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Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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hingegen war noch ebenso rüstig als früher und schaffte so viel und fleißig, daß Therese ihrem Kinde manche Stunde widmen konnte. Und dennoch hatte ein trüber Schleier auf den Bewohnern des Pachthofes gelegen, denn ein schweres Jahr war vorübergezogen und hatte die ohnedem dürftigen Bewohner des Dorfes ganz verarmt. Daß Bernhard auf seiner Pachtung das Korn und die Kartoffeln reichlicher und besser geerntet, gereichte ihm eher zur Qual, denn nun kamen alle die armen Leute zu ihm und sagten: Ihr und Euer Graf, der ohnedem so gesegnet ist, habt durch die bessere Ernte noch mehr gewonnen, während wir alle Nichts bekommen haben. Sagt ihm das nur. Ihr könnt beide etwas hergeben.

Sagen mochte aber Bernhard gar nichts mehr, denn der Graf, obgleich er nicht geizig war, war doch nichts weniger als großmüthig; nachdem er eine Spende von ein paar hundert Thalern an die Armen der Umgegend hatte verabreichen lassen, meinte er nun, sich losgekauft zu haben, und hatte Bernhard jede fernere Unterstützung für die Armen abgeschlagen. Ja, als Bernhard damit nicht gleich zur Thüre hinausging, erlaubte er sich sogar einige sehr übellaunige und unhöfliche Worte in den langen rothen Bart zu murmeln, die aber leider Bernhard sehr gut verstand.

Seitdem hatte der Pachter das Schloß nicht mehr betreten; die Geschäfte machte er ab, indem er den Rentmeister, der in einem Nebenhäuschen wohnte, be-

hingegen war noch ebenso rüstig als früher und schaffte so viel und fleißig, daß Therese ihrem Kinde manche Stunde widmen konnte. Und dennoch hatte ein trüber Schleier auf den Bewohnern des Pachthofes gelegen, denn ein schweres Jahr war vorübergezogen und hatte die ohnedem dürftigen Bewohner des Dorfes ganz verarmt. Daß Bernhard auf seiner Pachtung das Korn und die Kartoffeln reichlicher und besser geerntet, gereichte ihm eher zur Qual, denn nun kamen alle die armen Leute zu ihm und sagten: Ihr und Euer Graf, der ohnedem so gesegnet ist, habt durch die bessere Ernte noch mehr gewonnen, während wir alle Nichts bekommen haben. Sagt ihm das nur. Ihr könnt beide etwas hergeben.

Sagen mochte aber Bernhard gar nichts mehr, denn der Graf, obgleich er nicht geizig war, war doch nichts weniger als großmüthig; nachdem er eine Spende von ein paar hundert Thalern an die Armen der Umgegend hatte verabreichen lassen, meinte er nun, sich losgekauft zu haben, und hatte Bernhard jede fernere Unterstützung für die Armen abgeschlagen. Ja, als Bernhard damit nicht gleich zur Thüre hinausging, erlaubte er sich sogar einige sehr übellaunige und unhöfliche Worte in den langen rothen Bart zu murmeln, die aber leider Bernhard sehr gut verstand.

Seitdem hatte der Pachter das Schloß nicht mehr betreten; die Geschäfte machte er ab, indem er den Rentmeister, der in einem Nebenhäuschen wohnte, be-

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[0019] hingegen war noch ebenso rüstig als früher und schaffte so viel und fleißig, daß Therese ihrem Kinde manche Stunde widmen konnte. Und dennoch hatte ein trüber Schleier auf den Bewohnern des Pachthofes gelegen, denn ein schweres Jahr war vorübergezogen und hatte die ohnedem dürftigen Bewohner des Dorfes ganz verarmt. Daß Bernhard auf seiner Pachtung das Korn und die Kartoffeln reichlicher und besser geerntet, gereichte ihm eher zur Qual, denn nun kamen alle die armen Leute zu ihm und sagten: Ihr und Euer Graf, der ohnedem so gesegnet ist, habt durch die bessere Ernte noch mehr gewonnen, während wir alle Nichts bekommen haben. Sagt ihm das nur. Ihr könnt beide etwas hergeben. Sagen mochte aber Bernhard gar nichts mehr, denn der Graf, obgleich er nicht geizig war, war doch nichts weniger als großmüthig; nachdem er eine Spende von ein paar hundert Thalern an die Armen der Umgegend hatte verabreichen lassen, meinte er nun, sich losgekauft zu haben, und hatte Bernhard jede fernere Unterstützung für die Armen abgeschlagen. Ja, als Bernhard damit nicht gleich zur Thüre hinausging, erlaubte er sich sogar einige sehr übellaunige und unhöfliche Worte in den langen rothen Bart zu murmeln, die aber leider Bernhard sehr gut verstand. Seitdem hatte der Pachter das Schloß nicht mehr betreten; die Geschäfte machte er ab, indem er den Rentmeister, der in einem Nebenhäuschen wohnte, be-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:13:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:13:13Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/19>, abgerufen am 09.11.2024.