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Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Das heißt, sagte Bernhard, Sie wollen mich die Treppe hinunterwerfen lassen, weil ich mein eigenes einziges Kind holen will?

Ueber das Kind habe ich mit deiner Frau gesprochen --

So sprich auch jetzt mit ihr, sagte Bernhard mit gräßlichem Spott.

Wo ist sie?

Im Tönniskrug.

Warum hast du sie dort gelassen?

Weil sie todt ist!

Der Graf fuhr zusammen, als habe ihn eine Viper gestochen.

Todt? Unmöglich! Ich habe sie noch heute Morgen auf dem Kirchhofe stehen gesehen, als wir in eure Kirche fuhren!

Eben deßhalb! Weil sie euch in unsre Kirche fahren sah, wollte die Arme die Zeit benutzen und ihr Kind sehen -- und spannte selbst ein und fuhr, um euren gräflichen Rossen zuvorzukommen, so rasend darauf los und peitschte die Pferde, bis -- o Gott -- o Gott, sei mir barmherzig!

Er barg sein Gesicht in seine Hände und weinte wie ein Kind; der Graf, der tief erschüttert war, trat neben ihn, und die Hand auf seine Schulter legend, sagte er leise: Soll meine Frau auch sterben, weil die deinige starb -- soll die fromme Lüge, die ich jetzt tief beklage, uns Beide zu Wittwern machen?

Das heißt, sagte Bernhard, Sie wollen mich die Treppe hinunterwerfen lassen, weil ich mein eigenes einziges Kind holen will?

Ueber das Kind habe ich mit deiner Frau gesprochen —

So sprich auch jetzt mit ihr, sagte Bernhard mit gräßlichem Spott.

Wo ist sie?

Im Tönniskrug.

Warum hast du sie dort gelassen?

Weil sie todt ist!

Der Graf fuhr zusammen, als habe ihn eine Viper gestochen.

Todt? Unmöglich! Ich habe sie noch heute Morgen auf dem Kirchhofe stehen gesehen, als wir in eure Kirche fuhren!

Eben deßhalb! Weil sie euch in unsre Kirche fahren sah, wollte die Arme die Zeit benutzen und ihr Kind sehen — und spannte selbst ein und fuhr, um euren gräflichen Rossen zuvorzukommen, so rasend darauf los und peitschte die Pferde, bis — o Gott — o Gott, sei mir barmherzig!

Er barg sein Gesicht in seine Hände und weinte wie ein Kind; der Graf, der tief erschüttert war, trat neben ihn, und die Hand auf seine Schulter legend, sagte er leise: Soll meine Frau auch sterben, weil die deinige starb — soll die fromme Lüge, die ich jetzt tief beklage, uns Beide zu Wittwern machen?

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:13:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:13:13Z)

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Zitationshilfe: Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/68>, abgerufen am 21.11.2024.