Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

los, und fiel ab.*) In den im 1ten Kapitel §. 36.
angeführten Beyspielen von wiedererzeugten Knochen
that jedesmal die Natur allein das meiste.

Wenn Wunden zugeheilt werden, und abge-
schälte, aber nicht weit genug abgelöste Knochen
verschließen, oder aber, wenn aus was immer für
Ursachen, z. B. Quetschung, Schläge, ein Bein zer-
splittert und verdirbt, obschon die weichen Theile ganz
geblieben sind; so schafft die Natur den toden Kno-
chen durch eine von selbst gemachte Wunde heraus.
Ein junger Mensch bekam einen heftigen Schlag an
die vordere Seite des linken Schienbeins. Die davon
entstandene Quetschung zertheilte sich bald wieder
Allein innerhalb vier oder fünf Monaten klagte er
über einen stumpfen, in dem Innern des Knochens
wüthenden Schmerz. Dieser Schmerz nahm täglich
zu, das Schienbein schwoll an, und die äußere Haut
entzündete sich, und gieng in Vereiterung über. Nach
der Oeffnung des Abscesses zeigte sich ein kleines hohl-
geschwür, welches, wie der Wundarzt beym Son-
diren bemerkte, bis in den Knochen hinein gieng. Es
glaubte daher dieser erfahrne Mann, der Theil des
Knochens müste sich losstossen, und sodann herausge-
nommen werden. Er entblößte also die angeschwoll-
ne Schienbeinröhre durch einen Schnitt, bohrte ver-
mittelst des Trepans den fistulösen Theil des Knochen
durch, und nahm solchen mit Hilfe des Meisels und
Hammers heraus. Auf diese Art bahnte er sich durch

einen
*) Tom I. §. 432.

los, und fiel ab.*) In den im 1ten Kapitel §. 36.
angefuͤhrten Beyſpielen von wiedererzeugten Knochen
that jedesmal die Natur allein das meiſte.

Wenn Wunden zugeheilt werden, und abge-
ſchaͤlte, aber nicht weit genug abgeloͤſte Knochen
verſchließen, oder aber, wenn aus was immer fuͤr
Urſachen, z. B. Quetſchung, Schlaͤge, ein Bein zer-
ſplittert und verdirbt, obſchon die weichen Theile ganz
geblieben ſind; ſo ſchafft die Natur den toden Kno-
chen durch eine von ſelbſt gemachte Wunde heraus.
Ein junger Menſch bekam einen heftigen Schlag an
die vordere Seite des linken Schienbeins. Die davon
entſtandene Quetſchung zertheilte ſich bald wieder
Allein innerhalb vier oder fuͤnf Monaten klagte er
uͤber einen ſtumpfen, in dem Innern des Knochens
wuͤthenden Schmerz. Dieſer Schmerz nahm taͤglich
zu, das Schienbein ſchwoll an, und die aͤußere Haut
entzuͤndete ſich, und gieng in Vereiterung uͤber. Nach
der Oeffnung des Abſceſſes zeigte ſich ein kleines hohl-
geſchwuͤr, welches, wie der Wundarzt beym Son-
diren bemerkte, bis in den Knochen hinein gieng. Es
glaubte daher dieſer erfahrne Mann, der Theil des
Knochens muͤſte ſich losſtoſſen, und ſodann herausge-
nommen werden. Er entbloͤßte alſo die angeſchwoll-
ne Schienbeinroͤhre durch einen Schnitt, bohrte ver-
mittelſt des Trepans den fiſtuloͤſen Theil des Knochen
durch, und nahm ſolchen mit Hilfe des Meiſels und
Hammers heraus. Auf dieſe Art bahnte er ſich durch

