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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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Hyazinthen blühten an den sonnigen Abhängen,
die majestätischen dunklen Tannen trieben schon
ihre goldgrünen Sprossen, Finken und Grase-
mücken jubelten durch die neubelaubten Gebü-
sche. Schon waren wir nahe am Ziel unseres
nächsten Ruhepunktes, man konnte schon von
einer höheren Stelle des Weges, die Thurm-
spitze von Bellegarde erblicken, als beim Hin-
abfahren in einen Hohlweg, der Wagen um-
warf. Wir kamen zwar fast ohne alle Beschädi-
gung davon, aber der Wagen hatte eine desto
stärkere erhalten, so daß es schlechterdings un-
möglich war, sich seiner ferner zu bedienen.
Wir mußten uns also entschließen, bis zum
nächsten Dorfe zu Fuße zu gehen, wobei der
Vater und ich, meine vor Schreck halbtodte
Mutter führten. Jm Wirthshause war gar
kein Aufenthalt möglich, aber der Förster, wel-
cher am Ende des Fleckens wohnte, nahm uns
mit herzlicher Gastfreiheit auf. Er bot so-
gleich eine Menge Bauern auf, unsre Sachen
vom Wege zu holen, und unseren Wagen bis
zur Schmiede zu schleppen. "Jch würde ihnen
zur Fortsetzung ihrer Reise mein eigenes Fuhr-

Hyazinthen bluͤhten an den ſonnigen Abhaͤngen,
die majeſtaͤtiſchen dunklen Tannen trieben ſchon
ihre goldgruͤnen Sproſſen, Finken und Graſe-
muͤcken jubelten durch die neubelaubten Gebuͤ-
ſche. Schon waren wir nahe am Ziel unſeres
naͤchſten Ruhepunktes, man konnte ſchon von
einer hoͤheren Stelle des Weges, die Thurm-
ſpitze von Bellegarde erblicken, als beim Hin-
abfahren in einen Hohlweg, der Wagen um-
warf. Wir kamen zwar faſt ohne alle Beſchaͤdi-
gung davon, aber der Wagen hatte eine deſto
ſtaͤrkere erhalten, ſo daß es ſchlechterdings un-
moͤglich war, ſich ſeiner ferner zu bedienen.
Wir mußten uns alſo entſchließen, bis zum
naͤchſten Dorfe zu Fuße zu gehen, wobei der
Vater und ich, meine vor Schreck halbtodte
Mutter fuͤhrten. Jm Wirthshauſe war gar
kein Aufenthalt moͤglich, aber der Foͤrſter, wel-
cher am Ende des Fleckens wohnte, nahm uns
mit herzlicher Gaſtfreiheit auf. Er bot ſo-
gleich eine Menge Bauern auf, unſre Sachen
vom Wege zu holen, und unſeren Wagen bis
zur Schmiede zu ſchleppen. „Jch wuͤrde ihnen
zur Fortſetzung ihrer Reiſe mein eigenes Fuhr-

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[102/0112] Hyazinthen bluͤhten an den ſonnigen Abhaͤngen, die majeſtaͤtiſchen dunklen Tannen trieben ſchon ihre goldgruͤnen Sproſſen, Finken und Graſe- muͤcken jubelten durch die neubelaubten Gebuͤ- ſche. Schon waren wir nahe am Ziel unſeres naͤchſten Ruhepunktes, man konnte ſchon von einer hoͤheren Stelle des Weges, die Thurm- ſpitze von Bellegarde erblicken, als beim Hin- abfahren in einen Hohlweg, der Wagen um- warf. Wir kamen zwar faſt ohne alle Beſchaͤdi- gung davon, aber der Wagen hatte eine deſto ſtaͤrkere erhalten, ſo daß es ſchlechterdings un- moͤglich war, ſich ſeiner ferner zu bedienen. Wir mußten uns alſo entſchließen, bis zum naͤchſten Dorfe zu Fuße zu gehen, wobei der Vater und ich, meine vor Schreck halbtodte Mutter fuͤhrten. Jm Wirthshauſe war gar kein Aufenthalt moͤglich, aber der Foͤrſter, wel- cher am Ende des Fleckens wohnte, nahm uns mit herzlicher Gaſtfreiheit auf. Er bot ſo- gleich eine Menge Bauern auf, unſre Sachen vom Wege zu holen, und unſeren Wagen bis zur Schmiede zu ſchleppen. „Jch wuͤrde ihnen zur Fortſetzung ihrer Reiſe mein eigenes Fuhr-

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/112>, abgerufen am 14.05.2024.