Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

der Felsen über welche sich der Niagara stürzt;
hier ließen wir Vieh und Geräth unter Js-
maels Obhuth, und John führte uns auf stei-
len Fußpfaden bis zu einer Höhe, von welcher
wir den betäubenden, jede Beschreibung übertref-
fenden Wassersturz übersehen konnten. Wir wa-
ren alle ergriffen von diesem einzigen Schau-
spiele. Donnernd stürzt sich der Strom von
Fels zu Fels, himmelhoch spritzt der Schaum
empor, von der Sonne durchschienen, einem
Goldregen gleich; hundertfältige Regenbogen bil-
den sich an dem dichter herabfallenden Gewässer.
Die Sprache ist zu mangelhaft den Eindruck
wieder zu geben, den das Auge kaum im Gan-
zen auf zu fassen vermag. Sprachlos standen
wir lange, und staunten vor uns hin, dann gab
ich meine Dienerschaft durch Winke zu verste-
hen, daß ich bis zu einer Abstufung des Felsens
ohne Begleitung hinunter steigen wolle, wohin
ein bequemer Pfad führte, und wo einige Wöl-
bungen einen kühlen Aufenthalt zu bieten schie-
nen; ich wollte ungestört seyn. Als ich um
eine Ecke bog, erblickte ich ein männliches We-
sen, welches in Gedanken verloren zu seyn

der Felſen uͤber welche ſich der Niagara ſtuͤrzt;
hier ließen wir Vieh und Geraͤth unter Js-
maels Obhuth, und John fuͤhrte uns auf ſtei-
len Fußpfaden bis zu einer Hoͤhe, von welcher
wir den betaͤubenden, jede Beſchreibung uͤbertref-
fenden Waſſerſturz uͤberſehen konnten. Wir wa-
ren alle ergriffen von dieſem einzigen Schau-
ſpiele. Donnernd ſtuͤrzt ſich der Strom von
Fels zu Fels, himmelhoch ſpritzt der Schaum
empor, von der Sonne durchſchienen, einem
Goldregen gleich; hundertfaͤltige Regenbogen bil-
den ſich an dem dichter herabfallenden Gewaͤſſer.
Die Sprache iſt zu mangelhaft den Eindruck
wieder zu geben, den das Auge kaum im Gan-
zen auf zu faſſen vermag. Sprachlos ſtanden
wir lange, und ſtaunten vor uns hin, dann gab
ich meine Dienerſchaft durch Winke zu verſte-
hen, daß ich bis zu einer Abſtufung des Felſens
ohne Begleitung hinunter ſteigen wolle, wohin
ein bequemer Pfad fuͤhrte, und wo einige Woͤl-
bungen einen kuͤhlen Aufenthalt zu bieten ſchie-
nen; ich wollte ungeſtoͤrt ſeyn. Als ich um
eine Ecke bog, erblickte ich ein maͤnnliches We-
ſen, welches in Gedanken verloren zu ſeyn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="52"/>
der Fel&#x017F;en u&#x0364;ber welche &#x017F;ich der Niagara &#x017F;tu&#x0364;rzt;<lb/>
hier ließen wir Vieh und Gera&#x0364;th unter Js-<lb/>
maels Obhuth, und John fu&#x0364;hrte uns auf &#x017F;tei-<lb/>
len Fußpfaden bis zu einer Ho&#x0364;he, von welcher<lb/>
wir den beta&#x0364;ubenden, jede Be&#x017F;chreibung u&#x0364;bertref-<lb/>
fenden Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;turz u&#x0364;ber&#x017F;ehen konnten. Wir wa-<lb/>
ren alle ergriffen von die&#x017F;em einzigen Schau-<lb/>
&#x017F;piele. Donnernd &#x017F;tu&#x0364;rzt &#x017F;ich der Strom von<lb/>
Fels zu Fels, himmelhoch &#x017F;pritzt der Schaum<lb/>
empor, von der Sonne durch&#x017F;chienen, einem<lb/>
Goldregen gleich; hundertfa&#x0364;ltige Regenbogen bil-<lb/>
den &#x017F;ich an dem dichter herabfallenden Gewa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er.<lb/>
Die Sprache i&#x017F;t zu mangelhaft den Eindruck<lb/>
wieder zu geben, den das Auge kaum im Gan-<lb/>
zen auf zu fa&#x017F;&#x017F;en vermag. Sprachlos &#x017F;tanden<lb/>
wir lange, und &#x017F;taunten vor uns hin, dann gab<lb/>
ich meine Diener&#x017F;chaft durch Winke zu ver&#x017F;te-<lb/>
hen, daß ich bis zu einer Ab&#x017F;tufung des Fel&#x017F;ens<lb/>
ohne Begleitung hinunter &#x017F;teigen wolle, wohin<lb/>
ein bequemer Pfad fu&#x0364;hrte, und wo einige Wo&#x0364;l-<lb/>
bungen einen ku&#x0364;hlen Aufenthalt zu bieten &#x017F;chie-<lb/>
nen; ich wollte unge&#x017F;to&#x0364;rt &#x017F;eyn. Als ich um<lb/>
eine Ecke bog, erblickte ich ein ma&#x0364;nnliches We-<lb/>
&#x017F;en, welches in Gedanken verloren zu &#x017F;eyn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0060] der Felſen uͤber welche ſich der Niagara ſtuͤrzt; hier ließen wir Vieh und Geraͤth unter Js- maels Obhuth, und John fuͤhrte uns auf ſtei- len Fußpfaden bis zu einer Hoͤhe, von welcher wir den betaͤubenden, jede Beſchreibung uͤbertref- fenden Waſſerſturz uͤberſehen konnten. Wir wa- ren alle ergriffen von dieſem einzigen Schau- ſpiele. Donnernd ſtuͤrzt ſich der Strom von Fels zu Fels, himmelhoch ſpritzt der Schaum empor, von der Sonne durchſchienen, einem Goldregen gleich; hundertfaͤltige Regenbogen bil- den ſich an dem dichter herabfallenden Gewaͤſſer. Die Sprache iſt zu mangelhaft den Eindruck wieder zu geben, den das Auge kaum im Gan- zen auf zu faſſen vermag. Sprachlos ſtanden wir lange, und ſtaunten vor uns hin, dann gab ich meine Dienerſchaft durch Winke zu verſte- hen, daß ich bis zu einer Abſtufung des Felſens ohne Begleitung hinunter ſteigen wolle, wohin ein bequemer Pfad fuͤhrte, und wo einige Woͤl- bungen einen kuͤhlen Aufenthalt zu bieten ſchie- nen; ich wollte ungeſtoͤrt ſeyn. Als ich um eine Ecke bog, erblickte ich ein maͤnnliches We- ſen, welches in Gedanken verloren zu ſeyn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/60
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/60>, abgerufen am 26.11.2024.