einen
*) Tom I. §. 432.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0247" n="228"/>
los, und fiel ab.<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Tom I.</hi> §. 432.</note> In den im 1ten Kapitel §. 36.<lb/>
angefu&#x0364;hrten Bey&#x017F;pielen von wiedererzeugten Knochen<lb/>
that jedesmal die Natur allein das mei&#x017F;te.</p><lb/>
              <p>Wenn Wunden zugeheilt werden, und abge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;lte, aber nicht weit genug abgelo&#x0364;&#x017F;te Knochen<lb/>
ver&#x017F;chließen, oder aber, wenn aus was immer fu&#x0364;r<lb/>
Ur&#x017F;achen, z. B. Quet&#x017F;chung, Schla&#x0364;ge, ein Bein zer-<lb/>
&#x017F;plittert und verdirbt, ob&#x017F;chon die weichen Theile ganz<lb/>
geblieben &#x017F;ind; &#x017F;o &#x017F;chafft die Natur den toden Kno-<lb/>
chen durch eine von &#x017F;elb&#x017F;t gemachte Wunde heraus.<lb/>
Ein junger Men&#x017F;ch bekam einen heftigen Schlag an<lb/>
die vordere Seite des linken Schienbeins. Die davon<lb/>
ent&#x017F;tandene Quet&#x017F;chung zertheilte &#x017F;ich bald wieder<lb/>
Allein innerhalb vier oder fu&#x0364;nf Monaten klagte er<lb/>
u&#x0364;ber einen &#x017F;tumpfen, in dem Innern des Knochens<lb/>
wu&#x0364;thenden Schmerz. Die&#x017F;er Schmerz nahm ta&#x0364;glich<lb/>
zu, das Schienbein &#x017F;chwoll an, und die a&#x0364;ußere Haut<lb/>
entzu&#x0364;ndete &#x017F;ich, und gieng in Vereiterung u&#x0364;ber. Nach<lb/>
der Oeffnung des Ab&#x017F;ce&#x017F;&#x017F;es zeigte &#x017F;ich ein kleines hohl-<lb/>
ge&#x017F;chwu&#x0364;r, welches, wie der Wundarzt beym Son-<lb/>
diren bemerkte, bis in den Knochen hinein gieng. Es<lb/>
glaubte daher die&#x017F;er erfahrne Mann, der Theil des<lb/>
Knochens mu&#x0364;&#x017F;te &#x017F;ich los&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;odann herausge-<lb/>
nommen werden. Er entblo&#x0364;ßte al&#x017F;o die ange&#x017F;chwoll-<lb/>
ne Schienbeinro&#x0364;hre durch einen Schnitt, bohrte ver-<lb/>
mittel&#x017F;t des Trepans den fi&#x017F;tulo&#x0364;&#x017F;en Theil des Knochen<lb/>
durch, und nahm &#x017F;olchen mit Hilfe des Mei&#x017F;els und<lb/>
Hammers heraus. Auf die&#x017F;e Art bahnte er &#x017F;ich durch<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einen</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0247] los, und fiel ab. *) In den im 1ten Kapitel §. 36. angefuͤhrten Beyſpielen von wiedererzeugten Knochen that jedesmal die Natur allein das meiſte. Wenn Wunden zugeheilt werden, und abge- ſchaͤlte, aber nicht weit genug abgeloͤſte Knochen verſchließen, oder aber, wenn aus was immer fuͤr Urſachen, z. B. Quetſchung, Schlaͤge, ein Bein zer- ſplittert und verdirbt, obſchon die weichen Theile ganz geblieben ſind; ſo ſchafft die Natur den toden Kno- chen durch eine von ſelbſt gemachte Wunde heraus. Ein junger Menſch bekam einen heftigen Schlag an die vordere Seite des linken Schienbeins. Die davon entſtandene Quetſchung zertheilte ſich bald wieder Allein innerhalb vier oder fuͤnf Monaten klagte er uͤber einen ſtumpfen, in dem Innern des Knochens wuͤthenden Schmerz. Dieſer Schmerz nahm taͤglich zu, das Schienbein ſchwoll an, und die aͤußere Haut entzuͤndete ſich, und gieng in Vereiterung uͤber. Nach der Oeffnung des Abſceſſes zeigte ſich ein kleines hohl- geſchwuͤr, welches, wie der Wundarzt beym Son- diren bemerkte, bis in den Knochen hinein gieng. Es glaubte daher dieſer erfahrne Mann, der Theil des Knochens muͤſte ſich losſtoſſen, und ſodann herausge- nommen werden. Er entbloͤßte alſo die angeſchwoll- ne Schienbeinroͤhre durch einen Schnitt, bohrte ver- mittelſt des Trepans den fiſtuloͤſen Theil des Knochen durch, und nahm ſolchen mit Hilfe des Meiſels und Hammers heraus. Auf dieſe Art bahnte er ſich durch einen *) Tom I. §. 432.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/247
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/247>, abgerufen am 21.11.2024.