Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Hand auf seinen Arm. Er fuhr aus seinen
Träumen auf, preßte meine Hand, und sagte
wie erst halb erwacht: Wäre unser Washington
dort untergegangen! Schön, rief Philippine
lachend, dann könnten wir uns heute nicht der
lieblichen Winterlandschaft erfreuen. Doch, sagte
er nach seiner lakonischen Weise, Virginia ist
leicht, ich schwimme gut. Wir ließen das Ge-
spräch fallen. Guter William! daß Virginia
mehr gerettet, als das nackte Leben, das scheint
dir ein Hinderniß deiner Wünsche? O, wäre
nichts als das, zartsinniger Mann, ich würde
es freudig in den Fluß werfen, und mich in
deinen Arm.

Aber es thürmt sich eine andere Scheide-
wand zwischen uns auf, welche du nicht siehst,
nicht ahndest, die ich selber hinweg schieben
möchte, die aber nur stärker wird, so oft ich
Hand daran legen will. Sieh, William ist so
lieb und gut, ich achte ihn hoch, ich habe ihn
so gern, ich kann mir stundenlang denken, wie
glücklich eine Gattinn mit ihm leben wird; aber
wenn mir dann einfällt, daß ich diese Gattinn
seyn könnte, dann versinkt plötzlich, wie durch

Hand auf ſeinen Arm. Er fuhr aus ſeinen
Traͤumen auf, preßte meine Hand, und ſagte
wie erſt halb erwacht: Waͤre unſer Waſhington
dort untergegangen! Schoͤn, rief Philippine
lachend, dann koͤnnten wir uns heute nicht der
lieblichen Winterlandſchaft erfreuen. Doch, ſagte
er nach ſeiner lakoniſchen Weiſe, Virginia iſt
leicht, ich ſchwimme gut. Wir ließen das Ge-
ſpraͤch fallen. Guter William! daß Virginia
mehr gerettet, als das nackte Leben, das ſcheint
dir ein Hinderniß deiner Wuͤnſche? O, waͤre
nichts als das, zartſinniger Mann, ich wuͤrde
es freudig in den Fluß werfen, und mich in
deinen Arm.

Aber es thuͤrmt ſich eine andere Scheide-
wand zwiſchen uns auf, welche du nicht ſiehſt,
nicht ahndeſt, die ich ſelber hinweg ſchieben
moͤchte, die aber nur ſtaͤrker wird, ſo oft ich
Hand daran legen will. Sieh, William iſt ſo
lieb und gut, ich achte ihn hoch, ich habe ihn
ſo gern, ich kann mir ſtundenlang denken, wie
gluͤcklich eine Gattinn mit ihm leben wird; aber
wenn mir dann einfaͤllt, daß ich dieſe Gattinn
ſeyn koͤnnte, dann verſinkt ploͤtzlich, wie durch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0017" n="9"/>
Hand auf &#x017F;einen Arm. Er fuhr aus &#x017F;einen<lb/>
Tra&#x0364;umen auf, preßte meine Hand, und &#x017F;agte<lb/>
wie er&#x017F;t halb erwacht: Wa&#x0364;re un&#x017F;er Wa&#x017F;hington<lb/>
dort untergegangen! Scho&#x0364;n, rief Philippine<lb/>
lachend, dann ko&#x0364;nnten wir uns heute nicht der<lb/>
lieblichen Winterland&#x017F;chaft erfreuen. Doch, &#x017F;agte<lb/>
er nach &#x017F;einer lakoni&#x017F;chen Wei&#x017F;e, Virginia i&#x017F;t<lb/>
leicht, ich &#x017F;chwimme gut. Wir ließen das Ge-<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;ch fallen. Guter William! daß Virginia<lb/>
mehr gerettet, als das nackte Leben, das &#x017F;cheint<lb/>
dir ein Hinderniß deiner Wu&#x0364;n&#x017F;che? O, wa&#x0364;re<lb/>
nichts als das, zart&#x017F;inniger Mann, ich wu&#x0364;rde<lb/>
es freudig in den Fluß werfen, und mich in<lb/>
deinen Arm.</p><lb/>
          <p>Aber es thu&#x0364;rmt &#x017F;ich eine andere Scheide-<lb/>
wand zwi&#x017F;chen uns auf, welche du nicht &#x017F;ieh&#x017F;t,<lb/>
nicht ahnde&#x017F;t, die ich &#x017F;elber hinweg &#x017F;chieben<lb/>
mo&#x0364;chte, die aber nur &#x017F;ta&#x0364;rker wird, &#x017F;o oft ich<lb/>
Hand daran legen will. Sieh, William i&#x017F;t &#x017F;o<lb/>
lieb und gut, ich achte ihn hoch, ich habe ihn<lb/>
&#x017F;o gern, ich kann mir &#x017F;tundenlang denken, wie<lb/>
glu&#x0364;cklich eine Gattinn mit ihm leben wird; aber<lb/>
wenn mir dann einfa&#x0364;llt, daß ich die&#x017F;e Gattinn<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nnte, dann ver&#x017F;inkt plo&#x0364;tzlich, wie durch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[9/0017] Hand auf ſeinen Arm. Er fuhr aus ſeinen Traͤumen auf, preßte meine Hand, und ſagte wie erſt halb erwacht: Waͤre unſer Waſhington dort untergegangen! Schoͤn, rief Philippine lachend, dann koͤnnten wir uns heute nicht der lieblichen Winterlandſchaft erfreuen. Doch, ſagte er nach ſeiner lakoniſchen Weiſe, Virginia iſt leicht, ich ſchwimme gut. Wir ließen das Ge- ſpraͤch fallen. Guter William! daß Virginia mehr gerettet, als das nackte Leben, das ſcheint dir ein Hinderniß deiner Wuͤnſche? O, waͤre nichts als das, zartſinniger Mann, ich wuͤrde es freudig in den Fluß werfen, und mich in deinen Arm. Aber es thuͤrmt ſich eine andere Scheide- wand zwiſchen uns auf, welche du nicht ſiehſt, nicht ahndeſt, die ich ſelber hinweg ſchieben moͤchte, die aber nur ſtaͤrker wird, ſo oft ich Hand daran legen will. Sieh, William iſt ſo lieb und gut, ich achte ihn hoch, ich habe ihn ſo gern, ich kann mir ſtundenlang denken, wie gluͤcklich eine Gattinn mit ihm leben wird; aber wenn mir dann einfaͤllt, daß ich dieſe Gattinn ſeyn koͤnnte, dann verſinkt ploͤtzlich, wie durch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/17
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/17>, abgerufen am 03.12.2024.