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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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nicht Mueius, nicht Emil diesen abentheuerli-
chen Zug begleiten durften, welchen ich mir so
gefahrvoll und schrecklich dachte. Nichts desto
weniger wurde meine fruchtbare Einbildungs-
kraft dieß Mahl noch von der Wirklichkeit über-
troffen; ein seltner Fall. Doch tröstete ich
mich wieder damit, daß ganz Deutschland mit uns
im Bunde war. Diese Nachbarn des eisigen
Nordens, waren ja mit seinen Beschwerlichkei-
ten vertraut, wußten ihnen zu begegnen, und
konnten unsern Kriegern sehr hülfreich seyn.

Sommer und Herbst des Jahres 1812 ver-
strichen uns abwechselnd unter Beschäftigungen
und Vergnügen. Man trank in dem lieblichen
Weine der vorigen Lese die Gesundheit der
Heerführer und manches einzelnen Kriegers,
man hoffte zuversichtlich, sie bald und siegreich
wieder zu sehn, nur mein Vater schien leise
Zweifel zu hegen. Er hatte in einem Briefe an
Victor, welcher jetzt einen hohen Rang beklei-
dete, seine Besorgnisse ausgesprochen. Ba! ant-
wortete dieser, es ist ja nicht unser Lehrwerk! --
Die Sehne wird zu lang gedehnt, sagte mein
Vater, der Stützpunkt ist zu fern, sie reißt.

nicht Mueius, nicht Emil dieſen abentheuerli-
chen Zug begleiten durften, welchen ich mir ſo
gefahrvoll und ſchrecklich dachte. Nichts deſto
weniger wurde meine fruchtbare Einbildungs-
kraft dieß Mahl noch von der Wirklichkeit uͤber-
troffen; ein ſeltner Fall. Doch troͤſtete ich
mich wieder damit, daß ganz Deutſchland mit uns
im Bunde war. Dieſe Nachbarn des eiſigen
Nordens, waren ja mit ſeinen Beſchwerlichkei-
ten vertraut, wußten ihnen zu begegnen, und
konnten unſern Kriegern ſehr huͤlfreich ſeyn.

Sommer und Herbſt des Jahres 1812 ver-
ſtrichen uns abwechſelnd unter Beſchaͤftigungen
und Vergnuͤgen. Man trank in dem lieblichen
Weine der vorigen Leſe die Geſundheit der
Heerfuͤhrer und manches einzelnen Kriegers,
man hoffte zuverſichtlich, ſie bald und ſiegreich
wieder zu ſehn, nur mein Vater ſchien leiſe
Zweifel zu hegen. Er hatte in einem Briefe an
Victor, welcher jetzt einen hohen Rang beklei-
dete, ſeine Beſorgniſſe ausgeſprochen. Ba! ant-
wortete dieſer, es iſt ja nicht unſer Lehrwerk! —
Die Sehne wird zu lang gedehnt, ſagte mein
Vater, der Stuͤtzpunkt iſt zu fern, ſie reißt.

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[151/0161] nicht Mueius, nicht Emil dieſen abentheuerli- chen Zug begleiten durften, welchen ich mir ſo gefahrvoll und ſchrecklich dachte. Nichts deſto weniger wurde meine fruchtbare Einbildungs- kraft dieß Mahl noch von der Wirklichkeit uͤber- troffen; ein ſeltner Fall. Doch troͤſtete ich mich wieder damit, daß ganz Deutſchland mit uns im Bunde war. Dieſe Nachbarn des eiſigen Nordens, waren ja mit ſeinen Beſchwerlichkei- ten vertraut, wußten ihnen zu begegnen, und konnten unſern Kriegern ſehr huͤlfreich ſeyn. Sommer und Herbſt des Jahres 1812 ver- ſtrichen uns abwechſelnd unter Beſchaͤftigungen und Vergnuͤgen. Man trank in dem lieblichen Weine der vorigen Leſe die Geſundheit der Heerfuͤhrer und manches einzelnen Kriegers, man hoffte zuverſichtlich, ſie bald und ſiegreich wieder zu ſehn, nur mein Vater ſchien leiſe Zweifel zu hegen. Er hatte in einem Briefe an Victor, welcher jetzt einen hohen Rang beklei- dete, ſeine Beſorgniſſe ausgeſprochen. Ba! ant- wortete dieſer, es iſt ja nicht unſer Lehrwerk! — Die Sehne wird zu lang gedehnt, ſagte mein Vater, der Stuͤtzpunkt iſt zu fern, ſie reißt.

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/161>, abgerufen am 21.11.2024.