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Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nicht, sondern versetzte, indem er die Mütze zwischen den Fingern drehte:

Ihr habt ein Grab für sie bestellt, ist's nicht so?

Gewiß! Und morgen wird sie beerdigt.

Auf unserm Kirchhof?

Gewiß!

Bernhard, sagte nun der alte Bauer, indem er seine Mütze immer heftiger drehte, gebt den Gedanken auf und laßt doch lieber Eure Frau im nächsten Städtchen begraben -- da sind ja so viele Calviner!

Wollt Ihr sie etwa nicht hier begraben lassen? rief Bernhard, indem er aufsprang und vor den Kirchenvater trat.

Nein, sagte lakonisch der Bauer, wir wollen es nicht -- nicht um Euch zu kränken, sondern des Beispiels halber -- es ist noch Keiner bei uns verscharrt, unser Kirchhof ist noch rein!

Bernhard faßte den alten Mann und sagte mit lauter, vor Wuth bebender Stimme:

Wahnsinniges Volk! Eure Wohlthäterin, die für euch gestorben, der ihr ein Armenhaus, eine Kirchenorgel, ein Krankenhaus und eure Kinder einen guten Unterricht verdanken, der gönnt ihr nicht ein Grab auf eurem Boden, damit er nicht verunreinigt werde!

Der Bauer sah ihn erschrocken an, denn indem Bernhard das Verdienst aller Wohlthaten, die der Graf im letzten Jahre dem Dorfe erwiesen, für seine Frau in Anspruch nahm, gab er ihm den sichern Be-

nicht, sondern versetzte, indem er die Mütze zwischen den Fingern drehte:

Ihr habt ein Grab für sie bestellt, ist's nicht so?

Gewiß! Und morgen wird sie beerdigt.

Auf unserm Kirchhof?

Gewiß!

Bernhard, sagte nun der alte Bauer, indem er seine Mütze immer heftiger drehte, gebt den Gedanken auf und laßt doch lieber Eure Frau im nächsten Städtchen begraben — da sind ja so viele Calviner!

Wollt Ihr sie etwa nicht hier begraben lassen? rief Bernhard, indem er aufsprang und vor den Kirchenvater trat.

Nein, sagte lakonisch der Bauer, wir wollen es nicht — nicht um Euch zu kränken, sondern des Beispiels halber — es ist noch Keiner bei uns verscharrt, unser Kirchhof ist noch rein!

Bernhard faßte den alten Mann und sagte mit lauter, vor Wuth bebender Stimme:

Wahnsinniges Volk! Eure Wohlthäterin, die für euch gestorben, der ihr ein Armenhaus, eine Kirchenorgel, ein Krankenhaus und eure Kinder einen guten Unterricht verdanken, der gönnt ihr nicht ein Grab auf eurem Boden, damit er nicht verunreinigt werde!

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[0071] nicht, sondern versetzte, indem er die Mütze zwischen den Fingern drehte: Ihr habt ein Grab für sie bestellt, ist's nicht so? Gewiß! Und morgen wird sie beerdigt. Auf unserm Kirchhof? Gewiß! Bernhard, sagte nun der alte Bauer, indem er seine Mütze immer heftiger drehte, gebt den Gedanken auf und laßt doch lieber Eure Frau im nächsten Städtchen begraben — da sind ja so viele Calviner! Wollt Ihr sie etwa nicht hier begraben lassen? rief Bernhard, indem er aufsprang und vor den Kirchenvater trat. Nein, sagte lakonisch der Bauer, wir wollen es nicht — nicht um Euch zu kränken, sondern des Beispiels halber — es ist noch Keiner bei uns verscharrt, unser Kirchhof ist noch rein! Bernhard faßte den alten Mann und sagte mit lauter, vor Wuth bebender Stimme: Wahnsinniges Volk! Eure Wohlthäterin, die für euch gestorben, der ihr ein Armenhaus, eine Kirchenorgel, ein Krankenhaus und eure Kinder einen guten Unterricht verdanken, der gönnt ihr nicht ein Grab auf eurem Boden, damit er nicht verunreinigt werde! Der Bauer sah ihn erschrocken an, denn indem Bernhard das Verdienst aller Wohlthaten, die der Graf im letzten Jahre dem Dorfe erwiesen, für seine Frau in Anspruch nahm, gab er ihm den sichern Be-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:13:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:13:13Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/71>, abgerufen am 21.11.2024.