dachter Laut, zu einem üblichen Sprachlaut wer- den könnte, das Gegentheil kommt vielmehr gar oft vor, und weil solches aus der Natur des Men- schen folgt; und also als ein Einfluß der Mensch- lichkeit in die Sprache gilt; so wollen wir diesen Fall, den man die Mundart nennt, gegen die Er- findung stellen. Nun überdenke man die unzäh- lig verschiedene Mundarten, nur von unserer deutschen Sprache, nach der unterschiedenen Schwebung, Veränderung und Verbindung ih- rer Selbst- und Mitlauter, nebst der Verlänge- rung und Verkürzung der Sylben, und forsche alsdenn nach, ob die mindeste Erfindung an alle diesem Antheil habe? Es wird jeder deutlich ein- sehen, daß des einen Ungeschicklichkeit, oder Nach- läßigkeit, Stolz, oder auch Muthwillen in seiner Aussprache allen noch jungen Leuten, die ihn öf- ters hörten, und wohl verstunden, ein verführen- der Anlaß, eben so zu reden, ohne Absicht hier- auf, gewesen sey. Da nun Wissen und Willen dieser Nachäffer nicht den mindesten Antheil dar- an hatte; sondern blos der Einfluß des Gehörs
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dachter Laut, zu einem uͤblichen Sprachlaut wer- den koͤnnte, das Gegentheil kommt vielmehr gar oft vor, und weil ſolches aus der Natur des Men- ſchen folgt; und alſo als ein Einfluß der Menſch- lichkeit in die Sprache gilt; ſo wollen wir dieſen Fall, den man die Mundart nennt, gegen die Er- findung ſtellen. Nun uͤberdenke man die unzaͤh- lig verſchiedene Mundarten, nur von unſerer deutſchen Sprache, nach der unterſchiedenen Schwebung, Veraͤnderung und Verbindung ih- rer Selbſt- und Mitlauter, nebſt der Verlaͤnge- rung und Verkuͤrzung der Sylben, und forſche alsdenn nach, ob die mindeſte Erfindung an alle dieſem Antheil habe? Es wird jeder deutlich ein- ſehen, daß des einen Ungeſchicklichkeit, oder Nach- laͤßigkeit, Stolz, oder auch Muthwillen in ſeiner Ausſprache allen noch jungen Leuten, die ihn oͤf- ters hoͤrten, und wohl verſtunden, ein verfuͤhren- der Anlaß, eben ſo zu reden, ohne Abſicht hier- auf, geweſen ſey. Da nun Wiſſen und Willen dieſer Nachaͤffer nicht den mindeſten Antheil dar- an hatte; ſondern blos der Einfluß des Gehoͤrs
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dachter Laut, zu einem uͤblichen Sprachlaut wer-
den koͤnnte, das Gegentheil kommt vielmehr gar
oft vor, und weil ſolches aus der Natur des Men-
ſchen folgt; und alſo als ein Einfluß der Menſch-
lichkeit in die Sprache gilt; ſo wollen wir dieſen
Fall, den man die Mundart nennt, gegen die Er-
findung ſtellen. Nun uͤberdenke man die unzaͤh-
lig verſchiedene Mundarten, nur von unſerer
deutſchen Sprache, nach der unterſchiedenen
Schwebung, Veraͤnderung und Verbindung ih-
rer Selbſt- und Mitlauter, nebſt der Verlaͤnge-
rung und Verkuͤrzung der Sylben, und forſche
alsdenn nach, ob die mindeſte Erfindung an alle
dieſem Antheil habe? Es wird jeder deutlich ein-
ſehen, daß des einen Ungeſchicklichkeit, oder Nach-
laͤßigkeit, Stolz, oder auch Muthwillen in ſeiner
Ausſprache allen noch jungen Leuten, die ihn oͤf-
ters hoͤrten, und wohl verſtunden, ein verfuͤhren-
der Anlaß, eben ſo zu reden, ohne Abſicht hier-
auf, geweſen ſey. Da nun Wiſſen und Willen
dieſer Nachaͤffer nicht den mindeſten Antheil dar-
an hatte; ſondern blos der Einfluß des Gehoͤrs
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[Füchsel, Georg Christian]: Entwurf zu der ältesten Erd- und Menschengeschichte. Frankfurt u. a., 1773, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuechsel_entwurf_1773/95>, abgerufen am 23.11.2024.
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