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Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

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nes Augenzeugen, ohne inneres Leiden, anhören;
die Beschreibung einer Wunde verursachte mir
den heftigsten Schmerz an dem eigenen unver-
letzten Gliede, und niemals hatte ich mich entschlie-
ßen können, auch nur eine Taube oder ein Huhn
schlachten zu sehen. Und jetzt, dem Blutvergießen so
nahe, oft blutenden Verwundeten begegnend, und
ich lebte noch? Zu erklären mag es nicht seyn, doch
führe ich es an wie es sich in der That verhielt. Die
Besorgniß um den Vater regte sich oft lebhaft
in meinem Herzen, aber der Eindruck welchen das
Ganze auf mich machte, die Größe des Augenblicks
ließ sie nie überwiegend werden. So ging und
kam ich, in gespannter Erwartung, theilte den ein-
zelnen Verwundeten meine Tücher und mein Geld
mit, und hegte noch immer die Hoffnung eines sieg-
reichen Ausganges, als schon das Gerücht sich
verbreitete, man habe Kosacken bis dicht an die
Barrieren streifen sehen.

Nun war kein Verweilen mehr. Man riß
mich mit Gewalt fort nach unsrer Wohnung.
Jetzt erst, da ich daheim war, in den eingeschos-
senen Zimmern, ergriff mich die quälendste Un-
ruhe. Eine plötzliche Stille folgte auf den

nes Augenzeugen, ohne inneres Leiden, anhoͤren;
die Beſchreibung einer Wunde verurſachte mir
den heftigſten Schmerz an dem eigenen unver-
letzten Gliede, und niemals hatte ich mich entſchlie-
ßen koͤnnen, auch nur eine Taube oder ein Huhn
ſchlachten zu ſehen. Und jetzt, dem Blutvergießen ſo
nahe, oft blutenden Verwundeten begegnend, und
ich lebte noch? Zu erklaͤren mag es nicht ſeyn, doch
fuͤhre ich es an wie es ſich in der That verhielt. Die
Beſorgniß um den Vater regte ſich oft lebhaft
in meinem Herzen, aber der Eindruck welchen das
Ganze auf mich machte, die Groͤße des Augenblicks
ließ ſie nie uͤberwiegend werden. So ging und
kam ich, in geſpannter Erwartung, theilte den ein-
zelnen Verwundeten meine Tuͤcher und mein Geld
mit, und hegte noch immer die Hoffnung eines ſieg-
reichen Ausganges, als ſchon das Geruͤcht ſich
verbreitete, man habe Koſacken bis dicht an die
Barrieren ſtreifen ſehen.

Nun war kein Verweilen mehr. Man riß
mich mit Gewalt fort nach unſrer Wohnung.
Jetzt erſt, da ich daheim war, in den eingeſchoſ-
ſenen Zimmern, ergriff mich die quaͤlendſte Un-
ruhe. Eine ploͤtzliche Stille folgte auf den

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[173/0183] nes Augenzeugen, ohne inneres Leiden, anhoͤren; die Beſchreibung einer Wunde verurſachte mir den heftigſten Schmerz an dem eigenen unver- letzten Gliede, und niemals hatte ich mich entſchlie- ßen koͤnnen, auch nur eine Taube oder ein Huhn ſchlachten zu ſehen. Und jetzt, dem Blutvergießen ſo nahe, oft blutenden Verwundeten begegnend, und ich lebte noch? Zu erklaͤren mag es nicht ſeyn, doch fuͤhre ich es an wie es ſich in der That verhielt. Die Beſorgniß um den Vater regte ſich oft lebhaft in meinem Herzen, aber der Eindruck welchen das Ganze auf mich machte, die Groͤße des Augenblicks ließ ſie nie uͤberwiegend werden. So ging und kam ich, in geſpannter Erwartung, theilte den ein- zelnen Verwundeten meine Tuͤcher und mein Geld mit, und hegte noch immer die Hoffnung eines ſieg- reichen Ausganges, als ſchon das Geruͤcht ſich verbreitete, man habe Koſacken bis dicht an die Barrieren ſtreifen ſehen. Nun war kein Verweilen mehr. Man riß mich mit Gewalt fort nach unſrer Wohnung. Jetzt erſt, da ich daheim war, in den eingeſchoſ- ſenen Zimmern, ergriff mich die quaͤlendſte Un- ruhe. Eine ploͤtzliche Stille folgte auf den

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Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 1. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia01_1820/183>, abgerufen am 21.11.2024.