send, willst du den treuen Jüngling nicht hö- ren, der dir die letzten Grüße seines Bruders bringt? willst du nicht hören, wie er starb? Diese Vorstellungen wirkten, und wir kamen gegen Abend in Monthameau an.
Bleicher Schrecken mahlte sich auf allen Gesichtern als man uns erblickte. Mucius glühete einen Augenblick auf in Freude, als er, beim Eintritt in das Zimmer, mich erblickte. Aber nur einen Augenblick. Blässe des Todes scheuchte den röthlichen Schimmer hinweg, er stürzte au- ßer sich zu den Füßen meiner Mutter, und rief in Tönen der Verzweiflung: ich bringe ihn nicht zurück! Halb bewußtlos sank die Mutter auf seine Schulter hinab. Alles schluchzte, und es verging eine geraume Zeit, ehe ein Wort die Grabesstille unterbrach. Nach und nach löste sich dann freilich, der starre Schmerz in laute Klagen auf. Es wurde gefragt und erzählt, und die Mitternacht rückte heran bei traurigen Gesprächen. Die Natur forderte endlich ihre Rechte, und Schlaf sank auf die müde gewein- ten Augen herab. Die Morgensonne weckte uns zu neuem Jammer. Mir insbesondre stand der
ſend, willſt du den treuen Juͤngling nicht hoͤ- ren, der dir die letzten Gruͤße ſeines Bruders bringt? willſt du nicht hoͤren, wie er ſtarb? Dieſe Vorſtellungen wirkten, und wir kamen gegen Abend in Monthameau an.
Bleicher Schrecken mahlte ſich auf allen Geſichtern als man uns erblickte. Mucius gluͤhete einen Augenblick auf in Freude, als er, beim Eintritt in das Zimmer, mich erblickte. Aber nur einen Augenblick. Blaͤſſe des Todes ſcheuchte den roͤthlichen Schimmer hinweg, er ſtuͤrzte au- ßer ſich zu den Fuͤßen meiner Mutter, und rief in Toͤnen der Verzweiflung: ich bringe ihn nicht zuruͤck! Halb bewußtlos ſank die Mutter auf ſeine Schulter hinab. Alles ſchluchzte, und es verging eine geraume Zeit, ehe ein Wort die Grabesſtille unterbrach. Nach und nach loͤſte ſich dann freilich, der ſtarre Schmerz in laute Klagen auf. Es wurde gefragt und erzaͤhlt, und die Mitternacht ruͤckte heran bei traurigen Geſpraͤchen. Die Natur forderte endlich ihre Rechte, und Schlaf ſank auf die muͤde gewein- ten Augen herab. Die Morgenſonne weckte uns zu neuem Jammer. Mir insbeſondre ſtand der
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ſend, willſt du den treuen Juͤngling nicht hoͤ-
ren, der dir die letzten Gruͤße ſeines Bruders
bringt? willſt du nicht hoͤren, wie er ſtarb?
Dieſe Vorſtellungen wirkten, und wir kamen
gegen Abend in Monthameau an.
Bleicher Schrecken mahlte ſich auf allen
Geſichtern als man uns erblickte. Mucius gluͤhete
einen Augenblick auf in Freude, als er, beim
Eintritt in das Zimmer, mich erblickte. Aber
nur einen Augenblick. Blaͤſſe des Todes ſcheuchte
den roͤthlichen Schimmer hinweg, er ſtuͤrzte au-
ßer ſich zu den Fuͤßen meiner Mutter, und rief
in Toͤnen der Verzweiflung: ich bringe ihn nicht
zuruͤck! Halb bewußtlos ſank die Mutter auf
ſeine Schulter hinab. Alles ſchluchzte, und es
verging eine geraume Zeit, ehe ein Wort die
Grabesſtille unterbrach. Nach und nach loͤſte
ſich dann freilich, der ſtarre Schmerz in laute
Klagen auf. Es wurde gefragt und erzaͤhlt,
und die Mitternacht ruͤckte heran bei traurigen
Geſpraͤchen. Die Natur forderte endlich ihre
Rechte, und Schlaf ſank auf die muͤde gewein-
ten Augen herab. Die Morgenſonne weckte uns
zu neuem Jammer. Mir insbeſondre ſtand der
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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/149>, abgerufen am 27.07.2024.
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