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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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den kältern der Nacht zum Theil wieder hinabsteige
Gegen den Winter, sagen die Gärtner, treten die Säfte.
zurück, und die Bäume und krautartigen Gewächse, an
denen dieses gar nicht oder zu spät geschieht, wenn es
nicht eigentliche Wintergewächse sind, stehen wegen des
Frostes in grosser Gefahr. Wir werden in der Folge
sehen, was für einen Einfluß auf den Menschen Tag und
Nacht und die verschiedenen Stunden derselben haben.

Selbst in den Krankheiten der Pflanzen weicht
die Natur wesentlich nicht so sehr von dem Verfahren
ab, welches sie bey den Thieren beobachtet. Wir ha-
ben schon oben gesehen, wie sie die Wunde der abge-
rissenen Rinde heilt; allein macht man einer Pflanze
um die Zeit, wo ihre Säfte lebhaft in Bewegung
sind, eine beträchtliche Verwundung, so verblutet sie
sich, wird matt, unfruchtbar oder dorret gar aus,
wie man dieses bey Reben, bey den angebohrten und
nicht wieder vernagelten Birken beobachtet: Nicht an-
derst wird die Raupe, der man ihr Gespinst zu oft
zerstört, endlich zu sehr entkräftet, unvermögend sich
einzuspinnen, um die Begattung abzuwarten. Ist
der Baum krank, so wird seine Rinde matt, raudig, rei-
set auf, so daß man sie gegen den Stamm zu abziehen
kann. Ist er innerlich hohl, zerrissen, so entstehen auf der
Rinde kleine weiße oder rothe Flecken, worauf Fäulniß
folgt. Diese äußert sich an jungen Bäumen durch
Mose und Schwämme, welche die Rinde überziehen.
Ist der Baum schon von innerlicher Fäulniß er-
griffen, so äußern sich krebsartige Schäden am Stam-
me, Narben in den Aesten, verfaulte und zum Theil

ver-

den kaͤltern der Nacht zum Theil wieder hinabſteige
Gegen den Winter, ſagen die Gaͤrtner, treten die Saͤfte.
zuruͤck, und die Baͤume und krautartigen Gewaͤchſe, an
denen dieſes gar nicht oder zu ſpaͤt geſchieht, wenn es
nicht eigentliche Wintergewaͤchſe ſind, ſtehen wegen des
Froſtes in groſſer Gefahr. Wir werden in der Folge
ſehen, was fuͤr einen Einfluß auf den Menſchen Tag und
Nacht und die verſchiedenen Stunden derſelben haben.

Selbſt in den Krankheiten der Pflanzen weicht
die Natur weſentlich nicht ſo ſehr von dem Verfahren
ab, welches ſie bey den Thieren beobachtet. Wir ha-
ben ſchon oben geſehen, wie ſie die Wunde der abge-
riſſenen Rinde heilt; allein macht man einer Pflanze
um die Zeit, wo ihre Saͤfte lebhaft in Bewegung
ſind, eine betraͤchtliche Verwundung, ſo verblutet ſie
ſich, wird matt, unfruchtbar oder dorret gar aus,
wie man dieſes bey Reben, bey den angebohrten und
nicht wieder vernagelten Birken beobachtet: Nicht an-
derſt wird die Raupe, der man ihr Geſpinſt zu oft
zerſtoͤrt, endlich zu ſehr entkraͤftet, unvermoͤgend ſich
einzuſpinnen, um die Begattung abzuwarten. Iſt
der Baum krank, ſo wird ſeine Rinde matt, raudig, rei-
ſet auf, ſo daß man ſie gegen den Stamm zu abziehen
kann. Iſt er innerlich hohl, zerriſſen, ſo entſtehen auf der
Rinde kleine weiße oder rothe Flecken, worauf Faͤulniß
folgt. Dieſe aͤußert ſich an jungen Baͤumen durch
Moſe und Schwaͤmme, welche die Rinde uͤberziehen.
Iſt der Baum ſchon von innerlicher Faͤulniß er-
griffen, ſo aͤußern ſich krebsartige Schaͤden am Stam-
me, Narben in den Aeſten, verfaulte und zum Theil

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[157/0176] den kaͤltern der Nacht zum Theil wieder hinabſteige Gegen den Winter, ſagen die Gaͤrtner, treten die Saͤfte. zuruͤck, und die Baͤume und krautartigen Gewaͤchſe, an denen dieſes gar nicht oder zu ſpaͤt geſchieht, wenn es nicht eigentliche Wintergewaͤchſe ſind, ſtehen wegen des Froſtes in groſſer Gefahr. Wir werden in der Folge ſehen, was fuͤr einen Einfluß auf den Menſchen Tag und Nacht und die verſchiedenen Stunden derſelben haben. Selbſt in den Krankheiten der Pflanzen weicht die Natur weſentlich nicht ſo ſehr von dem Verfahren ab, welches ſie bey den Thieren beobachtet. Wir ha- ben ſchon oben geſehen, wie ſie die Wunde der abge- riſſenen Rinde heilt; allein macht man einer Pflanze um die Zeit, wo ihre Saͤfte lebhaft in Bewegung ſind, eine betraͤchtliche Verwundung, ſo verblutet ſie ſich, wird matt, unfruchtbar oder dorret gar aus, wie man dieſes bey Reben, bey den angebohrten und nicht wieder vernagelten Birken beobachtet: Nicht an- derſt wird die Raupe, der man ihr Geſpinſt zu oft zerſtoͤrt, endlich zu ſehr entkraͤftet, unvermoͤgend ſich einzuſpinnen, um die Begattung abzuwarten. Iſt der Baum krank, ſo wird ſeine Rinde matt, raudig, rei- ſet auf, ſo daß man ſie gegen den Stamm zu abziehen kann. Iſt er innerlich hohl, zerriſſen, ſo entſtehen auf der Rinde kleine weiße oder rothe Flecken, worauf Faͤulniß folgt. Dieſe aͤußert ſich an jungen Baͤumen durch Moſe und Schwaͤmme, welche die Rinde uͤberziehen. Iſt der Baum ſchon von innerlicher Faͤulniß er- griffen, ſo aͤußern ſich krebsartige Schaͤden am Stam- me, Narben in den Aeſten, verfaulte und zum Theil ver-

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/176>, abgerufen am 21.11.2024.