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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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welche nie eine beträchtliche Unpäßlichkeit erlitten ha-
ben; solche unglückliche Wesen, deren kranken Tage die
gesunden übertreffen, sind äusserst selten; man kennt
ganze Völker, welche nur von sehr wenigen Krankhei-
ten und von diesen nur selten heimgesucht werden: denn
der Mensch war zu höheren Dingen geboren, als daß
er sein Leben in immerwährender Sorge für seine Ge-
sundheit hinseufzen sollte.

Sein Schöpfer mußte also dafür gesorgt haben,
daß alle Gefahren so lange beseitigt oder entkräftet
würden, bis der Mensch wieder hinkehren sollte, wo
er herkam. Und in der That beweisen dieses unzähli-
ge Erscheinungen: Ist irgend eine Verrichtung der thie-
rischen Haushaltung in Gefahr, es sey aus Uebermaß
der Gesundheit, oder daß sonst eine feindliche Ursache
einen zu mächtigen Einfluß habe; so empören sich die
Triebfedern des Lebens; es entsteht ein Fieber, hef-
tige Fieberbewegungen, Ausleerungen, Blutflüsse,
Schweise, Erbrechen, Bauchflüsse, häufiger Harn,
Hautausschläge, Verwerfungen, Schmerz, Kitzel,
Zuckungen, Angst, Geschrey, angestrengtes Athmen,
Röcheln, Stöhnen, ausgelassene Verdrehungen des
Körpers, Jauchzen, Springen, Geschlechtsbegierde,
Leidenschaften u. s. w., lauter absichtliche Anstalten der
menschlichen Natur, die wir so oft unter dem Namen
der Krankheiten verkennen, da sie uns unterdessen
allermeist zur Wohlthat werden. "Alle Natur, sagt
Cicero, bringt die Selbsterhaltung mit sich, und hat
sich dieses zum äussersten Ziel und Zwecke gesetzt, sich
in dem bestmöglichsten Zustande ihrer Art zu bewahren."


§. 5.

welche nie eine betraͤchtliche Unpaͤßlichkeit erlitten ha-
ben; ſolche ungluͤckliche Weſen, deren kranken Tage die
geſunden uͤbertreffen, ſind aͤuſſerſt ſelten; man kennt
ganze Voͤlker, welche nur von ſehr wenigen Krankhei-
ten und von dieſen nur ſelten heimgeſucht werden: denn
der Menſch war zu hoͤheren Dingen geboren, als daß
er ſein Leben in immerwaͤhrender Sorge fuͤr ſeine Ge-
ſundheit hinſeufzen ſollte.

Sein Schoͤpfer mußte alſo dafuͤr geſorgt haben,
daß alle Gefahren ſo lange beſeitigt oder entkraͤftet
wuͤrden, bis der Menſch wieder hinkehren ſollte, wo
er herkam. Und in der That beweiſen dieſes unzaͤhli-
ge Erſcheinungen: Iſt irgend eine Verrichtung der thie-
riſchen Haushaltung in Gefahr, es ſey aus Uebermaß
der Geſundheit, oder daß ſonſt eine feindliche Urſache
einen zu maͤchtigen Einfluß habe; ſo empoͤren ſich die
Triebfedern des Lebens; es entſteht ein Fieber, hef-
tige Fieberbewegungen, Ausleerungen, Blutfluͤſſe,
Schweiſe, Erbrechen, Bauchfluͤſſe, haͤufiger Harn,
Hautausſchlaͤge, Verwerfungen, Schmerz, Kitzel,
Zuckungen, Angſt, Geſchrey, angeſtrengtes Athmen,
Roͤcheln, Stoͤhnen, ausgelaſſene Verdrehungen des
Koͤrpers, Jauchzen, Springen, Geſchlechtsbegierde,
Leidenſchaften u. ſ. w., lauter abſichtliche Anſtalten der
menſchlichen Natur, die wir ſo oft unter dem Namen
der Krankheiten verkennen, da ſie uns unterdeſſen
allermeiſt zur Wohlthat werden. 〟Alle Natur, ſagt
Cicero, bringt die Selbſterhaltung mit ſich, und hat
ſich dieſes zum aͤuſſerſten Ziel und Zwecke geſetzt, ſich
in dem beſtmoͤglichſten Zuſtande ihrer Art zu bewahren.〟


§. 5.
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[4/0023] welche nie eine betraͤchtliche Unpaͤßlichkeit erlitten ha- ben; ſolche ungluͤckliche Weſen, deren kranken Tage die geſunden uͤbertreffen, ſind aͤuſſerſt ſelten; man kennt ganze Voͤlker, welche nur von ſehr wenigen Krankhei- ten und von dieſen nur ſelten heimgeſucht werden: denn der Menſch war zu hoͤheren Dingen geboren, als daß er ſein Leben in immerwaͤhrender Sorge fuͤr ſeine Ge- ſundheit hinſeufzen ſollte. Sein Schoͤpfer mußte alſo dafuͤr geſorgt haben, daß alle Gefahren ſo lange beſeitigt oder entkraͤftet wuͤrden, bis der Menſch wieder hinkehren ſollte, wo er herkam. Und in der That beweiſen dieſes unzaͤhli- ge Erſcheinungen: Iſt irgend eine Verrichtung der thie- riſchen Haushaltung in Gefahr, es ſey aus Uebermaß der Geſundheit, oder daß ſonſt eine feindliche Urſache einen zu maͤchtigen Einfluß habe; ſo empoͤren ſich die Triebfedern des Lebens; es entſteht ein Fieber, hef- tige Fieberbewegungen, Ausleerungen, Blutfluͤſſe, Schweiſe, Erbrechen, Bauchfluͤſſe, haͤufiger Harn, Hautausſchlaͤge, Verwerfungen, Schmerz, Kitzel, Zuckungen, Angſt, Geſchrey, angeſtrengtes Athmen, Roͤcheln, Stoͤhnen, ausgelaſſene Verdrehungen des Koͤrpers, Jauchzen, Springen, Geſchlechtsbegierde, Leidenſchaften u. ſ. w., lauter abſichtliche Anſtalten der menſchlichen Natur, die wir ſo oft unter dem Namen der Krankheiten verkennen, da ſie uns unterdeſſen allermeiſt zur Wohlthat werden. 〟Alle Natur, ſagt Cicero, bringt die Selbſterhaltung mit ſich, und hat ſich dieſes zum aͤuſſerſten Ziel und Zwecke geſetzt, ſich in dem beſtmoͤglichſten Zuſtande ihrer Art zu bewahren.〟 §. 5.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/23>, abgerufen am 21.11.2024.