Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

missen, als daß er leide. Klara! theure geliebte
Klara, bat mein Vater, gedenke dieses Aus-
spruchs, gedenke deines Gelübdes. Das Schick-
sal könnte dich mächtig ergreifen. Jch bückte
mich auf ihre Knie nieder, und überströmte
sie mit meinen Thränen. Sie versank in
tiefes Schweigen, wir schwiegen alle. So
fuhren wir den übrigen Theil der Nacht hin-
durch, bis die Morgenröthe hervorbrach. Die
ersten Strahlen des Lichts regten meine Mutter
wieder zu einigem klaren Bewußtseyn auf. Sie
betrachtete bald die Gegenstände am Wege mit
Aufmerksamkeit, bald forschte sie auf unsern
Gesichtern. Mir wollte das Herz zerspringen,
und der Vater mußte sich fast immer seitwärts
wenden, um den schrecklichen Kampf seines Jn-
nern zu verbergen. Plötzlich fuhr sie mit dem
Kopf zum Schlage hinaus und sah rückwärts.
Die Sonne sandte eben ihre ersten Purpurstrah-
len herauf. Sie fuhr erschrocken zurück. Wir
fahren der Sonne nicht entgegen, sagte sie fast
vernichtet, gegen Abend kann Frankfnrt nicht
liegen. Wohin führt ihr mich? fragte sie stär-
ker, und faßte krampfhaft die Hand meines

miſſen, als daß er leide. Klara! theure geliebte
Klara, bat mein Vater, gedenke dieſes Aus-
ſpruchs, gedenke deines Geluͤbdes. Das Schick-
ſal koͤnnte dich maͤchtig ergreifen. Jch buͤckte
mich auf ihre Knie nieder, und uͤberſtroͤmte
ſie mit meinen Thraͤnen. Sie verſank in
tiefes Schweigen, wir ſchwiegen alle. So
fuhren wir den uͤbrigen Theil der Nacht hin-
durch, bis die Morgenroͤthe hervorbrach. Die
erſten Strahlen des Lichts regten meine Mutter
wieder zu einigem klaren Bewußtſeyn auf. Sie
betrachtete bald die Gegenſtaͤnde am Wege mit
Aufmerkſamkeit, bald forſchte ſie auf unſern
Geſichtern. Mir wollte das Herz zerſpringen,
und der Vater mußte ſich faſt immer ſeitwaͤrts
wenden, um den ſchrecklichen Kampf ſeines Jn-
nern zu verbergen. Ploͤtzlich fuhr ſie mit dem
Kopf zum Schlage hinaus und ſah ruͤckwaͤrts.
Die Sonne ſandte eben ihre erſten Purpurſtrah-
len herauf. Sie fuhr erſchrocken zuruͤck. Wir
fahren der Sonne nicht entgegen, ſagte ſie faſt
vernichtet, gegen Abend kann Frankfnrt nicht
liegen. Wohin fuͤhrt ihr mich? fragte ſie ſtaͤr-
ker, und faßte krampfhaft die Hand meines

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0147" n="137"/>
mi&#x017F;&#x017F;en, als daß er leide. Klara! theure geliebte<lb/>
Klara, bat mein Vater, gedenke die&#x017F;es Aus-<lb/>
&#x017F;pruchs, gedenke deines Gelu&#x0364;bdes. Das Schick-<lb/>
&#x017F;al ko&#x0364;nnte dich ma&#x0364;chtig ergreifen. Jch bu&#x0364;ckte<lb/>
mich auf ihre Knie nieder, und u&#x0364;ber&#x017F;tro&#x0364;mte<lb/>
&#x017F;ie mit meinen Thra&#x0364;nen. Sie ver&#x017F;ank in<lb/>
tiefes Schweigen, wir &#x017F;chwiegen alle. So<lb/>
fuhren wir den u&#x0364;brigen Theil der Nacht hin-<lb/>
durch, bis die Morgenro&#x0364;the hervorbrach. Die<lb/>
er&#x017F;ten Strahlen des Lichts regten meine Mutter<lb/>
wieder zu einigem klaren Bewußt&#x017F;eyn auf. Sie<lb/>
betrachtete bald die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde am Wege mit<lb/>
Aufmerk&#x017F;amkeit, bald for&#x017F;chte &#x017F;ie auf un&#x017F;ern<lb/>
Ge&#x017F;ichtern. Mir wollte das Herz zer&#x017F;pringen,<lb/>
und der Vater mußte &#x017F;ich fa&#x017F;t immer &#x017F;eitwa&#x0364;rts<lb/>
wenden, um den &#x017F;chrecklichen Kampf &#x017F;eines Jn-<lb/>
nern zu verbergen. Plo&#x0364;tzlich fuhr &#x017F;ie mit dem<lb/>
Kopf zum Schlage hinaus und &#x017F;ah ru&#x0364;ckwa&#x0364;rts.<lb/>
Die Sonne &#x017F;andte eben ihre er&#x017F;ten Purpur&#x017F;trah-<lb/>
len herauf. Sie fuhr er&#x017F;chrocken zuru&#x0364;ck. Wir<lb/>
fahren der Sonne nicht entgegen, &#x017F;agte &#x017F;ie fa&#x017F;t<lb/>
vernichtet, gegen Abend kann Frankfnrt nicht<lb/>
liegen. Wohin fu&#x0364;hrt ihr mich? fragte &#x017F;ie &#x017F;ta&#x0364;r-<lb/>
ker, und faßte krampfhaft die Hand meines<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[137/0147] miſſen, als daß er leide. Klara! theure geliebte Klara, bat mein Vater, gedenke dieſes Aus- ſpruchs, gedenke deines Geluͤbdes. Das Schick- ſal koͤnnte dich maͤchtig ergreifen. Jch buͤckte mich auf ihre Knie nieder, und uͤberſtroͤmte ſie mit meinen Thraͤnen. Sie verſank in tiefes Schweigen, wir ſchwiegen alle. So fuhren wir den uͤbrigen Theil der Nacht hin- durch, bis die Morgenroͤthe hervorbrach. Die erſten Strahlen des Lichts regten meine Mutter wieder zu einigem klaren Bewußtſeyn auf. Sie betrachtete bald die Gegenſtaͤnde am Wege mit Aufmerkſamkeit, bald forſchte ſie auf unſern Geſichtern. Mir wollte das Herz zerſpringen, und der Vater mußte ſich faſt immer ſeitwaͤrts wenden, um den ſchrecklichen Kampf ſeines Jn- nern zu verbergen. Ploͤtzlich fuhr ſie mit dem Kopf zum Schlage hinaus und ſah ruͤckwaͤrts. Die Sonne ſandte eben ihre erſten Purpurſtrah- len herauf. Sie fuhr erſchrocken zuruͤck. Wir fahren der Sonne nicht entgegen, ſagte ſie faſt vernichtet, gegen Abend kann Frankfnrt nicht liegen. Wohin fuͤhrt ihr mich? fragte ſie ſtaͤr- ker, und faßte krampfhaft die Hand meines

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/147
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/147>, abgerufen am 14.05.2024.