reich sind, kommen mit ziemlicher Uebereinstimmung und Brauchbarkeit ihrer Theile zur Welt, wie zum Beispiel das Fülle und das Kalb. -- Andere, die in vielen Rücksichten zu niedern Klassen gehören, ha- ben vielleicht eine mit der Dauer ihres Lebens ver- hältnißmäßig eben so langsame Entwicklung, als der Mensch, z. B. die Mause. Der Hund, so erhaben er über die Maus ist, steht ihr doch vielleicht in dieser Rücksicht nach. Mir scheint hier wieder, daß sich die Natur weder an die grössere Vollkommenheit des Thieres, noch an die verhältnißmäsige Dauer seines Lebens, sondern gerade an die Art der Bedürfnisse gehalten habe; und auf diesen großen Hauptendzweck hin sind alle Arten des Entstehens, der Geburt und der Lebensart in die Bestimmung einer jedweden Thier- gattung verwebt werden. Der Vogel, die Mause, der Hund und der Mensch konnten ihren Jungen ein Nest, eine Höhle, ein Bett, überhaupt einen Schutz verschaffen; aber das flüchtige Reh, das muthige Roß, u. s. w. musten alsogleich ihr Junges davon füh- ren können, wenn es nicht vor der Zeit unter so vie- len Gefahren zu Grunde gehen sollte. Andere, wie z. B. das Enten- und Hühnergeschlecht haben die Fer- tigkeit bekommen, vom Eye weg zu schwimmen oder durch die Felder zu laufen, und erst spät sind ihnen die Erfodernisse zum Fluge gegeben worden. Wie lang- sam kommen die Insekten, die Frösche zu ihrer eigent- lichen Bestimmung! Ein sehr überzeugender Beweis, wie sehr sich die Natur an das bloße Bedürfniß gehal- ten habe, ist der allermeist mangelhafte Gebrauch je-
ner
reich ſind, kommen mit ziemlicher Uebereinſtimmung und Brauchbarkeit ihrer Theile zur Welt, wie zum Beiſpiel das Fuͤlle und das Kalb. — Andere, die in vielen Ruͤckſichten zu niedern Klaſſen gehoͤren, ha- ben vielleicht eine mit der Dauer ihres Lebens ver- haͤltnißmaͤßig eben ſo langſame Entwicklung, als der Menſch, z. B. die Mauſe. Der Hund, ſo erhaben er uͤber die Maus iſt, ſteht ihr doch vielleicht in dieſer Ruͤckſicht nach. Mir ſcheint hier wieder, daß ſich die Natur weder an die groͤſſere Vollkommenheit des Thieres, noch an die verhaͤltnißmaͤſige Dauer ſeines Lebens, ſondern gerade an die Art der Beduͤrfniſſe gehalten habe; und auf dieſen großen Hauptendzweck hin ſind alle Arten des Entſtehens, der Geburt und der Lebensart in die Beſtimmung einer jedweden Thier- gattung verwebt werden. Der Vogel, die Mauſe, der Hund und der Menſch konnten ihren Jungen ein Neſt, eine Hoͤhle, ein Bett, uͤberhaupt einen Schutz verſchaffen; aber das fluͤchtige Reh, das muthige Roß, u. ſ. w. muſten alſogleich ihr Junges davon fuͤh- ren koͤnnen, wenn es nicht vor der Zeit unter ſo vie- len Gefahren zu Grunde gehen ſollte. Andere, wie z. B. das Enten- und Huͤhnergeſchlecht haben die Fer- tigkeit bekommen, vom Eye weg zu ſchwimmen oder durch die Felder zu laufen, und erſt ſpaͤt ſind ihnen die Erfoderniſſe zum Fluge gegeben worden. Wie lang- ſam kommen die Inſekten, die Froͤſche zu ihrer eigent- lichen Beſtimmung! Ein ſehr uͤberzeugender Beweis, wie ſehr ſich die Natur an das bloße Beduͤrfniß gehal- ten habe, iſt der allermeiſt mangelhafte Gebrauch je-
ner
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0138"n="119"/>
reich ſind, kommen mit ziemlicher Uebereinſtimmung<lb/>
und Brauchbarkeit ihrer Theile zur Welt, wie zum<lb/>
Beiſpiel das Fuͤlle und das Kalb. — Andere, die<lb/>
