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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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bey unsern eingekerkerten Stadtmädchen, bey den
traurigen fahlgelben Gesichtern der Bergleute u. s. w.?
-- Windende Gewächse bewegen sich sehr deutlich nach
Gegenständen, an denen sie sich hinauf winden kön-
nen; sie geben aber bey weitem nicht in allen Stü-
cken der Willkühr des Gärtners nach, sondern sie um-
schlingen ihre Stüze nach einer ihnen angebohrnen
Richtung, wie z. B. die Bohnen von der Rechten zu
der Linken. Diejenigen, so sich vermittelst ausge-
schickter Fäden, die man Zirrhen nennt, anzuklam-
mern pflegen, kräuseln dieselben nicht ehe, als bis sie
einen Zweig, ein Reisig damit ergriffen haben, und
an diese schließen sie ihre Windungen so genau an,
als es immer die Ringelraupe mit ihren Eyern thun
kann. Die Ranken des Epheu lassen nur dann eine
Wurzel ausgehen, wenn sich eine schickliche Stelle
zu ihrer Einsenkung und Nahrung findet u. s. w.
Sind dieses nicht auch Kunsttriebe? --

Daß die Pflanzen besonders bey Tage die Stick-
luft einsaugen, und nach Verschiedenheit des Lichtes
und des Schattens eine mehr oder weniger reine Luft
ausdünsten, so wie dieses auch bey Thieren durch die
Haut und Lungen geschieht, ist aus so vielen Versu-
chen der Neuern sattsam bekannt.

Darwin hat gezeigt, daß das Aufstoßen, das
leichte Wegbrechen einiger Mäulervoll Speisen oder
eines scharfen Wassers, das Erbrechen beym Menschen,
das Wiederkäuen des Rindviehes, welches auch bey
Menschen ist beobachtet worden, die Darmgicht, der
hysterische Krampf im Halse oder die sogenannte hy-

sterische

bey unſern eingekerkerten Stadtmaͤdchen, bey den
traurigen fahlgelben Geſichtern der Bergleute u. ſ. w.?
— Windende Gewaͤchſe bewegen ſich ſehr deutlich nach
Gegenſtaͤnden, an denen ſie ſich hinauf winden koͤn-
nen; ſie geben aber bey weitem nicht in allen Stuͤ-
cken der Willkuͤhr des Gaͤrtners nach, ſondern ſie um-
ſchlingen ihre Stuͤze nach einer ihnen angebohrnen
Richtung, wie z. B. die Bohnen von der Rechten zu
der Linken. Diejenigen, ſo ſich vermittelſt ausge-
ſchickter Faͤden, die man Zirrhen nennt, anzuklam-
mern pflegen, kraͤuſeln dieſelben nicht ehe, als bis ſie
einen Zweig, ein Reiſig damit ergriffen haben, und
an dieſe ſchließen ſie ihre Windungen ſo genau an,
als es immer die Ringelraupe mit ihren Eyern thun
kann. Die Ranken des Epheu laſſen nur dann eine
Wurzel ausgehen, wenn ſich eine ſchickliche Stelle
zu ihrer Einſenkung und Nahrung findet u. ſ. w.
Sind dieſes nicht auch Kunſttriebe? —

Daß die Pflanzen beſonders bey Tage die Stick-
luft einſaugen, und nach Verſchiedenheit des Lichtes
und des Schattens eine mehr oder weniger reine Luft
ausduͤnſten, ſo wie dieſes auch bey Thieren durch die
Haut und Lungen geſchieht, iſt aus ſo vielen Verſu-
chen der Neuern ſattſam bekannt.

Darwin hat gezeigt, daß das Aufſtoßen, das
leichte Wegbrechen einiger Maͤulervoll Speiſen oder
eines ſcharfen Waſſers, das Erbrechen beym Menſchen,
das Wiederkaͤuen des Rindviehes, welches auch bey
Menſchen iſt beobachtet worden, die Darmgicht, der
hyſteriſche Krampf im Halſe oder die ſogenannte hy-

ſteriſche
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[155/0174] bey unſern eingekerkerten Stadtmaͤdchen, bey den traurigen fahlgelben Geſichtern der Bergleute u. ſ. w.? — Windende Gewaͤchſe bewegen ſich ſehr deutlich nach Gegenſtaͤnden, an denen ſie ſich hinauf winden koͤn- nen; ſie geben aber bey weitem nicht in allen Stuͤ- cken der Willkuͤhr des Gaͤrtners nach, ſondern ſie um- ſchlingen ihre Stuͤze nach einer ihnen angebohrnen Richtung, wie z. B. die Bohnen von der Rechten zu der Linken. Diejenigen, ſo ſich vermittelſt ausge- ſchickter Faͤden, die man Zirrhen nennt, anzuklam- mern pflegen, kraͤuſeln dieſelben nicht ehe, als bis ſie einen Zweig, ein Reiſig damit ergriffen haben, und an dieſe ſchließen ſie ihre Windungen ſo genau an, als es immer die Ringelraupe mit ihren Eyern thun kann. Die Ranken des Epheu laſſen nur dann eine Wurzel ausgehen, wenn ſich eine ſchickliche Stelle zu ihrer Einſenkung und Nahrung findet u. ſ. w. Sind dieſes nicht auch Kunſttriebe? — Daß die Pflanzen beſonders bey Tage die Stick- luft einſaugen, und nach Verſchiedenheit des Lichtes und des Schattens eine mehr oder weniger reine Luft ausduͤnſten, ſo wie dieſes auch bey Thieren durch die Haut und Lungen geſchieht, iſt aus ſo vielen Verſu- chen der Neuern ſattſam bekannt. Darwin hat gezeigt, daß das Aufſtoßen, das leichte Wegbrechen einiger Maͤulervoll Speiſen oder eines ſcharfen Waſſers, das Erbrechen beym Menſchen, das Wiederkaͤuen des Rindviehes, welches auch bey Menſchen iſt beobachtet worden, die Darmgicht, der hyſteriſche Krampf im Halſe oder die ſogenannte hy- ſteriſche

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/174>, abgerufen am 24.11.2024.