unter den Fahnen des      großen Fritz die echte Soldatenprobe bestehen konnten. Die andere Klasse seiner entschiedenen      Feinde bestand aus den politisch Unzufriedenen, die für die mindere Burgerschaft auf Kosten des      Patriziates größere Rechte forderten und die gerade jetzt sich wieder eifrig zu rühren      begannen. Zur Ausrottung dieser Revolutzer, in denen der Alte die ver-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] dieser Sphäre war es namentlich die fast sprichwörtlich gewordene Unbrüchlichkeit seines Wortes, die ihm Respekt verschaffte; denn wer einmal eine Zusage oder ein Versprechen von ihm erhalten hatte, und wäre er der Geringste der Geringen gewesen, der konnte sicherer darauf bauen, als auf Anderer Brief und Siegel. Ausschließliche Furcht und bittern Haß hegten nur zwei Menschenklassen gegen ihn, und beide hatten auch ihre triftigen Gründe dafür. Auf der einen Seite waren dies diejenigen seiner patrizischen Standesgenossen, die aus französischen Diensten heimgekehrt, französische Sitte und Leichtfertigkeit zur Geltung bringen wollten; der Oberst selbst hatte zwar seine militärische Laufbahn ebenfalls im Dienste Frankreichs begonnen, sich aber bald mit Abscheu von dem sittenlosen Treiben abgewendet und, in brandenburgisch-preußischen Dienst getreten, dort noch unter dem alten Dessauer den besten Theil seiner Schule durchgemacht. So blieb er denn sein Leben lang der geschworene Feind alles Franzosentums und wies dabei mit gerechtem Stolze auf seine zwei Söhne hin, die jetzt ebenfalls in preußischen Diensten unter den Fahnen des großen Fritz die echte Soldatenprobe bestehen konnten. Die andere Klasse seiner entschiedenen Feinde bestand aus den politisch Unzufriedenen, die für die mindere Burgerschaft auf Kosten des Patriziates größere Rechte forderten und die gerade jetzt sich wieder eifrig zu rühren begannen. Zur Ausrottung dieser Revolutzer, in denen der Alte die ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:04:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:04:13Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/23
Zitationshilfe: Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/23>, abgerufen am 21.11.2024.