in vielen Ruͤckſichten zu niedern Klaſſen gehoͤren, ha-<lb/>
ben vielleicht eine mit der Dauer ihres Lebens ver-<lb/>
haͤltnißmaͤßig eben ſo langſame Entwicklung, als der<lb/>
Menſch, z. B. die Mauſe. Der Hund, ſo erhaben er<lb/>
uͤber die Maus iſt, ſteht ihr doch vielleicht in dieſer<lb/>
Ruͤckſicht nach. Mir ſcheint hier wieder, daß ſich<lb/>
die Natur weder an die groͤſſere Vollkommenheit des<lb/>
Thieres, noch an die verhaͤltnißmaͤſige Dauer ſeines<lb/>
Lebens, ſondern gerade an die Art der Beduͤrfniſſe<lb/>
gehalten habe; und auf dieſen großen Hauptendzweck<lb/>
hin ſind alle Arten des Entſtehens, der Geburt und<lb/>
der Lebensart in die Beſtimmung einer jedweden Thier-<lb/>
gattung verwebt werden. Der Vogel, die Mauſe,<lb/>
der Hund und der Menſch konnten ihren Jungen ein<lb/>
Neſt, eine Hoͤhle, ein Bett, uͤberhaupt einen Schutz<lb/>
verſchaffen; aber das fluͤchtige Reh, das muthige<lb/>
Roß, u. ſ. w. muſten alſogleich ihr Junges davon fuͤh-<lb/>
ren koͤnnen, wenn es nicht vor der Zeit unter ſo vie-<lb/>
len Gefahren zu Grunde gehen ſollte. Andere, wie<lb/>
z. B. das Enten- und Huͤhnergeſchlecht haben die Fer-<lb/>
tigkeit bekommen, vom Eye weg zu ſchwimmen oder<lb/>
durch die Felder zu laufen, und erſt ſpaͤt ſind ihnen die<lb/>
Erfoderniſſe zum Fluge gegeben worden. Wie lang-<lb/>ſam kommen die Inſekten, die Froͤſche zu ihrer eigent-<lb/>
lichen Beſtimmung! Ein ſehr uͤberzeugender Beweis,<lb/>
wie ſehr ſich die Natur an das bloße Beduͤrfniß gehal-<lb/>
ten habe, iſt der allermeiſt mangelhafte Gebrauch je-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ner</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[119/0138]
reich ſind, kommen mit ziemlicher Uebereinſtimmung
und Brauchbarkeit ihrer Theile zur Welt, wie zum
Beiſpiel das Fuͤlle und das Kalb. — Andere, die
in vielen Ruͤckſichten zu niedern Klaſſen gehoͤren, ha-
ben vielleicht eine mit der Dauer ihres Lebens ver-
haͤltnißmaͤßig eben ſo langſame Entwicklung, als der
Menſch, z. B. die Mauſe. Der Hund, ſo erhaben er
uͤber die Maus iſt, ſteht ihr doch vielleicht in dieſer
Ruͤckſicht nach. Mir ſcheint hier wieder, daß ſich
die Natur weder an die groͤſſere Vollkommenheit des
Thieres, noch an die verhaͤltnißmaͤſige Dauer ſeines
Lebens, ſondern gerade an die Art der Beduͤrfniſſe
gehalten habe; und auf dieſen großen Hauptendzweck
hin ſind alle Arten des Entſtehens, der Geburt und
der Lebensart in die Beſtimmung einer jedweden Thier-
gattung verwebt werden. Der Vogel, die Mauſe,
der Hund und der Menſch konnten ihren Jungen ein
Neſt, eine Hoͤhle, ein Bett, uͤberhaupt einen Schutz
verſchaffen; aber das fluͤchtige Reh, das muthige
Roß, u. ſ. w. muſten alſogleich ihr Junges davon fuͤh-
ren koͤnnen, wenn es nicht vor der Zeit unter ſo vie-
len Gefahren zu Grunde gehen ſollte. Andere, wie
z. B. das Enten- und Huͤhnergeſchlecht haben die Fer-
tigkeit bekommen, vom Eye weg zu ſchwimmen oder
durch die Felder zu laufen, und erſt ſpaͤt ſind ihnen die
Erfoderniſſe zum Fluge gegeben worden. Wie lang-
ſam kommen die Inſekten, die Froͤſche zu ihrer eigent-
lichen Beſtimmung! Ein ſehr uͤberzeugender Beweis,
wie ſehr ſich die Natur an das bloße Beduͤrfniß gehal-
ten habe, iſt der allermeiſt mangelhafte Gebrauch je-
ner
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/138>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.