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Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Reihe heiteres Wohlleben im Städtchen gewaltet. Die fürstlichen Beamten hatten sich in der Nähe Villen erbaut; das Gefolge des Kurfürsten, wenn er dort weilte, wohnte freilich im Schloß, aber wie viele Andere wollten die Sonne der fürstlichen Nähe nicht missen, ohne geradezu durch ihre Pflicht an ihn gefesselt zu sein; diese mietheten dann für hohe Preise im Städtchen sich niedere Zimmer und machten sie wohnlich mit Dingen, die sie aus der Hauptstadt herbeischleppen ließen.

Maximilian Franz machte während seiner Regierung keinen längern Aufenthalt im Städtchen; nur für die großen Jagden hielt er sich einige Tage dort auf, aber auch für diese kurze Zeit folgte ihm immer ein Schwarm von Edelleuten und Geistlichen, welche Eigenschaften freilich im Bisthum Münster sehr häufig in Einer Person vereinigt zu sein pflegten, da der ritterbürtige Adel im Besitze der reichen Pfründen war.

Aber alle die Beflissenheit, ihm zu dienen und ihm zu folgen, vermochte nicht das Herz des Fürsten ihnen zuzuneigen; Maximilian Franz liebte die "Junker" nicht, und was er an Freundlichkeit dem Adel versagte, gewährte er auf das Gütigste den Bürgern und ganz besonders den Bauern, die auch diese Gönnerschaft wohl zu schätzen wußten.

Seine Gesinnungen waren, da er kein Hehl daraus machte, so allgemein bekannt, daß ein alter Schulze, den er eines Tages auf seinem Spaziergange nach den Aussichten der Ernte frug, ihm kühn antwortete:

Reihe heiteres Wohlleben im Städtchen gewaltet. Die fürstlichen Beamten hatten sich in der Nähe Villen erbaut; das Gefolge des Kurfürsten, wenn er dort weilte, wohnte freilich im Schloß, aber wie viele Andere wollten die Sonne der fürstlichen Nähe nicht missen, ohne geradezu durch ihre Pflicht an ihn gefesselt zu sein; diese mietheten dann für hohe Preise im Städtchen sich niedere Zimmer und machten sie wohnlich mit Dingen, die sie aus der Hauptstadt herbeischleppen ließen.

Maximilian Franz machte während seiner Regierung keinen längern Aufenthalt im Städtchen; nur für die großen Jagden hielt er sich einige Tage dort auf, aber auch für diese kurze Zeit folgte ihm immer ein Schwarm von Edelleuten und Geistlichen, welche Eigenschaften freilich im Bisthum Münster sehr häufig in Einer Person vereinigt zu sein pflegten, da der ritterbürtige Adel im Besitze der reichen Pfründen war.

Aber alle die Beflissenheit, ihm zu dienen und ihm zu folgen, vermochte nicht das Herz des Fürsten ihnen zuzuneigen; Maximilian Franz liebte die „Junker“ nicht, und was er an Freundlichkeit dem Adel versagte, gewährte er auf das Gütigste den Bürgern und ganz besonders den Bauern, die auch diese Gönnerschaft wohl zu schätzen wußten.

Seine Gesinnungen waren, da er kein Hehl daraus machte, so allgemein bekannt, daß ein alter Schulze, den er eines Tages auf seinem Spaziergange nach den Aussichten der Ernte frug, ihm kühn antwortete:

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[0007] Reihe heiteres Wohlleben im Städtchen gewaltet. Die fürstlichen Beamten hatten sich in der Nähe Villen erbaut; das Gefolge des Kurfürsten, wenn er dort weilte, wohnte freilich im Schloß, aber wie viele Andere wollten die Sonne der fürstlichen Nähe nicht missen, ohne geradezu durch ihre Pflicht an ihn gefesselt zu sein; diese mietheten dann für hohe Preise im Städtchen sich niedere Zimmer und machten sie wohnlich mit Dingen, die sie aus der Hauptstadt herbeischleppen ließen. Maximilian Franz machte während seiner Regierung keinen längern Aufenthalt im Städtchen; nur für die großen Jagden hielt er sich einige Tage dort auf, aber auch für diese kurze Zeit folgte ihm immer ein Schwarm von Edelleuten und Geistlichen, welche Eigenschaften freilich im Bisthum Münster sehr häufig in Einer Person vereinigt zu sein pflegten, da der ritterbürtige Adel im Besitze der reichen Pfründen war. Aber alle die Beflissenheit, ihm zu dienen und ihm zu folgen, vermochte nicht das Herz des Fürsten ihnen zuzuneigen; Maximilian Franz liebte die „Junker“ nicht, und was er an Freundlichkeit dem Adel versagte, gewährte er auf das Gütigste den Bürgern und ganz besonders den Bauern, die auch diese Gönnerschaft wohl zu schätzen wußten. Seine Gesinnungen waren, da er kein Hehl daraus machte, so allgemein bekannt, daß ein alter Schulze, den er eines Tages auf seinem Spaziergange nach den Aussichten der Ernte frug, ihm kühn antwortete:

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:13:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:13:13Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/7>, abgerufen am 21.11.2024.